23.04.2009

Riesenmolekül aus nur zwei Atomen

Über Rydberg-Zustände binden sich zwei tiefgekühlte Rubidium-Atome zu einem 100 Nanometer großen Molekül



Über Rydberg-Zustände binden sich zwei tiefgekühlte Rubidium-Atome zu einem 100 Nanometer großen Molekül

Stuttgart – Atome verknüpfen sich im Allgemeinen über kovalente oder ionische Bindungen zu größeren Molekülen. Einen weiteren Mechanismus nutzten nun Physiker der Universität Stuttgart, um aus zwei tiefgekühlten Rubidium-Atomen ein Molekül von gigantischen Ausmaßen zu bilden. Über Rydberg-Zustände konnten die beiden Atome sogar über einen Abstand von etwa 100 Nanometern zusammengehalten werden. Mit diesem Experiment, dass die Wissenschaftler in der Zeitschrift "Nature" beschreiben, konnte die bereits theoretisch vorhergesagte Existenz von solchen Rydberg-Molekülen erstmals experimentell bestätigt werden.



Abb.: Planetenmodell des Rydberg-Moleküls: Das Elektron des Rydberg-Atoms kreist auf einer hochangeregten Bahn und bindet dadurch das zweite Atom, das sich auf seiner Bahn befindet. Unten: Wahrscheinlichkeitsverteilung des Rydberg-Elektrons und das resultierende anziehende Potential des Moleküls. (Bild: Universität Stuttgart)


"Rydberg-Atome haben ein Elektron in einem Zustand mit einer sehr hohen Quantenzahl", berichten Vera Bendkowsky und ihre Kollegen von 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart. Damit werden Wechselwirkungen zwischen Atomen mit ungewöhnlich großen Abständen möglich. In ihrem Experiment kühlten die Physiker Rubidium-87-Atome bis auf eine Temperatur von 3,5 Millikelvin nahe dem absoluten Nullpunkt ab, um störende Bewegungen auszuschließen. Mit Laserlicht (480 und 780 Nanometer Wellenlänge) regten sie darauf ein äußeres 5s-Elektron eines Atoms so hoch an, dass es die Rydberg-Zustände 35s, 36s und 37s erreichen konnte. 

Dieses angeregte Rydberg-Atom konnte nun eine schwache Bindung mit einem  benachbarten Rubidium-Atom im Grundzustand aufbauen. Für kurze Lebenszeiten von 15 bis 18 Mikrosekunden entstand ein zweiatomiges Rydberg-Molekül mit einem Atomabstand von bis zu 100 Nanometern. Klassische Bindungslängen bewegen sich zwischen 0,05 und 0,2 Nanometern und erreichen im Extremfall im Helium-Dimer etwa 10 Nanometer.

"Die beiden Rubidium-Atome sind durch ein geisterhaftes, quantenmechanisches Kraftfeld über eine Distanz verbunden, die größer ist als kleine Viren", erläutert Chris H. Greene von der University of Colorado in Boulder diese exotische Bindung in einem begleitenden Kommentar. Verantwortlich sei eine Oszillation der Potenzial-Kurve der hochanregten Rydberg-Atome. "Diese oszillierenden Kraftfelder können Moleküle in empfindlich stabilen (metastabilen) Zuständen mit einem riesigen Atom-Atom-Abstand verbinden", so Greene.

Laut Greene eröffnet dieses Experiment von Bendkowsky und Kollegen aufregende Möglichkeiten. So rechnet er damit, dass auch mehr als ein Atom in das oszillierende Kraftfeld eines angeregten Rydberg-Atoms eingebunden werden könnten. Mit noch höheren Anregungszuständen von bis zu 70s ergeben sich – bisher theoretisch – elektronische Wellenfunktionen, die in ihrer Struktur an prähistorische Triboliten oder Schmetterlinge erinnern. Allerdings müsse dazu noch die ungewöhnliche kurze Lebensdauer von derzeit 18 Mikrosekunden verstanden und nach Möglichkeit verlängert werden. 

Jan Oliver Löfken


Weitere Infos:

 
Weiterführende Literatur:
  • Fermi, E.: Nuovo Cimento 11, 157–166 (1934)
  • Greene, C. H., Dickinson, A. S. & Sadeghpour, H. R.: Phys. Rev. Lett. 85, 2458–2461 (2000)
  • Hamilton, E. L., Greene, C. H. & Sadeghpour, H. R.: J. Phys. B 35, L199–L206 (2002)

AL

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