14.03.2018

Viele Disziplinen auf einen Streich

Parabelflugkampagne mit Experimenten zu künstlicher Astronauten-Intelligenz, Plasmakristallen und mehr.

Am 9. März 2018 endete die 31. Parabelflug­kampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum­fahrt (DLR) erfolgreich: Zwölf Experimente aus Human­physiologie, Biologie, Physik, Technologie­erprobung und Material­wissenschaften befanden sich an Bord des A310 Zero-G. Es ging unter anderem um Untersuchungen zur Entstehung von Sternen, zur Plasma­physik, zum Verhalten von Schmelzen in Schwerelosig­keit und zur Durch­blutung im menschlichen Körper. Die Kampagne fand in Bordeaux statt, dem Sitz der Firma Novespace, welche die Flug­kampagnen im Auftrag des DLR-Raumfahrt­managements durchführt. „Auch nach 18 Jahren Forschung auf Parabel­flügen bleibt es bei den Experimenten spannend, da viele Teilnehmer mit ihren Frage­stellungen wissenschaftliches oder technologisches Neuland betreten", sagt Katrin Stang, Programm­leiterin der DLR-Parabelflüge.

Abb.: Messung der Durchblutung im menschlichen Körper (Bild: DLR, CC-BY 3.0)

An Bord der aktuellen Parabelflug­kampagne war auch das zukünftige Astronauten-Assistenz­system CIMON, das auf der Inter­nationalen Raum­station ISS eingesetzt werden soll. CIMON ist mobil, mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet und soll die Astronauten bei Alltags­aufgaben unterstützen und entlasten. Ziel des Parabel­flugtests war, grundlegende Eigenschaften von CIMON in Schwerelosig­keit zu überprüfen. Dabei wurden insbesondere die Orientierung im Raum sowie Navigation und Lenkung getestet, um für den Einsatz auf der ISS – in permanenter Schwerelosig­keit – optimal vorbereitet zu sein. Christian Karrasch, CIMON-Projektleiter im DLR Raumfahrt­management, war selbst an Bord und ist zufrieden mit dem Parabelfug: „CIMON hat gezeigt, dass er in Schwerelosigkeit sicher manövrieren kann und hat alle Tests mit Bravour bestanden – wir freuen uns sehr auf seinen ersten Einsatz auf der Raumstation."

Wie entstehen Sterne? Dieser Frage ging das Experiment INKA (Instabile protoplanetare Körper im Niederdruck Windkanal) von Wissenschaftlern der Fakultät für Physik an der Universität Duisburg-Essen nach. Sand­dünen wandern, indem der Wind Partikel an der einen Seite abträgt, die durch Gravitation aber auf der Wind­schatten­seite wieder ablagert werden. Doch was würde ohne die Schwerkraft passieren? Die Düne würde sich einfach in eine Wolke aus Sand­körnern auflösen.

Während der Entstehung von Planeten sind ähnliche Situationen denkbar, in denen nur lose gebundene Partikel von Sandkorngröße einen kilometer­großen Körper mit nur wenig Eigen­gravitation, ein Planetesimal, bilden. Um zu erforschen, unter welchen Bedingungen solche Körper stabil sind, beobachten die Wissenschaftler eine Probe aus Partikeln von einem Millimeter Durch­messer in einem Nieder­druck-Windkanal, bei dem Druck und Wind­geschwindigkeit variiert werden können. Gleichzeitig befindet sich der Wind­kanal auf einer Zentrifuge, um so verschiedene Eigen­gravitationen (Planetesimal­größen) zu simulieren.

Komplexe Plasmen sind elektrisch leitende Gase – ähnlich, wie sie in Leucht­stoff­röhren verwendet werden – in die „Staub­teilchen", d.h. Mikro­partikel, eingebracht werden. Die Mikro­partikel mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern laden sich in einer Plasma­kammer durch Elektronen­anlagerung stark negativ auf und werden durch elektrische Felder zum Schweben gebracht. Infolge dieser Aufladung ist die elektro­statische Wechsel­wirkung zwischen den Mikro­partikeln sehr stark, so dass neue, wissenschaftlich interessante Phänomene auftreten können wie zum Beispiel die Bildung eines Plasma­kristalls: eine reguläre Anordnung der Mikro­partikel im Plasma.

Beim Parabelflugexperiment beabsichtigten die Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen, Eigenschaften der flüssigen Phase in komplexen Plasmen, die Elektro­rheologie, zu erforschen. Neben dieser Grundlagen­forschung sind komplexe Plasmen auch ideale Modell­systeme für andere Bereiche, wie etwa die Kristallo­graphie, die Physik und Technik von Flüssigkeiten und Gasen sowie die Nano­technologie. Bereits seit 2014 befindet sich ein „Doppelgänger" der Experiment­anlage, PK-4 auf der ISS, um länger­fristige Forschung unter Schwerelosigkeit zu ermöglichen.

So wie die PK-4 hat auch die Tempus-Anlage des DLR für die Erforschung von Schmelzen in Schwerelosig­keit einen Zwilling auf der ISS. In den Tempus-Experimenten können diese Flüssigkeiten auf einzig­artige Weise untersucht werden: Metalle und Legierungen werden durch ein elektrisches Feld frei schwebend positioniert und auf­geschmolzen. Die Schmelzen werden so nicht durch den Kontakt mit einem anderen Material, etwa eines Schmelz­tiegels, kontaminiert. Da während des Experiments keine Gravitation herrscht, fallen außerdem die störenden Strömungen in der Schmelze weg, die unter normaler Erds­chwerkraft auftreten.

Im Fokus der Messungen der Wissenschaftler vom DLR und verschiedener Universitäten standen dabei neue Erkenntnisse über die thermo­physikalischen Eigenschaften der Stoffe wie Dichte, Viskosität, elektrische Leit­fähigkeit und thermische Ausdehnung. Das ist die Grundlage für Modell­berechnungen von technischen Prozessen für ein neues Material­design. Bei der 31. DLR-Parabel­flug­kampagne kam eine neue Wärmebild­kamera zum Einsatz. „Die Wärme­bild­kamera hat es uns zum ersten Mal erlaubt, Tempus-Proben bei Temperaturen unter 600 Grad Celsius zu beobachten", erklärt Julianna Schmitz vom Kölner DLR-Institut für Material­physik im Weltraum. „Hierdurch erweitern sich unsere Forschungs­möglichkeiten, wir können nun auch Metalle untersuchen, die bei niedrigen Temperaturen schmelzen. Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen."

Als Mikrozirkulation bezeichnet man die Durchblutung der kleinsten Gefäße im menschlichen Körper. Sie hat eine große Bedeutung für den menschlichen Organismus als wichtiges Blut­reservoir und beeinflusst den Blut­druck, fördert den Wärme­austausch und transportiert Sauerstoff und lebens­wichtige Nährstoffe zu den Zellen. Forscher des Universitäts­klinikums Düsseldorf haben im Parabel­flug die Veränderung der Mikro­zirkulation in der Schwerelosigkeit mit einem speziellen, Smartphone-großen Hand-Mikroskop untersucht, das unter der Zunge misst. Die Erkenntnisse aus dem Parabelflug könnten helfen, neue diagnostische Möglichkeiten zu entwickeln, um zukünftig Personen mit erhöhtem Risiko für Kreislauf­störungen zu identifizieren und so Kreislauf­störungen frühzeitig vorzubeugen. Hierdurch könnte beispiels­weise auch die Flug­sicherheit von Astronauten und Jet­piloten deutlich verbessert werden.

DLR / DE

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