27.01.2022

Wie Aufwinde die Wolkenbildung beeinflussen

Ursache für höhere Sonnenlichtreflexion in der Südhemisphäre.

Wolken in der Südhemisphäre reflektieren mehr Sonnenlicht als in der Nordhemisphäre. Ursache ist das häufigere Vorkommen von Flüssig­wassertropfen, das durch ein Zusammenspiel aus Aufwinden und einer saubereren Umgebung entsteht. Nun fand ein Forscherteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphären­forschung (Tropos) einen unerwartet starken Einfluss der Aufwinde. Ermöglicht wurden die neuen Ergebnisse durch Langzeit­messungen in Leipzig, Limassol auf Zypern und Punta Arenas in Chile.

Abb.: Die Messcontainer während des Kampagne in Punta Arenas, Chile. Die...
Abb.: Die Messcontainer während des Kampagne in Punta Arenas, Chile. Die Kombination aus Lidar und Radar über 36 Monate war die bisher längste Messung dieser Art zur Untersuchung von Wolken südlich der Tropen. (Bild: P. Seifert, Tropos)

Die Messungen in Punta Arenas waren mit drei Jahren die längsten Wolken­untersuchungen, die es bisher mit Lidar und Radar in den mittleren Breiten der Südhemisphäre gegeben hat. 2018 bis 2021 hatte ein Team der Universität Magallanes , des Tropos und der Universität Leipzig im Rahmen der Feldkampagne Dacapo-Peso umfangreiche Untersuchungen zu Aerosolen, Wolken, Wind und Niederschlag im äußersten Süden Chiles durchgeführt. In die Auswertung und den Vergleich flossen auch Daten der Feldkampagne Cycare auf Zypern ein, an dem 2016 bis 2018 Forschende der Cyprus University of Technology und des Eratos­thenes Centre of Excellence in Limassol beteiligt waren.

Hauptziel der Messungen in der weitgehend natürlichen Umgebung an der Südspitze Südamerikas war es, die Atmosphäre in der südlichen Hemisphäre zu untersuchen und mehr über die Wechsel­wirkungen zwischen Aerosolen und Wolken in einer Region zu erfahren, für die es bisher kaum Langzeitdaten gibt. Zu diesem Zweck hat das Tropos 2018 die zwei Container des mobilen Atmosphären­observatoriums Lacros auf dem Gelände der Universität in Punta Arenas installiert, die zusammen mit Geräten der Universität Leipzig und des Labors für Atmosphären­forschung der UMAG ein umfassendes Bild der Wolken vom Boden aus ergaben. Dafür wurden die in zwei Mess­containern installierten Fernerkundungs­geräte eingesetzt: Laser-gestützte Lichtradare, Radare, Radiometer, Sonnen­photometer und andere. Ergänzt wurden diese Messungen durch Filterproben vom Cerro Mirador, einer Anhöhe 600 Meter oberhalb von Punta Arenas.

Ursprünglich sollten die Messungen als Beitrag zum „Jahr der Polar­vorhersage in der Südhemisphäre“ ein Jahr lang dauern. Aber aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Reise­beschränkungen wurden die Messungen um weitere zwei Jahre verlängert und erst Ende 2021 beendet. „Wissen­schaftlich war diese Verzögerung ein Segen“, sagt Kevin Ohneiser, Doktorand am Tropos. Denn in diese Zeitraum fiel der „Black Summer“ 2019/20 mit großen Waldbränden in Australien. Deren Rauch wurde mehr als 10.000 Kilometer über den Pazifik bis nach Südamerika transportiert und konnte dort bis zum Abschluss der Messungen Ende 2021 mit den Laser-gestützten Untersuchungen per Lidar bis in Höhen von 25 Kilometern beobachtet werden. Da die Luft im Süden Chiles ansonsten sehr sauber ist, fiel diese Art von Luft­verschmutzung gleich auf und unterstreicht den globalen Einfluss der großen Waldbrände auf das Klima. 

„Mit Dacapo-Peso haben wir eine Lücke gefüllt, die hinsichtlich der Messungen auf der südlichen Hemisphäre lange bestand. Die Daten können jetzt dazu beitragen, aktuelle Klimamodelle zu verbessern“, erklärt Boris Barja von der UMAG, der vor Ort entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Geräte trotz der corona­bedingten Reise­einschränkungen durchgehend in Betrieb sein konnten. Mit bisher mehr als zehn Nachfolge­projekten, zwanzig Konferenz­beiträgen und zehn Fach­publikationen war das Projekt wissenschaftlich sehr erfolgreich. Weitere Fachartikel sind in Arbeit: So entwickelt Teresa Vogl von der Universität Leipzig zurzeit ein auf maschinellem Lernen basierendes Verfahren, um Anhand von Wolken­radar-Beobachtungen die Bildung von Niederschlag besser verstehen zu können.

