Weder Stern noch Planet
In jungen Sternhaufen entstehen ungebundene Objekte mit planetarer Masse.
Wie entstehen gravitativ ungebundene Objekte mit planetarer Masse, die weder Sterne noch Planeten sind? Ein internationales Team unter Beteiligung der Uni Zürich hat mit Hilfe modernster Simulationen gezeigt, dass diese Himmelskörper mit der chaotischen Dynamik junger Sternhaufen zusammenhängen.

Solche Objekte mit planetarer Masse, englisch „planetary-mass objects“, kurz PMOs, sind kosmische Nomaden: Sie treiben frei durch den Weltraum, ohne an einen Stern gebunden zu sein, und wiegen weniger als das Dreizehnfache der Jupitermasse. Während sie in jungen Sternhaufen wie dem Trapezhaufen im Orion in großer Zahl gesichtet wurden, hat ihre Herkunft die Forscher bisher vor ein Rätsel gestellt. Herkömmliche Theorien gehen davon aus, dass es sich bei ihnen um gescheiterte Sterne oder um Planeten handeln könnte, die aus ihren Sonnensystemen ausgestoßen wurden.
Das Team konnte jetzt jedoch nachweisen, dass diese Himmelskörper direkt aus den heftigen Wechselwirkungen der Scheiben um junge Sterne entstehen können. „PMOs passen nicht in die bestehenden Kategorien von Sternen oder Planeten“, sagt Lucio Mayer von der Uni Zürich. „Unsere Simulationen zeigen, dass sie wahrscheinlich durch einen völlig anderen Prozess entstehen.“
Mit hochauflösenden hydrodynamischen Simulationen hat das Forschungsteam enge Begegnungen zwischen zwei zirkumstellaren Scheiben simuliert. Zirkumstellare Scheiben sind rotierende Ringe aus Gas und Staub, die junge Sterne umgeben. Wenn diese Scheiben aneinander vorbeiziehen, dehnen und stauchen die Wechselwirkungen ihrer Gravitationsfelder das Gas zu langgestreckten Gezeitenbrücken.
Die Simulationen ergaben, dass diese Brücken zu dichten Filament-Fäden kollabieren, die wiederum in kompakte Kerne zerfallen. Wenn die Masse der Filamente eine kritische Stabilitätsgrenze überschreitet, bilden sie PMOs mit einer Masse von etwa zehn Jupitern. Bis zu 14 Prozent bilden sich in Paaren oder Dreiergruppen, was die hohe Anzahl von Doppel-PMOs erklärt. Häufige Scheibenbegegnungen in dichten Umgebungen könnten Hunderte von PMOs hervorbringen.
PMOs übernehmen Material von den äußeren Rändern der zirkumstellaren Scheiben. Im Gegensatz zu ausgeworfenen Planeten bewegen sie sich jedoch synchron mit den Sternen ihres Wirtshaufens. Viele PMOs behalten Gasscheiben zurück, was darauf hindeutet, dass sich um diese Nomaden Monde oder sogar Planeten bilden könnten.
„Diese Entdeckung verändert zum Teil die Art und Weise, wie wir die kosmische Vielfalt betrachten“, sagt Mayer. „PMOs könnten eine dritte Klasse von Objekten darstellen, die nicht aus dem Rohmaterial von Sternentstehungswolken oder durch Planetenbildungsprozesse entstanden sind, sondern aus dem Gravitationschaos von Scheibenkollisionen.“
U. Zürich / RK