17.07.2013

Von der Rakete zum ganzen Spektrum

Das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik feierte seinen 50. Geburtstag.

Wie gründet man eigentlich ein Institut? „Eine zündende wissenschaftliche Idee, Enthusiasmus der Mitarbeiter und Vertrauen“, antwortete Reimar Lüst am 12. Juli beim Festakt zum 50. Geburtstag des Max-Planck-Institutes für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching. Lüst muss es wissen, denn aus seiner 1961 geschaffenen Abteilung für extraterrestrische Physik am damaligen MPI für Physik und Astrophysik in München ging am 15. Mai 1963 das MPE hervor. In den bescheidenen Anfängen waren die 29 Mitarbeiter, davon neun Wissenschaftler und ein Doktorand, in einer Baracke untergebracht. Heute hat das MPE über 400 Angestellte.

In den ersten Jahren konzentrierte sich die Arbeit des MPE auf die Erforschung von extraterrestrischen Plasmen und der irdischen Magnetosphäre mit Hilfe von Ionenwolken, die Höhenforschungsraketen mit einer speziell entwickelten Technik in der Ionosphäre freisetzten. Da Deutschland nach dem Krieg keine eigene Raketenforschung betreiben durfte, kamen dafür französische Centaure-Raketen, die von der Mittelmeerinsel Ile du Levant starteten, zum Einsatz.

Diese Forschungen gipfelten im „künstlichen Kometen“, den die MPE-Forscher am 27. Dezember 1984 im Rahmen der amerikanisch-deutsch-britischen Magnetosphären-Mission (AMPTE) erzeugten. Anhand der Bewegung einer in 110000 Kilometer freigesetzten Bariumwolke ließen sich Rückschlüsse auf das Magnetfeld der Erde ziehen.

In der Folgezeit weitete das MPE seine Forschung auf Beobachtungen in den Infrarot-, Röntgen- und Gamma-Bereichen aus, bei denen es wegen der atmosphärischen Absorption nicht möglich ist, vom Boden aus zu beobachten. Als Träger für die Experimente dienten zunächst Raketen, Höhenballons und schließlich seit den Neunzigerjahren Satelliten.

Ein Höhepunkt war der 1990 gestartete Röntgensatelliten ROSAT, der 1993 die erste vollständige Karte des Röntgenhimmels lieferte und nachhaltige Auswirkungen auf viele astronomische Forschungsfelder hatte. Mit seinem Plasmaexperiment PKE-Nefedov eröffnete das MPE 2001 die Ära wissenschaftlicher Experimente auf der internationalen Raumstation ISS.

Mit dem PACS-Instrument war das MPE am Herschel-Observatorium beteiligt, das eine ähnlich große Bedeutung wie ROSAT hatte und Ende April seinen Betrieb einstellte. Für das Weltraumteleskop FERMI, das zur Gammaastronomie dient, haben Forscher des MPE den Fermi Gamma-ray Burst Monitor (GBM) zum Nachweis von Gammastrahlenausbrüchen entwickelt und gebaut.

An dem russischen Spektrum-Röntgen-Gamma-Satelliten (SRG), der voraussichtlich 2014 starten wird, ist das MPE mit dem Hauptinstrument eROSITA beteiligt, das mit bisher unerreichter spektraler und räumlicher Auflösung die erste vollständige Himmelsdurchmusterung im mittleren Röntgenbereich bis 10 keV durchführen soll. Davon versprechen sich die Astrophysiker auch neue Erkenntnisse über die Natur der mysteriösen Dunklen Energie, welche das Universum auseinandertreibt.

Zu den weiteren wichtigen wissenschaftlichen Erfolgen am MPE gehören der experimentelle Nachweis des Rekonnexionsprozesses (1979) und die Bestätigung der Existenz eines supermassereichen schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße (2002).

Dass „hochfliegende“ astronomische Forschung auch praktischen Nutzen auf der Erde bringt, zeigt die Theoriegruppe, die insbesondere stark gekoppelte „komplexe“ (d. h. staubhaltige) Plasmen untersucht. Seit zehn Jahren engagiert sich diese Gruppe beim Wissenstransfer in anwendungsnahe Forschungsgebiete. Dazu zählen die Medizin (Frühdiagnose von Hautkrebs, Tumoren, pränatale Überwachung), die Ingenieurswissenschaften (Fertigungswissenschaften und Qualitätskontrolle) und die Pharmaindustrie (Prüfung und Medikamentenentwicklung). Niedertemperaturplasmen lassen sich beispielsweise zur kontaktfreien Sterilisation von Wunden einsetzen.

Alexander Pawlak / MPE

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