Supermassereiche schwarze Löcher
Strahlung von Nachbargalaxien unterdrückt Sternentstehung und löst einen direkten Kollaps aus.
Supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien können bis zum Milliardenfachen der Sonnenmasse enthalten. Dachten die Astrophysiker früher, das Wachstum dieser gewaltigen Objekte verlaufe relativ stetig über Jahrmilliarden hinweg, so mussten sie diese Vorstellung mit der Entdeckung von über zwei Dutzend supermassereichen schwarzen Löchern in der Frühzeit des Kosmos – etwa 800 Millionen Jahre nach dem Urknall – revidieren. Offenbar entstehen diese schwarzen Löcher sehr früh in der kosmischen Geschichte und wachsen dann zunächst rasant an. Bleibt die Frage, wie? Denn ein allgemein akzeptiertes Szenario dafür gibt es bislang nicht.
Abb.: Entstehung eines supermassereichen Schwarzen Lochs: Die Strahlung junger Sterne in einer Nachbargalaxie (rechts) unterdrückt die Sternentstehung in der Galaxie und führt so zu einem Kollaps großer Gasmassen zu einem massereichen Schwarzen Loch (links), das rasant weiter anwächst. (künstl. Illu.: J. Wise, Georgia Tech)
Zoltan Haiman von der Columbia University in New York und seine Kollegen verfolgen seit einem Jahrzehnt die Idee eines „direkten“ Kollapses, also des nahezu instantanen Zusammenfalls gewaltiger Gasmengen zu einem sehr massereichen schwarzen Loch. Das Problem dabei: Üblicherweise fragmentiert eine Gaswolke beim Kollaps und bildet Sterne. Die Strahlung dieser Sterne bremst dann den Kollaps ab und verhindert die Entstehung eines schwarzen Lochs. Jetzt präsentiert das Team auf Basis hochaufgelöster hydrodynamischer Simulationen unter Berücksichtigung des Strahlungstransports eine Lösung dieses Problems.
Wenn sich zwei eng benachbarte Galaxien nahezu, aber nicht vollständig synchron entwickeln, dann kommt es zunächst in einer der beiden zu einem „Starburst“, also der explosionsartigen Entstehung neuer Sterne. Viele dieser jungen Sterne sind extrem heiß und erzeugen ein Strahlungsfeld, das die zweite Galaxie durchdringt und dort die Entstehung neuer Sterne verhindert. Da diese Galaxie gleichwohl durch Akkretion weiter an Masse zunimmt, überschreitet sie schließlich einen kritischen Wert und kollabiert unaufhaltsam zu einem schwarzen Loch. „Bereits innerhalb von nur 100.000 Jahren wachsen diese schwarzen Löcher durch den ungebremsten Kollaps auf eine Million Sonnenmassen an“, erläutert Haiman. „Nach wenigen hundert Millionen Jahren sind sie schließlich zu supermassereichen schwarzen Löchern mit der milliardenfachen Sonnenmasse geworden. Das ist erheblich schneller, als wir es erwartet hatten.“
Haiman und seine Kollegen gehen davon aus, dass es im jungen Kosmos genügend enge Paare entstehender Galaxien gab, um die beobachtete Anzahl supermassereicher schwarzer Löcher zu produzieren. Mit dem James Webb Space Telescope, das im Oktober kommenden Jahres starten soll, hoffen die Forscher noch frühere Phasen, bis zu einer Rotverschiebung von 25, der Galaxienentstehung beobachten zu können – und so auch die Entstehung massereicher schwarzer Löcher durch direkten Kollaps. „Die Entdeckung eines Direkt-Kollaps-Kandidaten in unmittelbarer Nachbarschaft einer Galaxie mit hoher Sternentstehungsrate“, so die Forscher, „würde unser Szenario bestätigen.“
Rainer Kayser
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