Rezept für Nanoröhren-Carpaccio
Kontrollierte Bildung von regelmäßigen Streifenmustern aus Kohlenstoff-Nanoröhren.
Einige technische Neuerungen der jüngsten Zeit beruhen auf dem Einsatz von dünnen Schichten aus Kohlenstoff-Nanoröhren. So haben Wissenschaftler der Universität Stanford 2013 den Prototypen eines Computers vorgestellt, dessen elektronische Komponenten nicht auf Silizium basieren, sondern auf Kohlenstoff-Nanoröhren. Auch in den Displays von Smartphones kommen Nanoröhren teilweise schon zum Einsatz – als kostengünstigere Alternative zu den bislang üblichen Indium-Zinn-Oxiden.
Abb.: Kohlenstoff-Nanoröhren setzen sich aus einer Flüssigkeit heraus in regelmäßigen Streifen auf einer Oberfläche ab. Würzburger Forscher haben diesen Prozess genauer charakterisiert. (Bild: T. Hertel, JMU)
Dünne Schichten aus Kohlenstoff-Nanoröhren lassen sich mit verschiedenen Methoden erzeugen. „Dabei ist es sehr wichtig, die Herstellung der Schichten genau steuern zu können, um die gewünschten Strukturen und Eigenschaften zu erreichen“, sagt Tobias Hertel vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie und dem Wilhelm Conrad Röntgen Research Center for Complex Material Systems der Universität Würzburg. Seine Arbeitsgruppe hat dazu jetzt neue Erkenntnisse gewonnen.
Das Team hat sich mit der Technik der horizontalen Abscheidung befasst. Dabei setzen sich die Nanoröhren aus einer verdampfenden Flüssigkeit heraus auf einer Oberfläche ab. „Dieses Verfahren nutzt Selbstorganisationsphänomene der Nanoröhren“, erklärt Hertel, „es ermöglicht zum Beispiel die Herstellung dünnster Schichten, in denen alle Nanoröhren mit der gleichen Ausrichtung angeordnet sind.“ Mit dieser Technik können auch Schichten erzeugt werden, in denen sich die Nanoröhren zu regelmäßigen Streifenmustern mit Dimensionen im Mikrometerbereich arrangieren. „Dieser Effekt ähnelt sehr der Bildung von Kaffeeablagerungen und wird daher gelegentlich auch als Kaffee-Fleck-Phänomen bezeichnet“, so Hertel. Die so entstehenden Schichten eignen sich hervorragend zur Herstellung nanorohrbasierter Transistoren. Bislang allerdings sei unklar gewesen, wie sich die regelmäßigen Streifen bilden und wie sich dieser Prozess kontrollieren lässt. Dank der Forschung der Würzburger hat sich das nun geändert.
Bisher gingen die Forscher davon aus, dass die verdampfende Flüssigkeit sich ruckartig über die zu beschichtende Oberfläche bewegt und dass an ihrem Rand bei jedem Ruck ein Streifen aus Nanoröhren zurückbleibt – „ähnlich wie auch ein stotternder Autoreifen auf dem Asphalt ein Auto ruckelnd zum Stillstand bringt“, vergleicht Hertel. Sein Team hat nun aber gezeigt, dass der Flüssigkeitsrand bei seiner Bewegung über die Oberfläche nicht ruckartig, sondern gleichmäßig langsamer wird und dann wieder an Fahrt aufnimmt. Weil das periodisch geschieht, ergeben sich daraus regelmäßige Streifenmuster.
Video: In Zeitlupe ist zu sehen, wie bei der Technik der horizontalen Abscheidung Schritt für Schritt ein Streifenmuster aus Kohlenstoff-Nanoröhren entsteht. (Quelle: JMU)
Die Forscher haben außerdem herausgefunden, wie sich dieser Prozess deutlich beschleunigen lässt: „Wenn wir die Flüssigkeit, aus der die Schichten abgeschieden werden, zwischen zwei Glasplatten geben, die nur um Haaresbreite voneinander entfernt sind, entstehen die Streifenmuster bis zu hundert Mal schneller.“ Verantwortlich dafür sei die an der Grenze zwischen Flüssigkeit und Unterlage theoretisch beliebig schnelle Verdunstung – ein Effekt, der erst auf der Mikrometerskala spürbar wird.
Die nächsten Experimente zielen laut Hertel darauf ab, die Schichtbildung besser zu kontrollieren und weiter zu beschleunigen. „Damit dieser Prozess wirklich einmal eine Anwendung finden kann, liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns. Insbesondere müssen wir die Grenzen des Machbaren ausdehnen im Hinblick auf die Geschwindigkeit, mit der diese Schichten entstehen.“
JMU / CT