05.03.2012

Rauschen hilft: Universal-Trick für schnelle Messungen entdeckt

Wissenschaftler aus Heidelberg nutzen das Rauschen der Freie-Elektronen-Laser, um zu etwa 10 Mal kürzeren Pulsen zu kommen als zuvor.

Für Wissenschaftler ist es eine Herausforderung, die Bewegung von Atomen in Molekülen während einer chemischen Reaktion zu „filmen“. Diese ultraschnellen Vorgänge beobachten sie mit Hilfe der Pump-Probe-Technik und extrem kurzen Laserblitzen, die nur Femtosekunden dauern. Ein erster Blitz startet die Reaktion während ein zweiter kurz darauf folgender Blitz das Bild schießt. Für einen „Film“ wird die Dauer zwischen den beiden Blitzen variiert. So lässt sich ein kurzer Prozess zeitlich abtasten. Die Zeitauflösung des Films wird dabei von der Dauer der Blitze begrenzt: es lassen sich nur Vorgänge verfolgen, die länger dauern als der Laserblitz.

Abb.: Der glatte zeitliche Verlauf eines Laserblitzes (oben) und der individuell verrauschte Verlauf zweier gleich langer Blitze des Freie-Elektronen-Lasers Flash, jeweils links der Pumpblitz, der das Molekül rechts zum Schwingen anregt und der darauf folgende identisch strukturierte Probeblitz, der die momentane Position der Atome im Molekül abtastet. (Bild: MPI f. Kernphysik)

Eine wichtige Eigenschaft von Laserblitzen ist ihr glatter (kohärenter) zeitlicher Verlauf, also die Abwesenheit von Rauschen. Denn Rauschen ist normalerweise ein Feind präziser Messungen. Wissenschaftler versuchen immer noch kürzere Laserpulse zu erzeugen, um schnellere Prozesse auflösen zu können. Röntgenblitze, die seit einigen Jahren bei großen Beschleunigeranlagen in Freie-Elektronen-Laser entstehen und besonders kurz und intensiv sind, leiden jedoch unter starkem Rauschen.

Forscher am MPI für Kernphysik in Heidelberg haben nun einen Weg gefunden, wie man sich das Rauschen zu Nutze machen kann. Entscheidend dabei ist, dass Pump- und Probeblitz exakt dasselbe Rauschen aufweisen. Dies ist bei derartigen Experimenten üblicherweise der Fall, da Pump- und Probeblitz mit einem Strahlteiler und verschieden langen optischen Wegen aus dem Originalblitz erzeugt werden. „Die zeitlichen Intensitätsspitzen und Täler innerhalb eines Blitzes sind so zwar für jeden Schuss zufällig, sie wiederholen sich aber stets mit hoher zeitlicher Präzision zwischen Pump- und Probeblitz“, sagt Thomas Pfeifer, Forscher am MPIK Heidelberg.

Mittelt man nun über einige tausend Einzelmessungen, ergibt sich eine zeitliche Auflösung, die mehr als 10 Mal kürzer sein kann, als die Blitzdauer. Verantworlich dafür ist die zeitliche Signatur, die sich von Puls zu Puls unterscheidet. So kehrt sich der vermeintliche Nachteil von Freie-Elektronen-Lasern gegenüber konventionellen rauschfreien Lasern in einen Vorteil um.

Dieser Mechanismus erklärt die unerwartet hohe zeitliche Auflösung, die bei einem kürzlich mit dem Freie-Elektronen-Laser Flash in Hamburg durchgeführten Experiment zur Beobachtung von Molekülschwingungen erreicht wurde. Das Konzept der durch Rauschen verbesserten zeitlichen Auflösung ist universell und eröffnet neue Möglichkeiten für Ultrakurzzeitmessungen mit weniger aufwändigen Lichtquellen als bisher, die Untersuchung biologischer Proben in lebendem (und damit „rauschendem“) Gewebe und Anwendungen etwa in der Kommunikationstechnik.

MPIK / PH

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