14.02.2019 • AstrophysikKernphysik

Verschmelzende Neutronensterne

Wie kosmische Ereignisse Einblick in grundlegende Eigenschaften der Materie geben.

Seitdem es möglich ist, Gravitationswellen von zwei miteinander verschmelzenden Neutronen­sternen zu messen, bietet sich die Chance, einige grundlegende Fragen zur Struktur der Materie zu beantworten. Denn bei den extrem hohen Temperaturen und Dichten solcher Ereignisse vermuten Forscher einen Phasen­übergang, bei dem die Neutronen in ihre Bausteine, die Quarks und Gluonen, zerfallen. Zwei internationale Forscher­gruppen berichten jetzt über Berechnungen, wie die Signatur eines solchen Phasen­übergangs in einer Gravitations­welle aussehen würde.

Abb.: Mit Supercomputern berechnete Simulation des Verschmelzens zweier...
Abb.: Mit Supercomputern berechnete Simulation des Verschmelzens zweier Neutronensterne. Die verschiedenen Farben zeigen die Massendichte und Temperatur einige Zeit nach dem Verschmelzen der Neutronensterne, kurz bevor das Objekt zu einem schwarzen Loch kollabiert. Es wird erwartet, dass Quarks dort entstehen, wo Temperatur und Dichte hoch sind. (Bild: C. Breu, L. Rezzolla, GSI)

Quarks hat man in der Natur noch nie isoliert beobachtet. Sie sind vielmehr immer in Protonen und Neutronen gebunden. Ein Neutronenstern jedoch besitzt einen so dichten Kern, dass ein Übergang von Neutronenmaterie zu Quarkmaterie auftreten könnte. Insbesondere ist ein solcher Phasen­übergang möglich, wenn kollidierende Neutronensterne ein meta­stabiles Objekt mit Dichten bilden, die weit höher sein können als in Kernmaterie, und Temperaturen, die zehntausend Mal höher sind als im Inneren unserer Sonne.

Nachricht von möglichen Phasenübergängen im Weltall könnten wir durch die Messung von Gravitations­wellen erhalten, die von den verschmelzenden Neutronen­sternen ausgesendet werden. Der Phasen­übergang müsste im Gravitations­wellen­signal eine charakteristische Signatur hinterlassen. Wie diese aussehen könnte, haben die beiden Forscher­gruppen mithilfe moderner Super­computer berechnet. Dazu verwendeten sie unter­schiedliche theoretische Modelle für den Phasen­übergang.

Findet ein Phasenübergang erst etwas nach der tatsäch­lichen Verschmelzung statt, tauchen geringe Mengen von Quarks allmählich überall im verschmolzenen Objekt auf. „Zum ersten Mal konnten wir mithilfe der Einstein-Gleichungen zeigen, dass diese kleine Änderung in der Struktur eine Abweichung im Gravitations­wellen­signal erzeugt, bis der neugebildete riesige Neutronenstern unter seinem eigenen Gewicht zu einem schwarzen Loch kollabiert“, erklärt Luciano Rezzolla von der Uni Frankfurt.

In den Computermodellen von Andreas Bauswein vom GSI Helmholz­zentrum für Schwerionen­forschung tritt der Phasen­übergang bereits direkt nach der Kollision auf – es bildet sich ein Kern von Quarkmaterie im Inneren des Zentralobjekts. „Wir konnten zeigen, dass es in diesem Fall eine deutliche Veränderung in der Frequenz des Gravitations­wellen­signals gibt“, sagt Bauswein. „Damit haben wir für die Zukunft ein messbares Kriterium für einen Phasen­übergang in verschmelzenden Neutronensternen identifiziert.“

Noch sind nicht alle Details des Gravitations­wellen­signals mit den bestehenden Detektoren messbar. Sie werden aber mit der nächsten Generation von Messgeräten beobachtbar sein – oder auch, falls ein relativ nahes Verschmelzungs­ereignis stattfindet. Einen komplementären Ansatz zur Beantwortung der Fragen über Quark­materie bieten zwei Experimente: Am existierenden Messaufbau HADES beim GSI und am zukünftigen CBM-Detektor an der Facility for Antiproton and Ion Research, die gerade am GSI errichtet wird, kann durch den Zusammenprall von Schwerionen komprimierte Kernmaterie entstehen. Dabei könnte es gelingen, Temperaturen und Dichten zu erzeugen, die vergleichbar mit den Zuständen in verschmelzenden Neutronen­sternen sind. Beide Methoden ermöglichen neue Einblicke in das Auftreten von Phasen­übergängen in Kernmaterie und so auch in ihre grundlegenden Eigenschaften.

GSI / RK

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