18.12.2018

Was die Tiefsee über die Sterne verrät

Syntheseprozesse in Supernovae durch Messungen von Tief­see­sedi­menten bestätigt.

Wenn ein massereicher Stern als Supernova explodiert, produ­ziert er unter anderem das lang­lebige Radio­nuklid 60Fe, das sich auf unserer Erde ablagert – sofern die Super­nova in der Nähe statt­findet. Das haben Wissen­schaftler der TU Berlin zusammen mit einem inter­natio­nalen Team vor wenigen Jahren nach­ge­wiesen. Jetzt konnten sie durch genaue Messungen eines weiteren Radio­nuklids, des Aluminium­isotops 26Al, noch einen Schritt weiter­gehen. Wie das Eisen­isotop wurde auch 26Al in Tief­see­sedi­menten gemessen. Über die Kombi­na­tion dieser zwei Isotope konnten die Forscher erst­mals zeigen, dass damit auch Vorher­sagen zu den Abläufen in Super­novae möglich sind.

Abb.: Findet eine Sternen­explosion in der Nähe unseres Sonnen­systems...
Abb.: Findet eine Sternen­explosion in der Nähe unseres Sonnen­systems (unten rechts) statt, werden strahlende Isotope frei­ge­setzt, die sich auch auf unserer Erde ablagern. (Nicht maß­stäb­liche Collage; Bild: NASA/ESA/Sankrit/Blair/Feige; CC BY 3.0)

Aus astronomischen Beobachtungen weiß man, dass die lang­lebigen Radio­nuklide 26Al und 60Fe über­all in unserer Galaxie ver­teilt sind. Haupt­säch­lich befinden sie sich aber dort, wo sich viele Stern­explo­sionen ereignen. Denn beide Radio­nuklide werden in Super­novae produ­ziert und in das um­lie­gende inter­stellare Medium geschleu­dert. Dort zer­fallen sie ent­sprechend ihrer Halb­wert­zeit: die Hälfte aller 26Al ist nach 0,7 Milli­onen Jahren, die Hälfte aller 60Fe-Atome nach 2,6 Milli­onen Jahren zer­fallen. Dabei senden sie Strahlung aus, die man mit Welt­raum­detek­toren beob­achten kann.

Doch woher weiß man, dass bestimmte auf der Erde gefun­dene Radio­nuklide aus den Explo­sionen von Sternen stammen? Bei dem Eisen­isotop ist der Nach­weis ein­fach. 60Fe kommt natür­licher­weise auf der Erde nicht vor, so dass sein Vor­kommen ein­deutig auf eine extra­terres­trische Her­kunft ver­weist. Das 26Al wird dagegen konti­nuier­lich in unserer Erd­atmo­sphäre gebildet. Kosmische Strah­lung inter­agiert mit Atomen unserer Atmo­sphäre, zer­trümmert diese, und zurück bleiben Bruch­stücke wie das 26Al.

Dass das 2016 gefundene und untersuchte Eisen­isotop 60Fe aus einer etwa zwei bis drei Milli­onen Jahre zurück­lie­genden Super­nova in der Nähe der Erde stammt, wiesen die Wissen­schaftler unter anderem durch Messungen von Tief­see­sedi­menten aus dem Indischen Ozean nach. Diese Sedi­mente lagern sich nur sehr langsam ab und sind daher wie ein zeit­liches Archiv zu lesen. Die gleichen Sediment-Archive, in denen sich auch die erwähnten 26Al Bruch­stücke absetzten, gaben nun dem Team um Jenny Feige von der TU Berlin nach auf­wändigen Unter­suchungen auch Auf­schluss darüber, in welchem Ver­hältnis das 26Al zum vorher gemessenen 60Fe in explodie­renden Sternen aus­ge­worfen werden kann.

Feige extrahierte das 26Al mit chemischen Methoden in den Laboren des Helm­holtz-Zentrums Dresden-Rossen­dorf. Anschlie­ßend konnte es an der Uni Wien mit der Beschleu­niger­massen­spektro­metrie ver­messen werden. Mit dieser Methode können extrem niedrige Isotopen­konzen­tra­tionen bestimmt werden. Bei dem Isotop 26Al ist das der Fall: Unter hundert Billi­onen stabiler Aluminium­isotope auf der Erde befindet sich nur ein ein­ziges 26Al-Atom. Alle gemessenen Atome konnten den atmo­sphä­rischen 26Al-Bruch­stücken, nicht aber einer nahen Super­nova zuge­ordnet werden. Ein weiteres Problem, das sich den Forschern stellt, ist die Tat­sache, dass es zwischen der aus­ge­stoßenen 26Al-Menge und der Menge, die tat­säch­lich in den Tief­see­sedi­menten ankommt, einen großen Unter­schied gibt. Nicht quanti­fi­zier­bare Ver­luste treten auf, weil zum Beispiel Teil­chen durch Magnet­felder und Sonnen­wind von ihrer Bahn abge­lenkt werden oder die Wasser­bewe­gungen auf der Erde die Ein­bau­rate von 26Al ins Tief­see­sedi­ment beein­flussen.

Das Team setzte deshalb das in dem atmosphärischen 26Al ver­borgene Super­nova-produ­zierte 26Al ins Ver­hältnis mit dem vor­her gemessenen 60Fe, unter der Annahme, dass sich beide während des Trans­ports zwischen Stern­explo­sion und Sedi­ment gleich ver­halten. Denn dann bleibt auch das Ver­hältnis zwischen 60Fe und 26Al unver­ändert. Dieses Ver­hältnis wurde mit den computer­gene­rierten Simu­la­tionen von der Synthese der beiden Radio­nuklide in masse­reichen Sternen ver­glichen. Die meisten Modell­ergeb­nisse, so stellte sich heraus, sind mit den Ergeb­nissen aus der Tief­see ver­einbar. Durch diese Kombi­na­tion konnten also erst­mals experi­men­tell die Nukleo­synthese-Prozesse bestätigt werden, die in masse­reichen Sternen ablaufen und die die lang­lebigen Radio­nuklide 26Al und 60Fe produ­zieren.

TU Berlin / RK

Weitere Infos

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen