13.05.2013

Wann schneit’s auf dem Mars?

Im Norden des roten Planeten treten Schneefälle mit großer Verlässlichkeit auf und lassen sich Wochen im Voraus berechnen.

Berechnungen von Wissenschaftlern der Tohoku Universität im japanischen Sendai und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau zeigen, dass Schneefälle auf dem Mars lange vorhersehbar sind. Diese hängen mit einem besonderen Wetterphänomen zusammen: Schwankungen in Druck, Temperatur, Windstärke und -richtung, die sich auf der Nordhalbkugel im Winter wellenartig ausbreiten und sehr verlässlich auftreten. Für Rover, die jene Regionen erforschen wollen, böten solche Wettervorhersagen die Möglichkeit, heftige Schneeschauer auf der Fahrtroute auszuschließen.

Abb.: Im Winter bedeckt eine Schicht aus gefrorenem Kohlendioxid den Nordpol des Mars. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2006 und von der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter. (Bild: NASA)


Die Polarregionen des Mars sind eine eisige Welt. Ähnlich wie jene der Erde sind sie von geschlossenen Eiskappen bedeckt. Im Winter, wenn die Temperaturen unterhalb von minus 128 Grad Celsius sinken, speist sich diese Eisschicht in erster Linie aus gefrorenem Kohlendioxid, das sich aus der Atmosphäre niederschlägt. Die Eiskappen erstrecken sich dann bis zu einer nördlichen Breite von etwa 70 Grad. Nur im vergleichsweise warmen Marssommer sublimiert das Kohlendioxid und legt das „ewige Eis“ des Planeten frei: diese deutlich kleinere Kappe besteht aus gefrorenem Wasser.

„Das saisonale Eis des Mars, das nur im Winter auftritt, hat zwei Ursprünge“, sagt Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Ein Teil des Kohlendioxids aus der Atmosphäre kondensiert direkt an der Oberfläche – ähnlich wie sich auf der Erde bei klarem, kalten Wetter eine Frostschicht bildet. Ein anderer gefriert in der Atmosphäre zu winzigen Eiskristallen, die Wolken bilden, und fällt als Schnee herunter.“

In ihrer neuen Studie haben die Forscher nun erstmals eine Verbindung zwischen dem Auftreten solcher Eiswolken und einem wellenartigen Wetterphänomen hergestellt, bei dem sich Druck, Temperatur, Windrichtung und -stärke periodisch ändern. „Dieses Phänomen ist auf dem Mars einzigartig“, sagt Alexander Medvedev, ebenfalls Forscher am Lindauer Institut.
Zwar kommen die sogenannten planetaren Wellen auch in der irdischen Meteorologie vor. Doch sind zum einen die Druck- und Temperaturschwankungen in der unteren Atmosphäre hier deutlich schwächer. Zum anderen sind sie weniger regelmäßig, der Wellencharakter ist nicht so stark ausgeprägt.

„Auf der Nordhalbkugel des Mars treten diese Wellen in der Zeit von Herbst bis Frühling mit bemerkenswerter Verlässlichkeit auf“, meint Medvedev. Sie breiten sich ostwärts aus und zeigen dabei eine feste Periode von fünf bis sechs Tagen. Nahe an der Oberfläche lassen sich zusätzlich Wellen mit höherer Frequenz beobachten. Die planetaren Wellen sorgen dafür, dass die Temperaturen in der Marsatmosphäre regelmäßig um Werte deutlich unter minus 128 Grad Celsius schwanken. Das ist die Temperatur, bei der gasförmiges Kohlendioxid auf dem Mars gefriert.

Die Rechnungen der Forscher zeigen nun, dass überall dort, wo die Temperaturen entsprechend tief fallen, winzige Eiskristalle aus gefrorenem Kohlendioxid entstehen und Eiswolken bilden. „Die Eiswolken treten nördlich von 70 Grad nördlicher Breite in allen Luftschichten bis zu 40 Kilometern Höhe auf“, sagt Hartogh. Unterhalb von 20 Kilometern fallen die Kristalle als Schnee auf die Oberfläche.

„Damit es zu solchen Schneefällen kommen kann, müssen die periodischen Temperaturänderung in allen Höhen der Atmosphäre ähnlich verlaufen“, so Medvedev. Dies ist nur unterhalb von etwa 20 Kilometern Höhe gegeben. Anderenfalls träfen die Schneekristalle auf ihrem Weg nach unten auf wärmere Luftschichten – und sublimierten.

Besonders in einer Region auf der Nordhalbkugel zwischen 30 Grad West und 60 Grad Ost sind diese Voraussetzungen erfüllt. Aufnahmen von Weltraumteleskopen und Raumsonden zeigen, dass sich in diesem Gebiet die Schicht aus gefrorenem Kohlendioxid besonders weit in den Süden erstreckt. Die Berechnungen der Forscher legen nahe, dass insgesamt etwa die Hälfte des saisonalen Eises als Schnee auf die Oberfläche fällt.

Für ihre Simulationen nutzten Takeshi Kuroda von der Tohoku Universität und seine Kollegen am Max-Planck-Institut ein gängiges Klimamodell, das sie an die speziellen Bedingungen auf dem Mars anpassten. „Die Rechnungen müssen vor allem die große Menge an Staub berücksichtigen, der sich in der Atmosphäre des roten Planeten findet“, sagt Kuroda.

Zudem besteht die Atmosphäre des Mars – anders als die der Erde – zu mehr als 95 Prozent aus Kohlendioxid. Ein Vergleich der berechneten Temperaturen und Eiskristalldichten mit Messdaten der US-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter zeigte gute Übereinstimmungen.

Nach Ansicht der Forscher könnten die neuen Erkenntnisse helfen, Kohlendioxid-Schneeschauer auf dem Mars vorherzusagen. „Aus eigener Erfahrung weiß jeder, dass auf der Erde verlässliche Wettervorhersagen nur für eine Zeitspanne von fünf bis maximal sieben Tagen möglich sind“, sagt Alexander Medvedev. „Es ist schlicht unmöglich zu berechnen, ob es irgendwo auf der Erde in 20 oder 40 Tagen schneien wird.“

Auf dem Mars ist das anders. Die Rechnungen der Forscher zeigen, dass sich in bestimmten Regionen auf der Nordhalbkugel Schneefälle weit im Voraus bestimmen lassen. „Für Marsmissionen, die etwa mit Rovern diese Gebiete erforschen wollen, ist das eine wertvolle Information“, so Paul Hartogh. Denn auf diese Weise ließen sich die Fahrtrouten bereits vorab so planen, dass der Rover heftigen Schneefällen ausweicht.

MPG / PH

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