14.12.2004

Strömungsverhalten in der Schwerelosigkeit

Wissenschaftler der Universität Bremen haben bei einem unbemannten Raketenflug das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit untersucht.

Strömungsverhalten in der Schwerelosigkeit: Raketenexperiment bereitete NASA-Weltraumeinsatz vor

Wissenschaftler der Universität Bremen haben bei einem unbemannten Raketenflug das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit untersucht. Dabei gewannen sie nicht nur eine Fülle wissenschaftlicher Daten, sondern testeten auch erfolgreich ihren Versuchsaufbau, der im Rahmen des NASA-Weltraumprogramms auf der Internationalen Raumstation ISS zum Einsatz kommen wird. Ziel der Forschung ist es, die Handhabung von Flüssigkeiten an Bord von Satelliten und Raumfahrzeugen zu optimieren.

Am 2. Dezember 2004 startete in der Nähe von Kiruna in Nordschweden eine Forschungsrakete im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Während des parabelförmigen Fluges, bei dem die Rakete eine Höhe von 250 Kilometern erreichte, herrschte für etwa sechs Minuten Schwerelosigkeit. Mit an Bord war ein Experiment des Zentrums für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Das Forscherteam unter der Leitung von Privatdozent Dr.-Ing. Michael Dreyer untersuchte das Strömungsverhalten einer Flüssigkeit in der Schwerelosigkeit.


Das Bild zeigt einen Ausschnitt eines durchsichtigen Kapillarkanals, durch den Flüssigkeit strömt. Fließt sie zu schnell, wird Gas von den offenen Seiten des Kanals (links und rechts) eingesaugt, die Strömung reißt ab.
Pressestelle Uni Bremen

Flüssigkeiten verhalten sich unter Schwerelosigkeit völlig anders als auf der Erde. Während hier die Schwerkraft dafür sorgt, dass sich zum Beispiel Benzin am Boden eines Autotanks sammelt, verteilt sich flüssiger Treibstoff unter Schwerelosigkeit an den Tankwänden. Um ihn zum Auslass zu transportieren, nutzen die Wissenschaftler ein bekanntes physikalisches Prinzip: die Kapillarkraft.

Kapillarkräfte entstehen durch die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten. Auf der Erde treten sie vor allem in haarfeinen Röhren (Kapillaren) auf. Das kann man zum Beispiel beim Arzt beobachten, wenn ein Blutstropfen in einem Glasröhrchen von selbst aufsteigt. Kapillarkräfte sind ebenfalls am Werk, wenn ein Löschblatt Tinte aufsaugt. Auf der Erde werden die Kapillarkräfte durch die Schwerkraft begrenzt, unter Schwerelosigkeit jedoch nicht.

Nicht nur in Röhrchen treten Kapillarkräfte auf, sondern auch zwischen zwei parallel stehenden Platten, etwa den Glasscheiben eines Doppelfensters. Dieses Prinzip wird in Satellitentanks verwendet. Mehrere schmale Platten, sogenannte Steighilfen, werden parallel zur Tankwand angebracht. Sobald Schwerelosigkeit herrscht, beginnt aufgrund der Kapillarkräfte der Treibstoff zwischen Tankwand und Platte zu fließen. Statt sich irgendwo im Tank zu verteilen, strömt der Treibstoff nun von selbst zum Auslass und kann von dort weiter zum Raketentriebwerk geleitet werden.

Das Prinzip ist einfach, doch im Detail sind diverse Probleme zu lösen. So darf die Fließgeschwindigkeit nicht zu hoch werden, weil sonst der Flüssigkeitsstrom abreißt. Die Triebwerke würden nicht kontinuierlich Treibstoff bekommen, die Lageregelung des Raumfahrzeug wäre gestört. Zum Verständnis dieser Probleme hat der Raketenflug eine Fülle von Daten erbracht, die nun ausgewertet werden.

Das von den Bremern entwickelte und von der Firma EADS Space Transportation gebaute Experimentmodul hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass die NASA es in ihr Weltraumprogramm aufgenommen hat. 2008 wird es in erweiterter Form drei Monate lang auf der Internationalen Weltraumstation ISS eingesetzt, wo es auch amerikanische Wissenschaftler nutzen werden.

Weitere Infos:

http://www.zarm.uni-bremen.de/2forschung/grenzph/index.htm

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