24.02.2020 • Geophysik

Schwerkraft-Signale künden von Erdbeben

Verfahren könnte Erdbeben-Frühwarnsysteme verbessern.

Seit Jahrhunderten schätzen Menschen die Entfernung eines Gewitters aus der Zeit zwischen Blitz und Donner ab. Je größer der zeit­liche Abstand zwischen beiden Signalen ist, desto weiter entfernt ist der Beobachter vom Ort des Blitzes. Denn der Blitz breitet sich beinahe ohne Zeit­ver­zögerung mit Licht­geschwin­dig­keit aus, der Donner mit der viel lang­sameren Schall­geschwin­dig­keit von etwa 340 Metern pro Sekunde. Auch Erdbeben senden Signale aus, die sich mit Licht­geschwin­dig­keit aus­breiten und lange vor den relativ langsam seis­mischen Wellen aufge­zeichnet werden können. Aller­dings handelt es sich bei den licht­schnellen Signalen nicht um Blitze, sondern um plötz­liche Änderungen der Schwerkraft, hervor­gerufen durch eine Verlage­rung der Masse im Erd­inneren. Erst vor kurzer Zeit wurden diese PEGS-Signale mit seis­mischen Messungen nach­ge­wiesen. Mit ihnen ließe sich even­tuell sehr früh vor dem Ein­treffen der zerstöre­rischen Erdbeben- oder Tsunami­wellen erkennen, dass ein Erdbeben statt­ge­funden hat.

Abb.: Räumliche Verteilung der PEGS-Signalstärke während des Tohoku-Bebens...
Abb.: Räumliche Verteilung der PEGS-Signalstärke während des Tohoku-Bebens im Jahr 2011, kurz vor dem Eintreffen der primären seismische Welle. (Bild: S. Zhang et al. / Elsevier)

Allerdings ist die Gravitations­wirkung bei diesem Phänomen sehr klein. Sie beträgt weniger als ein Milliardstel der Gravi­tation der Erde. Daher konnten PEGS-Signale bisher nur für die aller­stärksten Erdbeben aufge­zeichnet werden. Zudem ist der Prozess ihrer Erzeugung komplex: Sie entstehen nicht nur direkt am Erdbeben­herd, sondern auch fort­während bei der Aus­breitung der Erdbeben­wellen durch das Erdinnere.

Bisher gab es keine direkte und exakte Methode, um die Erzeugung der PEGS-Signale verlässlich im Computer zu simulieren. Forscher des Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutsches Geo­forschungs­zentrum um Rongjiang Wang haben jetzt einen Algorithmus vorge­schlagen, der zum ersten Mal mit hoher Genauig­keit und ohne viel Aufwand PEGS-Signale berechnen kann. Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass die Signale Rück­schlüsse auf Stärke, Dauer und Mechanismus sehr großer Erdbeben erlauben.

Ein Erdbeben verlagert ruckartig Gesteins­schollen im Erdinnern und damit die Massen­ver­teilung in der Erde. Bei starken Erdbeben kann diese Verlage­rung sogar mehrere Meter betragen. „Da die lokal messbare Gravitation von der Massen­ver­teilung in der Umgebung der Mess­stelle abhängt, erzeugt jedes Erdbeben eine kleine, aber unmittel­bar wirkende, Änderung der Gravi­tation“, sagt Wang.

Jedes Erdbeben erzeugt aber auch Wellen in der Erde selbst, die wiederum für kurze Zeit die Gesteins­dichte und damit die Gravi­tation ein wenig verändern – die Schwer­kraft der Erde schwingt gewisser­maßen im Takt des Erdbebens. Weiter erzeugt diese schwingende Gravi­tation eine kurz­zeitige Kraft­wirkung auf das Gestein, die wiederum sekundäre seis­mische Wellen auslöst. Ein Teil dieser gravi­tativ ausge­lösten sekun­dären Erdbeben­wellen kann bereits vor der Ankunft der primären Erdbeben­wellen beobachtet werden.

„Wir standen vor dem Problem diese mehr­fachen Wechsel­wirkungen zu inte­grieren, um genauere Abschät­zungen und Vorher­sagen über die Stärke der Signale zu machen“, sagt Torsten Dahm, Leiter der Sektion Erdbeben und Vulkan­physik am GFZ. „Rongjiang Wang hatte die geniale Idee, einen bereits früher bei uns entwickelten Algorithmus auf die Frage­stellung des PEGS anzu­passen – und hatte damit Erfolg.“

Die Forscher haben den neuen Algorithmus zuerst auf das Tohoku-Beben vor Japan aus dem Jahr 2011 ange­wendet, das auch für den Tsunami von Fukushima ursäch­lich war. Dazu lagen bereits Messungen über die Stärke des PEGS-Signale vor. Die Über­ein­stimmung war perfekt. Damit hatte das Team die Gewiss­heit für Vorher­sagen anderer Erdbeben und des Poten­zials der Signale für neue Anwen­dungen.

In Zukunft könnte man mit diesem Verfahren durch die Auswer­tung der Gravi­tations­ände­rungen viele hundert Kilometer entfernt vom Epi­zentrum eines Erdbebens vor der Küste bereits während des Erdbeben­bruchs feststellen, ob es sich um ein Starkbeben handelt, das einen Tsunami auslösen könnte. „Aller­dings ist es noch ein langer Weg bis dorthin“, sagt Wang, „die Mess­geräte heute sind noch nicht empfind­lich genug, und die umwelt­bedingten Stör­signale sind zu groß, als dass sich die PEGS-Signale unmittel­bar in ein funktio­nie­rendes Tsunami-Früh­warn­system ein­bauen ließen.“

GFZ / RK

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