Quantenphysik ermöglicht selbstzerstörende Software
Hybrid-Software erweitert Leistungsspektrum konventioneller Computer.
Software, die sich nach nur einer Ausführung selbst zerstört, galt bislang als unerfüllbares Ideal zum Schutz privater Informationen. Jetzt gelang es Forschen der Uni Wien gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Brasilien und Singapur, dieses Konzept mithilfe von Quantentechnologie zu realisieren. Dafür wurden quantenphysikalische und klassische Systeme zu einem Hybrid-Computer kombiniert. Die neuartige Kodierung sorgt dafür, dass sich das Computerprogramm nach nur einer Ausführung selbst zerstört. „Eine der spannendsten Eigenschaften dieser neuen Hybrid-Software ist, dass wir sie zu großen Teilen mit bereits zugänglicher Technologie verwirklichen können", sagt Marie-Christine Röhsner von der Uni Wien.
An der Uni Wien wurden die Programme weltweit erstmals realisiert, indem die klassische Software durch eine Abfolge einzelner Lichtquanten kodiert wurde. Der neue Hybrid-Ansatz, der klassische und quantenphysikalische Elemente zusammenführt, beweist, dass die Einbindung von Quantenphänomenen das Leistungsspektrum konventioneller Computer erweitern kann. Während der Bau eines vollständigen Quantencomputers noch viele technische Herausforderungen birgt, steht die für die „One-Time“-Programme nötige Quantentechnologie schon heute zur Verfügung.
Eine beispielhafte Anwendung für solche Programme ist das Millionärs-Problem. In diesem Szenario wollen zwei Millionäre wissen, wer von ihnen reicher ist, jeweils aber das exakte Ausmaß ihres Reichtums nicht bekanntgeben. Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist die Verwendung eines „One-Time“-Programms. Dieses erlaubt den beiden Millionären ihr jeweiliges Vermögen in das Programm einzugeben und mit diesem zu berechnen, wer reicher ist, bevor sich das Programm durch die Ausführung selbst zerstört. Durch diese Vorgehensweise ist gewährleistet, dass keiner der beiden auf die Originaldaten oder das Rechenverfahren Zugriff hat. Dadurch erhalten die Millionäre eine Antwort ohne ihre finanziellen Details preiszugeben.
Bislang dachte man, dass es sowohl mit Mitteln der klassischen Physik als auch mit jenen der Quantenphysik gänzlich unmöglich sei, solche „One-Time“-Programme zu realisieren. „Es war schon länger bekannt, dass eine ideale Umsetzung solcher Programme physikalisch nicht möglich ist. Indem wir jedoch zulassen, dass die Programme nicht immer perfekt funktionieren, erlaubt uns die Quantenphysik dennoch selbstzerstörende Software umzusetzen“, erklärt Philip Walther, Leiter der Forschungsgruppe in Wien. „Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten ein Programm zu entwerfen, das diese Fehler großteils kompensiert und so nützliche Anwendungen erlaubt. Ein Beispiel ist die von uns entwickelte Software, mit der eine digitale Signatur delegiert werden kann, die genau einmal verwendbar ist.“ Neben diesen konkreten entwickelten Anwendungen finden „One-Time“-Programme auch in zahlreichen anderen kryptographischen Protokollen Verwendung.
Die neue Forschungsrichtung der Hybrid-Computer hat auch bereits zu einer ersten Patenteinreichung geführt. Die Wissenschaftler wollen nun weitere spannende Ansätze erforschen, um klassische Software sicherer zu machen, und das noch bevor ein vollständiger Quantencomputer Realität wird.
U. Wien / RK