Warum das Erdmagnetfeld variiert
Prozesse an der Oberfläche des inneren Erdkerns können die langfristige geomagnetische Variation erklären
Die globale Morphologie des irdischen Magnetfelds lässt sich heute mithilfe numerischer Simulationen im Rahmen des Dynamomodells gut erklären. Doch bislang ist es nicht gelungen, eine konsistente Erklärung für die langfristige geomagnetische Variation zu finden. Diese Änderung des Magnetfelds an der Erdoberfläche zeigt sich hauptsächlich auf der atlantischen Hemisphäre zwischen -90 Grad und +90 Grad östlicher Länge, während es auf der pazifischen Hemisphäre eine vergleichsweise geringe Variabilität gibt.
Abb.: Das Dynamomodell beschreibt die Entstehung des irdischen Magnetfelds durch die Bewegung der elektrisch leitfähigen, flüssigen Materie des äußeren Erdkerns. (Bild: J. Aubert)
Die Kombination von Messungen auf der Erde und im Weltall mit den numerischen Modellen hat zwar gezeigt, dass diese Asymmetrie der „geomagnetic secular variation“ durch Zonen höherer magnetischer Flussdichte am Äquator der Kern-Mantel-Grenzschicht zustande kommt, die sich westwärts bewegen. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die Kinematik dieser „magnetic flux patches“ stabil in numerischen Modellen zu reproduzieren.
Julien Aubert und Alexandre Fournier von der Université Paris Diderot und Christopher Finlay von der Technischen Universität Dänemark präsentieren nun erstmals eine Lösung für dieses Problem. Die Kombination von zwei mit dem inneren Kern der Erde verbundenen Prozessen führe dazu, so die drei Forscher, dass die langfristige geomagnetische Variation von unten nach oben („bottom-up“) kontrolliert werde.
Der erste Prozess ist die gravitative Kopplung zwischen Erdkern und Mantel. Sie führt dazu, dass sich das flüssige Metall im äußeren Kern in einer globalen, westwärts gerichteten Drehbewegung befindet. Die daraus resultierende innere Scherung verursacht eine Konzentration des azimutalen magnetischen Flusses bei niedrigen geografischen Breiten nahe der Kern-Mantel-Grenze. Die Konvektion im Kern treibt den magnetischen Fluss nach außen, wo er nach Westen mitbewegt wird.
Beim zweiten Prozess handelt es sich um das differenzielle Wachstum des inneren Kerns, das unterhalb von Indonesien am stärksten ist. Dadurch kommt es zu einer asymmetrischen Störung der Strömungsbewegung im äußeren Kern. Die Strömung wird exzentrisch und erreicht unterhalb des Atlantischen Ozeans die Oberfläche des Kerns – dadurch sind in diesem Bereich die langfristigen Variationen des Magnetfelds am stärksten ausgeprägt.
Mit diesem neuen Modell sei „eine dynamisch konsistente Vorhersage der künftigen Entwicklung des geomagnetischen Felds in Sichtweise“, so das Forscher-Trio. Zudem könne eine Reanalyse der historischen und archäomagnetischen Daten im Rahmen ihres Modells zu neuen Erkenntnissen über die vergangene Evolution des Erdkerns führen.
Rainer Kayser
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PH