02.07.2004

Per Teleportation aus dem Schwarzen Loch

Kann die Hawking-Strahlung einen Blick in ein Schwarzes Loch eröffnen? Die Information würde dabei durch Quantenteleportation nach außen gelangen.


Per Teleportation aus dem Schwarzen Loch


Kann die Hawking-Strahlung einen Blick in ein Schwarzes Loch eröffnen? Die Information würde dabei durch Quantenteleportation nach außen gelangen.

Schwarze Löcher bleiben eine Herausforderung für die Naturwissenschaften. Sie stehen an der Nahtstelle zwischen der klassischen Gravitationstheorie, der Thermodynamik und der Quantenphysik. Dabei ergeben sich zahlreiche Probleme, die wohl erst eine vollständige Quantengravitationstheorie lösen kann. Eines von ihnen ist das so genannte Informationsparadox, das jetzt Seth Lloyd vom MIT in einen Zusammenhang mit der Quanteninformationstheorie gebracht hat. Demnach könnte aus einem Schwarzen Loch überraschend viel Information durch Teleportation entweichen.

Nach den Gesetzen der klassischen Physik sind Schwarze Löcher perfekte Absorber, die nichts wieder hergeben, was einmal den „Ereignishorizont“ überquert hat - weder Licht, noch Materie, und auch keine Information. Da sie von selbst nicht strahlen können, müsste sowohl ihre absolute Temperatur als auch ihre Entropie exakt 0 sein. Doch Anfang der 70er Jahre wies Jacob Bekenstein darauf hin, dass der Flächeninhalt des Ereignishorizonts für ein Schwarzes Loch dieselbe Rolle spielt wie die Entropie für ein herkömmliches thermodynamisches System. Stephen Hawking hat dann 1974 berechnet, dass Schwarze Löcher strahlen und eine von Null verschiedene Temperatur haben, die der (konstanten) Oberflächengravitation auf dem Ereignishorizont proportional ist.

Die Hawking-Strahlung kommt vereinfacht gesagt dadurch zustande, dass im leeren Raum in der Nähe eines Schwarzes Loches Paare von Teilchen und Antiteilchen entstehen. Das Loch absorbiert die einfallende Strahlung, die negative Energie hat, und emittiert die ausgehende Strahlung, deren Energie positiv ist. Dabei nimmt die Masse des Loches stetig ab. Ihm entweicht thermische Strahlung, deren Temperatur mit der des Loches übereinstimmt. Allerdings ist diese Strahlung für Schwarze Löcher, die bei einem Sternenkollaps entstehen, viel zu schwach, als dass man sie vermutlich jemals wird beobachten können. Dennoch schrumpft die Masse eines isolierten, strahlenden Schwarzen Loches unaufhörlich. Die Oberflächengravitation nimmt dabei zu und das Loch wird immer heißer, bis es schließlich mit einer gleißend hellen Explosion verschwindet.

Dieses Bild hat jedoch einen Haken. Wenn sich die Materie, die zu einem Schwarzen Loch kollabiert, in einem reinen Quantenzustand befunden hat, dann wird das Loch ebenfalls in einem reinen Zustand sein. Nachdem sich das Loch schließlich in thermische Strahlung aufgelöst hat, liegt jedoch ein Zustandsgemisch vor. Unterschiedliche Quantenzustände des Schwarzen Loches enden somit alle im selben Zustandsgemisch der thermischen Strahlung. Bei diesem Prozess geht, im Widerspruch zu Quantenmechanik, Information verloren.

Verschiedene Lösungen dieses Informationsparadoxes sind vorgeschlagen worden. Zum einen könnte eine Quantengravitationstheorie tatsächlich zulassen, dass Information zerstört wird. Zum anderen könnte die im Loch enthaltene Zustandsinformation geklont und mit der Hawking-Strahlung wegtransportiert werden. Zwar verbietet die Quantentheorie das Klonen eines Quantenzustandes; da aber der Zustand des Schwarzen Loches nicht zugänglich ist, ergäben sich keine Probleme.

Kürzlich haben Gary Horowitz und Juan Maldacena eine originelle Lösung des Informationsparadoxes vorgeschlagen. Dabei gelangt die Information durch Teleportation aus dem Loch heraus. Zunächst befinden sich die in das Schwarze Loch einlaufende und die ausgehende Hawking-Strahlung in einem verschränkten Zustand, wie man ihn für die Quantenteleportation benutzt. In der Singularität im Zentrum des Schwarzen Loch werden die Quantenzustände der Materie und der einlaufenden Strahlung auf einen ebenfalls verschränkten Zustand projiziert. Das hat ähnliche Rückwirkungen auf den Quantenzustand der ausgehenden Hawking-Strahlung, wie man sie bei der Quantenteleportation beobachtet.

Bei der Quantenteleportation führt ein Sender eine lokale Messung an einem räumlich ausgedehnten System durch, das sich in einem verschränkten Zustand befindet. Diese Messung hat eine Zustandsprojektion mit mehreren möglichen Ergebnissen zur Folge. Das tatsächlich beobachtete Ergebnis muss der Sender auf klassischem Wege dem Empfänger übermitteln, der daraufhin an seinem Teil des ausgedehnten Systems die Teleportation abschließen kann. Da aus einem Schwarzen Loch auf klassischem Wege keine Information herauskommt, ist hier im strengen Sinne auch keine Quantenteleportation möglich. Die von Horowitz und Maldacena vorgeschlagene Projektion auf einen bestimmten Quantenzustand im Schwarzen Loch macht die klassische Informationsübermittlung indes überflüssig. Der ausgehenden Hawking-Strahlung wird die Information über den Quantenzustand des Loches direkt aufgeprägt.

Doch wie viel Information kann auf diese Weise aus einem Schwarzen Loch herausgelangen? Seth Lloyd vom MIT behauptet: Fast die gesamte Information! Im Schwarzen Loch werden die Materie und die einfallende Strahlung kräftig durcheinander gewirbelt. Der sich einstellende verschränkte Quantenzustand zwischen Materie und Strahlung wird ein völlig zufälliger Zustand sein, der in hohem Maße verschränkt ist. Die starke Verschränkung des Zustands macht es möglich, dass ein erstaunlich großer Teil der in ihm enthaltenen Information aus dem Schwarzen Loch über die Hawking-Strahlung entweichen kann. Eine geeignete Kodierung vorausgesetzt, kann klassische Information, die sich in Bits messen lässt, das Schwarze Loch auf diesem Wege zu 100 % verlassen. Quanteninformation, gemessen in Qubits, kann immerhin zu 85 % entweichen. Dieser hohe Wert macht eine Quantenfehlerkorrektur möglich, bei der man anhand von zusätzlich übertragenen Qubits die vollständige Quanteninformation herausdestillieren kann.

Seth Lloyd schließt daraus, dass man aus einem Schwarzen Loch im Prinzip den vollständigen Informationsgehalt gewinnen kann - vorausgesetzt, die von Horowitz und Maldacena angenommene Zustandsprojektion in der Singularität des Loches findet statt. Damit wären Schwarze Löcher „im Prinzip“ als ultimative Computer zu gebrauchen. Nirgendwo im Universum werden Qubits derart schnell ineinander umgewandelt und miteinander verschränkt wie in einem Schwarzen Loch. Natürlich muss man noch lernen, wie man ein Schwarzes Loch programmiert und wie man das Rechenergebnis schließlich ausliest. ...

Rainer Scharf

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