06.11.2008

Umklappende Elektronenspins verdrehen Nanodraht

Die Drehimpulsänderung der Leitungselektronen wurde mit einem Nanosensor nachgewiesen.



Die Drehimpulsänderung der Leitungselektronen wurde mit einem Nanosensor nachgewiesen.

Elektronen haben einen intrinsischen Drehimpuls, den Spin, der ihrem magnetischen Moment entgegen gerichtet ist. Dreht man mit einem Magnetfeld die einheitlich ausgerichteten Elektronenspins eines magnetisierten Eisenzylinders um, so ändert sich ihr Gesamtdrehimpuls. Wegen der Drehimpulserhaltung wirkt dann auf den Zylinder ein messbares Drehmoment, wie Einstein und de Haas schon 1915 gezeigt hatten. Jetzt berichtet ein internationales Forscherteam, dass auch auf einen Nanodraht ein merkliches Drehmoment wirkt, wenn ein in ihm fließender spinpolarisierter Elektronenstrom seine Polarisation verliert.

Der Draht, den Pritiraj Mohanty von der Boston University und seine Kollegen benutzt haben, hatte eine ferromagnetische Hälfte aus Kobalt und eine unmagnetische Hälfte aus Gold. Mit einem Magnetfeld wurde die Magnetisierung der Kobaltatome längs des geradlinigen Drahtes ausgerichtet. Ließen die Forscher einen Strom durch den Draht fließen, so war in der Kobalthälfte ein Teil der Leitungselektronen spinpolarisiert: Ihre Spins waren ebenfalls längs des Drahtes ausgerichtet. Wechselten diese Elektronen nun in die unmagnetische Goldhälfte über, so verloren sie nach kurzer Zeit ihre einheitliche Ausrichtung. Damit änderte sich auch ihr Drehimpuls, und auf den Draht wirkte ein Drehmoment, das ihn geringfügig um seine Längsachse drehte.

Der Draht war Teil einer nanoelektromechanischen Struktur (NEMS), mit deren Hilfe man Drehmomente in der Größenordnung von 10-22 Nm messen konnte. Diese Struktur war ein mechanischer Resonator, bei dem zwei am Draht befestigte Flügel einander entgegen gerichtete Torsionsschwingungen ausführten. Die Resonanzfrequenz lag bei 6,71 MHz, die Güte betrug 28000. Der eine Flügel war hantelförmig, während der andere, der ihm die Balance hielt, die Form eines rechteckigen Rahmens hatte. Dieser Rahmen war mit einem Voltmeter verbunden, das die längs des Rahmens auftretenden elektrischen Spannungen messen konnte. Der Resonator wurde in ein Vakuum gebracht und auf 110 mK abgekühlt.

Sodann ließen die Forscher einen Strom durch den Kobalt-Gold-Draht fließen und setzten den ganzen Resonator einem Magnetfeld aus, dessen Feldlinien leicht gegen den Draht geneigt waren. Dies hatte einerseits zur Folge, dass der Elektronenstrom im Kobalt stark spinpolarisiert wurde. Nach dem Übergang der Elektronen ins Gold verlor sich die Polarisation rasch und auf den Draht wirkte ein Drehmoment, das die Eigenschaften des Resonators veränderte. Andererseits führte die Neigung des Magnetfeldes dazu, dass ein geringer magnetischer Fluss durch das Innere des schwingenden rahmenförmigen Flügels trat. Der Rahmen bewegte sich bei seinen Torsionsschwingungen so, dass sich dieser magnetische Fluss periodisch änderte. Dies induzierte eine elektrische Spannung längs des Rahmens, die gemessen wurde.

Die gesamte induzierte Spannung V hatte eine charakteristische Abhängigkeit von Bs, der Magnetfeldkomponente senkrecht zum Kobalt-Gold-Draht. Zum einen enthielt V einen Beitrag, der proportional zu Bs2 war. Er rührte von der Lorentz-Kraft auf den stromdurchflossenen Draht her, die eine Bewegung des rahmenförmigen Flügels verursachte, die wiederum eine Spannung induzierte. Zum anderen enthielt V einen in Bs linearen Beitrag, der von der Torsion des Drahtes kam, die durch das einwirkende Drehmoment verursacht wurde. In einem Kontrollexperiment ersetzten die Forscher den Kobalt-Gold-Draht durch einen reinen Kobaltdraht, in dem sich der spinpolarisierte Elektronenstrom seine Polarisation behielt. In diesem Fall verschwand der lineare Term und V hing nur quadratisch von Bs ab.

Der in Bs lineare Beitrag zur induzierten Spannung rührte also vom Umklappen der polarisierten Spins der Leitungselektronen im Kobalt her. Durch Analyse dieses Beitrages fanden die Forscher heraus, dass ein Strom von 1 µA im Kobalt-Gold-Draht durch Umklappen der Spins ein Drehmoment von 2,3×10-22 Nm erzeugte. Zudem gelang es ihnen, auch den Polarisierungsgrad P des Elektronenstroms im Kobalt zu bestimmen. Demnach war P = 0,85±0,04. Damit steht jetzt eine neue Methode zur Bestimmung von P zur Verfügung, die das bisherige Verfahren ergänzt, bei dem die Andreev-Reflexion an der Grenzfläche zwischen einem normalleitenden Metall und einem Supraleiter untersucht wurde. Darüber hinaus eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Spintronik – also die Nutzung des Elektronenspins in elektronischen Schaltungen – und die Nanomechanik zu verbinden und neue Einblicke in spintronische Effekte zu gewinnen.

RAINER SCHARF

Weitere Infos
  • Originalveröffentlichung:
    Guiti Zolfagharkhani et al.: Nanomechanical detection of itinerant electron spin flip. Nature Nanotechnology (published online: 2.11.2008)
    http://dx.doi.org/10.1038/nnano.2008.311

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