04.09.2014

PET zeigt Eiweißscheren in Tumoren

Neu entwickelte radioaktive Sonde zeigt spezielle Enzyme an Krebszellen.

Enzyme erfüllen im menschlichen Körper viele wichtige Aufgaben. Im Inneren von Zellorganellen hilft die Gruppe der Cathepsine beispielsweise gesunden Zellen beim Abbau von Eiweißstoffen. Wenn sich aber im umliegenden Gewebe Krebszellen ausbreiten, begünstigen diese Enzyme das Tumorwachstum. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) haben eine neue radioaktive Sonde entwickelt, mit der sie Cathepsine – und damit Krebszellen – aufspüren und charakterisieren können. In Experimenten konnten sie bereits nachweisen, dass erkranktes Gewebe die verwendete Substanz verstärkt aufnimmt.

Abb.: Die neu entwickelte radioaktive Sonde macht Cathepsine - spezielle Enzyme, die gehäuft an Krebszellen vorkommen - sichtbar. (Bild: Löser / HZDR)

In menschlichen Zellen gibt es spezielle Systeme, Lysosomen, in denen alte und beschädigte, aber auch von den Zellen aufgenommene Eiweiße in ihre Bestandteile zerlegt und verwertet werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Cathepsine. Sie trennen wie eine Schere die Eiweißstoffe auf, bevor die nächsten Recyclingschritte folgen. „Damit erfüllen sie eine wichtige Aufgabe. Denn wenn solche gealterten oder beschädigten Eiweiße nicht abgebaut werden, treten schwere Krankheiten auf“, erklärt Reik Löser vom Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung am HZDR.

Diese nützliche Arbeit verkehrt sich ins Gegenteil, sobald sich eine Tumorzelle auf das umliegende Gewebe – die extrazelluläre Matrix – ausbreitet. „Getrennt von ihrer natürlichen Umgebung verhalten sich die Enzyme nicht wie Recyclingexperten, sondern wie eine überforderte Putzkolonne in einem Museum, die sich fragt, ob ein wertvolles Objekt Kunst oder Müll ist“, umschreibt Löser ihre Aktivität in der extrazellulären Matrix. Denn hier bauen sie – ihrer normalen Aufgabe entsprechend – auch solche Eiweißstoffe ab, die dem Gewebe Struktur und Halt geben. Dies begünstigt wiederum die Ausbreitung der erkrankten Zellen.

„Es erscheint daher vielversprechend, Tumoren perspektivisch mit Hemmstoffen zu behandeln, die die Aktivität der Cathepsine unterbinden. Dafür wäre es von erheblichem Vorteil, diese Enzyme durch bildgebende Verfahren visualisieren zu können“, erklärt Löser. Aufbauend auf speziellen chemischen Verbindungen, Azadipeptidnitrilen, hat der Forscher Radiotracer entwickelt, der sich gut an die Cathepsine bindet. Bei der Grundsubstanz handelt es sich um einen Hemmstoff, der die Aktivitäten der Enzyme behindern soll. Indem Löser das Radionuklid Fluor-18 über eine Hilfsgruppe mit der chemischen Verbindung verknüpft hat, konnte er die Substanz in eine molekulare Sonde verwandeln, die sowohl den Tumor aufspüren als auch Aussagen über seine Neigung, in umliegendes gesundes Gewebe einzudringen, liefern kann.

Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie können die Forscher den Radiotracer im Körper sichtbar machen – und damit auch die Cathepsine, zusammen mit den erkrankten Zellen. Der in die Blutbahn injiziere Tracer zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa 110 Minuten. Die intensivste Strahlung geht dabei von den Zellen aus, in denen sich die höchste Konzentration des radioaktiv markierten Stoffes anreichert. Das betrifft auch die Tumorzellen, da sich der Tracer besonders an die krebsrelevanten Cathepsine bindet.

Auf den PET-Bildern können die Forscher so das gesunde Gewebe von den erkrankten Zellen unterschieden. Dies konnten Löser und seine Kollegen bei Untersuchungen mit Mäusen, die menschliche Tumorzellen trugen, zeigen. Die neuentwickelte Substanz reicherte sich in den erkrankten Zellen an. Bis zu einer klinischen Anwendung sei es jedoch noch ein weiter Weg, so Löser: „Wir müssen die Stabilität der Substanz im Blut erhöhen, um dadurch einen besseren Kontrast von Tumor zu Normalgewebe zu erreichen. Momentan ist dieser noch zu gering. Trotzdem konnten wir mit der Entwicklung die präzisere Diagnose und Charakterisierung von Tumoren um einen weiteren wichtigen Schritt voranbringen.“

HZDR / RK

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