05.12.2011

VLT entdeckt den am schnellsten rotierenden Stern

Der Äquator von VFTS 102 in der Großen Magellanschen Wolke läuft mit über zwei Millionen Kilometer pro Stunde um.

Ein internationales Astronomenteam hat mit dem Very Large Telescope der Eso am Paranal-Observatorium in Chile eine Durchmusterung des Tarantelnebels in der Großen Magellanschen Wolke durchgeführt. Ziel der Suche waren die leuchtkräftigsten und massereichsten Sterne des Nebels. Unter den vielen hellen Kandidaten fiel den Wissenschaftlern insbesondere der Stern mit der Bezeichnung VFTS 102 auf: Messungen zeigen, dass er mit einer enormen Geschwindigkeit rotiert – die Äquatorregionen der Oberfläche laufen dabei mit mehr als 2 Millionen Kilometer pro Stunde um das Sternzentrum. Das entspricht mehr als der dreihundertfachen Rotationsgeschwindigkeit unserer Sonne. Der Stern ist demnach kurz davor, durch starke Zentrifugalkräfte zerrissen zu werden. VFTS 102 ist ist der am schnellsten rotierende bekannte Stern.

Abb.: VFTS 102 – der am schnellsten rotierende Stern. (Bild: Eso / M.-R. Cioni / Vista)

Die Astronomen haben zudem herausgefunden, dass sich die Geschwindigkeit des Sterns, der etwa die fünfundzwanzigfache Sonnenmasse hat und rund 100 mal heller als die Sonne ist, deutlich von den Geschwindigkeit der Sterne in seiner näheren Umgebung unterscheidet.

„Die auffällig hohe Rotationsgeschwindigkeit und die ungewöhnliche Bewegung verglichen mit seiner Umgebung haben uns aufmerken lassen. Wir wurden argwöhnisch und haben uns gefragt, ob der Stern eventuell eine besondere Vorgeschichte hatte”, sagt Philip Dufton von der Queen’s University in Belfast (Nordirland).

Die Geschwindigkeitsdifferenz von VFTS 102 zu seinen Nachbarsternen deutet darauf hin, dass er ein Ausreißer ist, der aus einem Doppelsternsystem herauskatapultiert wurde. Das dürfte geschehen sein, als sein Partnerstern als Supernova explodierte. Diese These wird durch zwei weitere Indizien unterstützt: In der Nähe befinden sich in der Tat ein Supernovaüberrest und ein Pulsar.

Auf diesen Befund gestützt hat das Team eine mögliche Vorgeschichte für den Stern entworfen: Als Mitglied eines Doppelsternsystems, dessen Sterne sehr eng umeinander Kreisen, wäre der Stern in einer Situation gewesen, in der sehr schnell Materie von einem Stern zum anderen übertragen werden kann. Durch diesen Massentransfer wäre die Rotation des Sterns immer schneller geworden. So ließe sich die extrem hohe Rotationsgeschwindigkeit erklären.

Nach einer kurzen Lebensdauer von nur 10 Millionen Jahren wäre der massereiche Begleiter dann als Supernova explodiert. Die Reste seiner herausgeschleuderten Gashülle bilden den nahe gelegenen Supernovaüberrest. Die Explosion hätte gleichzeitig auch zum Herausschleudern des Sterns geführt und kann damit seine dritte Besonderheit erklären: die große Abweichung seiner Geschwindigkeit von den Geschwindigkeiten der anderen Sterne in seiner Umgebung. Durch den Kollaps des Partnersterns, der zur Supernovaexplosion geführt hätte, wäre aus dem massereichen Begleiter der beobachtete Pulsar geworden, und damit das letzte Puzzlestück des astronomischen Szenarios.

Eso / PH

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