12.08.2009

Urknall in der Strahlentherapie

Ärzte am Münchner Uniklinikum der LMU nutzen Erkenntnisse aus CERN für die bestmögliche Strahlenbehandlung

Ärzte am Münchner Uniklinikum der LMU nutzen Erkenntnisse aus CERN für die bestmögliche Strahlenbehandlung

Intensitätsmodulierte Strahlentherapieverfahren (IMRT) haben seit einigen Jahren Einzug in die klinische Routine in der Strahlentherapie gehalten. Mit der so genannten Intensitätsmodulation, deren technische Spielarten auch die Tomotherapie und das Cyberknife umfassen, ist es möglich, hochkomplexe Zielvolumina zu umschließen und somit die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit deutlich zu reduzieren.

Das aktuell im Klinikum der Universität München eingeführte Bestrahlungsverfahren wurde durch die Arbeitsgruppe für medizinische Physik unter der Leitung von Markus Alber an der Universität Tübingen federführend entwickelt und dort von einem Ärzteteam um Claus Belka und Ute Ganswindt in die breite klinische Routine eingeführt. Aus dem Entwicklungsprototyp ist in Zusammenarbeit mit der Firma Computerized Medical Systems (Saint Louis/USA und Freiburg/Deutschland) ein kommerzielles Produkt entwickelt worden. Diese Bestrahlungsplanungs-Software, die als MONACO bezeichnet wird, kommt aktuell an der Universität München erstmalig zum klinischen Einsatz in Deutschland. Die Berechnungsverfahren ("Monte Carlo-Algorithmen"), die zur Planung der optimalen Strahlungsbehandlung angewandt werden, resultieren zum Teil aus der Grundlagenforschung aus der internationalen Großforschungseinrichtung CERN im Kanton Genf/Schweiz. In den dortigen Teilchenbeschleunigern werden unter anderem Versuche zur Entstehung der Welt und zum Urknall durchgeführt. Um das Verhalten der Teilchen zu analysieren, bedarf es komplexer Rechenvorgänge, die auch bei der medizinischen Behandlungsplanung in der Strahlentherapie von Nutzen sind.

Vorteile dieses IMRT-Verfahrens der zweiten Generation ist die Implementierung von so genannten Monte-Carlo-Berechnungsroutinen, mit denen es möglich ist, die Dosisverteilung, die bei der Bestrahlung im Patienten erzielt wird, mit bislang unerreichter Präzision vorauszuberechnen. Insbesondere bei komplizierten Dosisverteilungen an Grenzflächen zwischen Luft und Knochen, wie sie bei Bestrahlung im Gesichtsschädelbereich auftreten, bietet dieses Dosisberechnungsverfahren eine optimale Möglichkeit, die Dosen im behandelten Patienten im Voraus hochpräzise im Computer abzubilden. Neben dieser optimalen Vorausberechung von Dosisverteilungen ist es mit dem neuen Bestrahlungsplanungssystem erstmalig möglich auf das biologische Reaktionsverhalten von gesunden Geweben spezifisch Rücksicht zu nehmen und die Strahlenverteilung somit zu perfektionieren. Somit ermöglichen es die im Programm implementierten Computerroutinen dem behandelnden Arzt auf einfache Weise, die bestmögliche Entscheidung zwischen einer möglichen Schädigung von umliegenden Normalgeweben und einer optimalen Behandlung des Tumors zu treffen.

Mit diesem Verfahren wird die Anwendung von IMRT erheblich vereinfacht und dem behandelnden Arzt eine viel intuitivere Steuerung der Bestrahlungsplanung ermöglicht. Für den Patienten bedeutet es im Umkehrschluss, dass immer das Optimum des physikalisch Erreichbaren in der Bestrahlungsplanung angeboten werden kann. Das aus Tübingen nach München gewechselte Behandlungsteam hat im klinischen Einsatz mit dem Prototyp dieses Behandlungsplanungssystems bereits weit mehr als 700 Patienten mit Tumoren der Prostata, des Kopf-Hals-Bereiches und des Gesichtsschädels, inklusive von komplexen Meningeomen, behandelt. In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte die hohe Effizienz und die effektive Normalgewebsschonung dieses Verfahrens belegt werden.

In Kombination mit Linarbeschleunigern, die über eine Ausstattung mit einem Cone-Beam-CT zur präzisen Lagerungskontrolle des Patienten verfügen, kann mit dieser Bestrahlungsplanungstechnologie eine - im Rahmen der physikalischen Grenzen - perfekte IMRT-Bestrahlung erreicht werden.

Klinikum der Universität München

 

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