24.11.2003

Putzen gegen Studiengebühren

Schuhe putzen oder Straßentheater gegen Studiengebühren: Der Protest hessischer Studenten hat neue Formen angenommen.

Putzen gegen Studiengebühren

Frankfurt/Main (dpa) - Schuhe putzen oder Straßentheater gegen Studiengebühren und Sozialabbau: Der Protest hessischer Studenten hat neue Formen angenommen. Zwar gehen sie seit Wochen auch ganz traditionell immer wieder auf die Straße, um gegen das Sparpaket der CDU-Landesregierung zu demonstrieren. Ihr Widerstand äußerst sich aber vor allem in zahlreichen kleineren, meist spontanen und publikumswirksamen Aktionen. Der Boykott von Lehrveranstaltungen - alter Begleiter studentischen Aufbegehrens - findet nicht mehr so viele Anhänger wie noch zuletzt 1997.

«Der Streik entwickelt sich aus den Fachschaften und ist damit sehr viel spontaner als früher», sagt der Marburger Politikprofessor Theo Schiller. «Es gibt nur noch ganz wenige organisierte Gruppen.» So drücken Frankfurter Sportstudenten ihre Ablehnung der geplanten Studiengebühren mit Hürdenlauf und Barrentraining in der City aus.

Gießener Musikwissenschaftler geben ein Konzert, Studenten der Frankfurter Fachhochschule spielen auf einer befahrenen Kreuzung Fußball, Marburger Studierende stürzen sich in die kalte Lahn. In Darmstadt werden Autoscheiben geputzt. Bei allen Protestaktionen sind weiße Koch-Mützen aus Papier zu sehen, in Anspielung auf CDU-Regierungschef Roland Koch. Der Asta der Frankfurter Uni hält sich ein schwarzes Ferkel namens «Roland».

«Die Formen des Protests sind kreativer geworden», sagt Schiller. Der Marburger Wissenschaftler hat bei den Studenten ein «Unbehagen mit der Form des Streiks» festgestellt. Viele hätten das Gefühl, «wir bestreiken uns irgendwie selbst und wollen mehr machen als nur etwas blockieren». Die Streik-Befürworter hätten Respekt vor den Gegnern und versuchten sie mit kreativen Aktionen zu überzeugen. Der Protest sei weniger moralisierend und destruktiv als in früheren Jahren.

«Es gibt eine sehr große Angst unter den Studierenden vor Nachteilen als Folge des Streiks», berichtet Katharina Volk vom Allgemeinen Studentenausschuss (Asta) in Gießen. Eine «allgemeine Resignation» nach die Überzeugung, «streiken bringt ja doch nichts» hat Bianca Hildenbrand vom Asta der Technischen Universität Darmstadt beobachtet. Viele ihrer Kommilitonen hätten zwischen vollgepacktem Stundenplan und Jobs keine Zeit mehr für Protestaktionen oder wollten aus Sorge, sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbauen, keine Vorlesungen versäumen. Besonders hoch sei der Druck bei den Bachelor- und Master-Studenten. «Nur die besten Bachelor-Studenten dürfen den Master machen. Die Industrie will Master.»

Die Konflikte innerhalb der Studentenschaft um die Proteste wachsen nach Einschätzung des Kasseler Politikprofessors Eike Hennig. Die neue Generation studiere zielgerichteter, viele wollten rasch weiterkommen. «Sie verlangen viel stärker, dass die Hochschule auch macht, was sie über die Prüfungsordnung ausweist.» Hennig hat bei den angehenden Akademikern aber auch eine «apolitische und resignative Haltung» als Folge «einer Sammlung von Frustrationen» sowie die Besinnung aufs Private ausgemacht.

Wissenschaftler Hennig sieht aber auch einen veränderten politischen Stil: «Es gibt Aversionen gegen die traditionelle Wir-bilden-eine-Marsch-Kolonne-Form.» Die Studenten wollten sehen, dass sich etwas lohnt, wenn sie sich engagierten und suchten daher «kleinere, direktere Aktionen» und das Gespräch mit Passanten. Dabei sei es ihnen wichtig, von außen nicht als Faulenzer missverstanden zu werden. So ärgert sich Simon Traut vom Marburger Streikbüro über die «Streik-Touristen, die nach Hause gehen oder in Urlaub fahren, statt sich an den Protesten zu beteiligen.»

Ira Schaible, dpa

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