22.05.2006

Sonnenobservatorium Goseck

Im ältesten Sonnenobservatorium der Welt in Goseck in Sachsen-Anhalt sind vor 7000 Jahren nach neuesten Erkenntnissen auch blutige Opferfeste gefeiert worden.


Blutige Opferfeste im

Goseck (dpa) - Im ältesten Sonnenobservatorium der Welt in Goseck in Sachsen-Anhalt sind vor 7000 Jahren nach neuesten Erkenntnissen auch blutige Opferfeste gefeiert worden. «Wir haben jetzt einen Opferkalender entdeckt», sagt der Astronom Wolfhard Schlosser von der Ruhr Universität in Bochum. «In den Holzpalisaden der Kreisanlage gibt es spezielle Aussparungen, so genannte Zeitmarken, durch die an ganz bestimmten Tagen im Jahr die Sonnenstrahlen fallen. Dazu gehören 9. April, 1. Mai, 1. August, 4. September.» An diesen Tagen versammelten sich die Menschen schon vor Tausenden von Jahren zu besonderen Festen nach uralten Riten.

«Ihnen war klar, dass die Sonne am Himmel eine bestimmte Bahn immer wiederkehrend durchläuft. Danach haben sie ihre zyklische Zeiteinteilung aufgebaut», erläutert Schlosser. Der Astronom geht davon aus, das sich einige Details dieser Feste sogar bis in unsere Zeit erhalten haben. «Es ist auffällig, dass das gruselige Fest Walpurgisnacht, die Nacht zum 1. Mai, bereits vor 7000 Jahren auf dem Opferkalender in Goseck stand», sagt der Experte.

«Das waren Bauern, die einer Fruchtbarkeitsreligion mit Schamanismus huldigten», sagt der leitende Archäologe Francois Bertemes von der Martin-Luther Universität in Halle. «Die Anlage in Goseck nutzten sie als Bauernkalender zu genauen Bestimmung von Aussaat und Ernte und zugleich als Ritualkalender zur Festlegung ihrer Opfertage.»

Auf dem 1991 wiederentdeckten rund 6000 Quadratmeter großen Areal in Goseck legten die Archäologen zahlreiche Opfergruben frei. In den Gruben loderte einst nachweislich starke Feuer. Zudem steckten dort hunderte Tonscherben, Rinderknochen und mehrere Pfeilspitzen. Das Rind galt in der Steinzeit als Opfertier. In zwei der Opfergruben entdeckten die Archäologen auch menschliche Skelettteile in einer unnatürlichen Lage.

«Wir wissen noch wenig über die blutige Vergangenheit der Goseck- Siedlung, aber mit Sicherheit gehörten zu den Ritualen die Aufnahme der Jungen in den Kreis der Erwachsenen sowie Hochzeit und Tod», sagt Bertemes. In Goseck lebten über einen langen Zeitraum schätzungsweise etwa 120 Menschen.

Bislang war nur bekannt, dass die kreisförmige Anlage zur Bestimmung der Wintersonnenwende (21. Dezember) und der Sommersonnenwende (21. Juni) diente. Das Sonnenobservatorium in Goseck war im Vorjahr originalgetreu aufgebaut worden. Die Anlage hat drei Tore und einen Durchmesser von 75 Metern. Sie ist von zwei jeweils etwa zweieinhalb Meter hohen Holz-Palisadenzäunen mit vorgelagertem Erdwall und Graben umgeben.

Der Komplex in Goseck liegt nur 25 Kilometer vom Fundort der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra entfernt, der ältesten konkreten Himmelsabbildung der Welt. «Das astronomische Wissen von Goseck ist auf der Himmelscheibe in Gold und Bronze verewigt worden», sagt Astronom Schlosser.

Die Spuren der Anlage wurden 1991 bei einem Erkundungsflug eines Luftbildarchäologen entdeckt. Goseck steht in einer Reihe mit etwa 200 vergleichbaren vorgeschichtlichen Anlagen der europäischen Jungsteinzeit und Bronzezeit in Mitteleuropa. Der jüngste und bekannteste Kreis ist die steinerne Anlage im englischen Stonehenge, die vor etwa 3600 Jahre genutzt wurde.    

Von Thomas Schöne, dpa

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