05.09.2013

Radiostrahlung auf Abwegen

Kompakte Plasmawolke in der Milchstraße lenkt Emission eines Quasars ab.

Bonner Astronomen haben herausgefunden, wie der Einfluss einer ionisierten Gaswolke in unserer Milchstraße das Bild eines Quasars in mehreren Milliarden Lichtjahren Entfernung in mehrere Einzelbilder aufspaltet. Phänomene dieser Art wurden bereits in den 1970er Jahren theoretisch vorhergesagt, aber die erste Bestätigung durch Beobachtungen ist erst jetzt gelungen.

Abb.: Die Gaswolke in unserer Milchstraße verbiegt die von dem Materiestrahl (Jet) des weit entfernten Quasars erzeugten Radiowellen  und erzeugt dadurch Mehrfachbilder. (Bild: B. Saxton, NRAO / MPIfR)

Die Wissenschaftler sind im Rahmen einer ausgedehnten Studie über zeitliche Veränderungen im Erscheinungsbild in einer Stichprobe von rund dreihundert Quasaren auf das Objekt 2023+335 in fast drei Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Erde aufmerksam geworden. Als sie eine Reihe von Aufnahmen untersuchten, nahmen sie dramatische Veränderungen im Aussehen dieser aktiven Galaxie wahr. Die Veränderungen der vom Quasar ausgestrahlten Radiowellen stamme von einer Gaswolke in der Milchstraße, die sich in wesentliche geringerer Entfernung durch die Sichtlinie zum Quasar bewegt und dessen Strahlen ablenkt.

„Genauso wie wir eine Lichtquelle hinter einer gefrorenen Scheibe verbreitert oder sogar in Mehrfachbildern sehen würden, so sehen wir den ‚Tanz‘ dieses Quasars hinter einer Gaswolke unserer Milchstraße“, sagt Anton Zensus, Direktor am MPIfR und Mitglied des Forscherteams, das diesen Effekt erstmals beobachtete. „Es ist ein bißchen so wie eine Fata Morgana an einem heißen Tag in der Wüste, oder wie die Nebensonnen, die aufgrund von Eiswolken das Bild unseres Heimatsterns am Himmel verändern.“

„Solche Ereignisse, die allem Anschein nach recht selten sind, zeigen uns einen neuen Weg, um etwas über die Eigenschaften des turbulenten Gases zu erfahren, das einen erheblichen Anteil an der Materie in unserer Milchstraße ausmacht“, sagt Alexander Pushkarev, Wissenschaftler am Bonner MPI und am Astrophysikalischen Observatorium Krim, Ukraine, der Leiter des internationalen Forscherteams.

Die Wissenschaftler hatten 2023+335 im Jahr 2008 zu ihrer Liste von Beobachtungsobjekten hinzugefügt. Die dort enthaltenen Quellen im Rahmen des MOJAVE-Projekts sind Quasare sowie weitere Galaxien mit supermassereichen Schwarzen Löchern in ihren Zentralregionen. Die Gravitationsenergie dieser Zentralquellen treibt Materiejets an, die fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Der Quasar 2023+335 zeigte zunächst die typische Struktur für ein solches Objekt, mit einem leuchtkräftigen Kern und einem daraus hervorschießenden Jet. 2009 hat sich dann die Struktur dieses Objekts massiv verändert, mit dem Auftreten einer ganzen Reihe von neuen hellen Einzelquellen im Radiofrequenzbereich, ein bisher gänzlich unbekanntes Verhalten.

Abb.: Die Aufsicht auf die Ebene der Milchstraße zeigt unsere Sonne (rechts), sie hat eine Entfernung von ungefähr 25000 Lichtjahren vom galaktischen Zentrum (oben rechts). Die gestrichelte Linie zeigt die Richtung zum Quasar 2023+335, die durch die nahegelegene Cygnus-X-Region im lokalen Arm der Milchstraße führt. (Bild: R. Hurt, NASA, JPL-CalTech / Pushkarev et al.)

Dem Ganzen auf die Spur gekommen sind die Astronomen durch die Entdeckung von Helligkeitsschwankungen im Radiofrequenzbereich mit anderen Teleskopen, die auf eine Streuung der Wellen im dazwischenliegenden Medium hindeuten.
Der Analyse der Wissenschaftler nach lenkt eine turbulente Wolke von geladenem Gas die Radiostrahlung des Quasars ab. Das Plasma befindet sich in zirka 5000 Lichtjahren Entfernung von der Erde in Richtung des Sternbilds Cygnus, dem Schwan. Die Größe der Wolke entspricht nur ungefähr dem Abstand des Planeten Merkur von der Sonne und sie bewegt sich mit 56 Kilometern pro Sekunde entlang der Sichtlinie.

„Die systematische Überwachung von 2023+335 dürfte noch weitere Ereignisse dieser Art aufzeigen, so dass wir zusätzliche Details sowohl über den Prozess lernen können, mit dem die Wellen gestreut werden als auch über das Gas, das die Streuung hervorruft“, fügt Alexander Pushkarev hinzu. „Andere Quasare, die wir durch ähnliche Regionen in der Milchstraße wahrnehmen, könnten ein entsprechendes Verhalten zeigen.“

MPIfR / OD

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