Die nun abge­schlossene Kernaufgabe des Projektes war es jedoch, herauszufinden, ob und welche Unterschiede es bei vergleichbaren meteoro­logischen Bedingungen in den Wolken über Leipzig, Limassol und Punta Arenas gibt und worin diese begründet sind. Dabei liegen Leipzig und Punta Arenas etwa auf dem gleichen Breitengrad, aber in unter­schiedlichen Hemisphären der Erde. Auch wenn das Klima und die bodennahen Wolken­schichten grundsätzlich mit dem Norden Europas vergleichbar sind, die mittelhohen und hohen Wolken unterscheiden sich deutlich voneinander. Das liegt daran, dass ein wesentlich größerer Teil der Südhalbkugel von Ozeanen bedeckt ist und dort viel weniger Menschen leben als auf der Nord­halbkugel. Die Atmosphäre oberhalb der boden­nächsten Luftschichten auf der Südhalbkugel ist daher spürbar sauberer und enthält weniger Aerosol-Partikel, was sich bei der Wolken­bildung bemerkbar macht.

„Weniger Partikel bedeuten weniger Eiskeime in der Atmosphäre. Aber genau diese werden benötigt, um bei Temperaturen zwischen Null und minus vierzig Grad Celsius Wolken­tropfen zu Eiskristallen gefrieren zu lassen. Die Wolken vereisen in den mittleren Breiten der Südhemisphäre deshalb viel weniger und enthalten bei gleichen Temperaturen mehr flüssiges Wasser. Damit beeinflussen sie das einfallende Sonnenlicht und auch die von der Erdober­fläche ausgestrahlte Wärme­strahlung anders als im Norden. Das ist eine Erklärung, weshalb globale Klimamodelle die Strahlungs­bilanz der Südhalbkugel immer noch nicht ausreichend genau abbilden können“, fasst Patric Seifert zusammen. Im Temperatur­bereich zwischen minus 24 und minus acht Grad Celsius bildeten die Wolken über Punta Arenas aus Mangel an Eiskeimen im Durchschnitt zehn bis vierzig Prozent weniger oft Eis als die Wolken über Leipzig. Auch die von den Flüssig­wasserwolken produzierte Eismasse ist um mindestens einen Faktor Zwei reduziert. 

Jedoch sind die Unterschiede in der Luftqualität entgegen der weit­läufigen Meinung nicht die einzige Ursache für die beobachteten Kontraste. Bei den Untersuchungen im Süden Chiles zeigte sich, dass die Wolken häufig durch Schwere­wellen beeinflusst werden. Der starke Westwind vom Pazifik prallt auf das Andengebirge, wird auf der Rückseite verwirbelt und erzeugt diese Schwere­wellen. „Durch Messungen der für die Wellen charakteristischen Auf- und Abwinde konnten wir Wolken, die von diesen Wellen beeinflusst worden sind, erkennen und aus der Gesamt­statistik herausfiltern. Dadurch konnten wir zeigen, dass diese Schwerewellen und nicht der Mangel an Eiskeimen für den Überschuss an Wolkentropfen bei Temperaturen unterhalb von minus 25 Grad Celsius haupt­verantwortlich sind“, erklärt artin Radenz, der sich im Rahmen seiner Doktorarbeit intensiv mit diesem Thema befasst hat. „Ob dieses Phänomen nur im Süden Chiles die Wolken beeinflusst, ist aber zurzeit noch unklar. Wie wichtig sind Schwere­wellen für die Bildung von Wolken und Niederschlag in anderen Regionen des Südlichen Ozeans? Wie häufig treten Schwerewellen über dem offenen Ozean auf, der den größten Teil der Erdoberfläche zwischen dreißig und siebzig Grad Süd bedeckt und derzeit größtenteils nur von Satelliten erfasst wird?

Weitere Messungen der Aufwinde in Wolken sind erfor­derlich, um die Rolle der Eiskeime bei dem offensichtlichen Überschuss an flüssigem Wasser in den Wolken der mittleren Breiten der Süd­hemisphäre weiter einzugrenzen. Wir wollen diese Fragen in naher Zukunft gemeinsam mit unseren Partnern auch an anderen Orten in der Südhemisphäre, wie der Antarktis und Neuseeland, und möglichst auch an Bord von Forschungs­schiffen untersuchen. Denn vom Weltraum aus ist dies im Moment noch nicht möglich.“ Die beiden Lacros-Container werden Ende Janua in Leipzig zurück sein und dann für den nächsten Einsatz vorbereitet. Im Rahmen von ACTRIS-D, dem deutschen Beitrag zur europäischen Forschungs­infrastruktur für Aerosole, Wolken und Spurengase, werden dann drei neue Geräte zusätzlich integriert. Mit einem neuen Sonnen­photometer, Mikrowellen­radiometer und 94-Gigahertz-Wolkenradar geht es im November zu Untersuchungen an künstlich erzeugten Eiswolken in die Schweizer Alpen. 

Tropos / JOL

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