07.11.2012

Unwucht des Globus

Ursachen der oszillierenden Polwanderungen, die mehrmals im Laufe der Erdgeschichte auftraten, genauer untersucht.

Die Erde hat eine wechselhafte Vergangenheit hinter sich. So wanderten nicht nur die magnetischen Pole mehrmals, auch die geographischen Pole veränderten im Laufe der Erdgeschichte ihre Position. Vor etwa 800 Millionen Jahren soll der Globus sogar um mehr als fünfzig Grad gekippt sein. Diese echten Polwanderungen, die parallel zur Verschiebung der Kontinente immer wieder auftraten, untersuchten nun amerikanischen Geowissenschaftler genauer. Sie fanden eine Erklärung, wie Strömungen von flüssigen Gesteinsmassen im oberen Erdmantel und die nur dünne, äußerste Erdkruste die Unwucht des Planetens immer wieder ausgleichen konnten.

Abb.: Modell der echten Polwanderung während des Mesozoikum vor 65 bis 251 Millionen Jahren. Binnen weniger Millionen Jahre konnte die Unwucht der Erde durch Prozesse im oberen Erdmantel und in der Erdkruste immer wieder korrigiert werden. (Bild: J. R. Creveling et al., Nature)

Paläomagnetische Studien belegen heute eine Reihe von großen und relativ schnellen Abweichungen der Rotationspole von der geografischen Oberfläche. Allein in den vergangenen 600 Millionen Jahren traten solche echten Polwanderung mindestens fünfmal auf wie Analysen der in alten Gesteinen eingeprägten Ausrichtungen des Erdmagnetfelds zeigten. Dabei konnten die geografischen Pole binnen weniger Millionen Jahre sogar um einige Dutzend Grad wandern. Doch immer wieder stabilisierte sich die Erdrotation und korrigierte die Unwucht des Planetens. Wie das geschah, konnten nun Jessica Creveling und ihre Kollegen von der Harvard University in Cambridge erklären.

Geodynamische Modelle beschrieben bisher schlüssig, wie gigantische und ungleichmäßig auftretende Konvektionsströmungen im bis zu 2900 Kilometer tiefen Erdmantel zu Polwanderungen und einer zeitweisen Unwucht des Planetens führten. Die Mechanismen, die immer wieder eine relativ schnelle Stabilisierung der gestörten Erddrehung ermöglichten, blieben dagegen rätselhaft. Unterstützt mit komplexen Computermodellen, die die Erddrehung und die Trägheit der ungleich verteilten Erdmassen berücksichtigten, fanden nun Creveling und Kollegen eine Erklärung dieses Phänomens. So konnten nach einer Polwanderung Konvektionsprozesse nahe unter der Erdoberfläche die Position der geografischen Pole wieder korrigieren. Zusätzlich unterstützten Bewegungen der dünnen Erdkruste, bestehend aus der flexiblen Lithosphäre, diese Stabilisierung.

Die oszillierenden, echten Polwanderungen der Erde hatten daher offenbar einen großen Einfluss auf die Verschiebung der Erdplatten. Ganze Kontinente konnten so von einer Position an den Polen binnen fünf bis zwanzig Millionen Jahren in tropische Regionen gelangen. Allein ein Driften der Kontinente reicht für die Erklärung solcher geologisch schnellen Bewegungen nicht aus.

Jan Oliver Löfken

PH

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