05.08.2015

Strahlende Vergangenheit – strahlende Zukunft

Mainzer Neutronenquelle TRIGA Mark II feiert 50 Jahre zuverlässigen Betrieb.

Drei Forschungsreaktoren sind zurzeit in Deutschland in Betrieb – einer davon steht in Mainz und feiert dieses Jahr sein fünfzigjähriges Jubiläum. Am 3. August 1965 hatte Fritz Straßmann die Anlage auf dem Gelände der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erstmals in Betrieb genommen. Der Routinebetrieb begann 1967 mit der offiziellen Einweihung durch den Nobelpreisträger Otto Hahn. Seit dieser Zeit kamen Hunderte von Wissenschaftlern aus Deutschland und der ganzen Welt an den Reaktor mit der starken Neutronen­quelle, um Grundlagen­forschung in der Kernchemie, Kernphysik und Physik vorzunehmen. Ein Teil dieser wissenschaftlichen Arbeiten ist weltweit einmalig. Das Mainzer Institut für Kernchemie feierte das Betriebs­jubiläum am Montag mit rund 200 Gästen aus Wissenschaft und Politik, wobei auf die fünfzig zurückliegenden Jahre, aber auch nach vorn geblickt wurde.

Abb.: Impulsbetrieb am TRIGA Mainz mit der charakteristischen bläulichen Tscherenkow-Strahlung (Bild: T. Hartmann, JGU)

Seit 1967 wird der TRIGA Mark II Forschungs­reaktor, so die offizielle Bezeichnung, an 200 Tagen im Jahr genutzt. Im Dauerbetrieb kann er mit einer maximalen thermischen Leistung von 100 Kilowatt gefahren werden. Gemessen daran ist der TRIGA Mainz weltweit einer der kleinsten Forschungs­reaktoren. Die Leistung ist etwa 30.000 Mal kleiner als bei einem typischen Kernkraftwerk. Außer dem Dauerbetrieb ist allerdings auch ein Impulsbetrieb möglich, bei dem für etwa 30 Milli­sekunden eine Spitzenleistung von 250.000 Kilowatt erreicht wird. Dabei entsteht die blaue Tscherenkow-Strahlung, hervorgerufen durch geladene Teilchen, die sich im mit Wasser gefüllten Reaktorbecken schneller bewegen als das Licht. Das bläuliche Tscherenkow-Leuchten, das charakteristische Merkmal des Reaktors, wird auch in Zukunft noch oft zu sehen sein.

Der TRIGA Mainz ist seit seinen Anfängen rund 20.000 Mal gepulst worden. Bis auf eine kurze Umbauphase 1995 zur Erneuerung der Kühl­kreis­läufe lief er ohne Unterbrechung störungsfrei. Aufgrund des verwendeten Brennstoffmaterials, bestehend aus einer speziellen Legierung mit weniger als zwanzig Prozent Uran-235, ist der Reaktortyp inhärent sicher, das heißt unkontrollierbare Ketten­reaktionen oder eine Kernschmelze sind physikalisch ausgeschlossen. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima wurden 2012 zusätzliche Sicherheits­überprüfungen durchgeführt mit dem Ergebnis, dass von dem Forschungs­reaktor keine Gefährdung für die Bevölkerung ausgeht.

Abb.: Blick auf das TRIGA-SPEC-Experiment in der Reaktorhalle (Bild: T. Hartmann, JGU)

Der TRIGA Mainz wird als Neutronenquelle für Präzisionsexperimente in der Kernchemie, Kernphysik und Physik sowie für medizinische und biologische Fragestellungen genutzt. Aber auch bei der Analyse von Solarzellen auf Spuren­elemente oder der Untersuchung von archäologischen Funden kommt er zum Einsatz. Durch die Bestrahlung von Mondstaub mit Neutronen ist es zum Beispiel gelungen, die Zusammen­setzung und das Alter des Mondes exakt zu bestimmen. Diese teilweise einmaligen Arbeiten werden häufig in Kooperation mit Partnern im In- und Ausland durchgeführt. Zudem dient der TRIGA als Ausbildungsstelle in der Kern- und Radiochemie, im Strahlenschutz und der Reaktor­physik für Wissenschaftler, Studierende, Lehrer, Ingenieure und Techniker.

Ein neues Kapitel in der Geschichte des Mainzer Forschungs­reaktors begann mit dem Erfolg in der Bundes­exzellenz­initiative 2012: Der TRIGA-Reaktor spielt in dem genehmigten Exzellenz­cluster PRISMA eine zentrale Rolle. Die Anlage wird zu einer „User Facility“ ausgebaut, an der nationale und internationale Forscher­gruppen mit sehr langsamen, sogenannten ultrakalten Neutronen (UCN) experimentieren können. Mainz verfügt über eine der leistungsstärksten Quellen für UCN. Eine zweite Quelle wird gerade zusammen mit der TU München aufgebaut und soll 2016 in Betrieb gehen.

Damit ist das Nutzungsspektrum des TRIGA-Reaktors noch nicht erschöpft: Bei den TRIGA-SPEC-Experimenten, ebenfalls Teil des Exzellenzclusters PRISMA, werden kurzlebige Atomkerne erzeugt und untersucht, um Aufbau und Form der Kernmaterie zu erforschen. Seit vielen Jahren schon werden am TRIGA schnelle Trenn­methoden entwickelt und angewendet, um kurzlebige Spalt­produkte sowie die in Teilchen­beschleunigern erzeugten super­schweren Elemente in Zusammenarbeit mit dem GSI Helmholtz­zentrum für Schwer­ionen­forschung und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) zu untersuchen. Darüber und über die weitere Nutzung der Anlage informieren die Betreiber um Betriebsleiter Christopher Geppert jährlich 600 bis 800 Besucher bei öffentlichen Führungen.

JGU / DE

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