08.04.2014

Wie ein optisches Puzzle

Mikroskopieverfahren unterbietet die traditionellen Grenzen der Fluoreszenzmikroskopie um ein Vielfaches.

Ein von Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig und der Georg-August-Universität Göttingen entwickeltes Mikroskopieverfahren unterschreitet die traditionellen physikalischen Grenzen der Fluoreszenzmikroskopie deutlich. Das hochauflösende und besonders einfach anzuwendende Verfahren ermöglicht zum Beispiel sehr genaue Einblicke in diejenigen Bestandteile von Nervenzellen, die bei Lern- und Gedächtnisvorgängen eine entscheidende Rolle spielen.

Abb.: Vergleich: links die herkömmliche Methode und rechts hochaufgelöst mit dem neuen Verfahren. Vergrößert: Dornenapparat als Punkt innerhalb eines dendritischen Dornfortsatzes. (Bild: TU Braunschweig)

Die Fluoreszenzmikroskopie ist eine in der Medizin und Biologie häufig eingesetzte Methode. Mit ihrer Hilfe werden unter der Anwendung von Farbstoffen bestimmte Zellbestandteile bis zu einer Größe von etwa 300 Nanometern sichtbar gemacht. DNA, Proteine und andere wichtige Schlüsselbestandteile können mit dieser Methode aber nicht aufgelöst werden, da ihre Größe unter der physikalischen Grenze der herkömmlichen Methode liegt. Jedoch sind gerade sie für das Verständnis des Innenlebens einer Zelle wichtig.

„Neuartige Verfahren haben diese Grenze zwar schon unterschritten, allerdings benötigen sie dafür oft sehr aufwändige, teure und empfindliche optische Aufbauten oder besondere Verfahren bei der Herstellung der Proben", erläutert Peter Jomo Walla vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Technischen Universität Braunschweig. Ein wichtiger Vorteil des neuen Verfahrens besteht darin, dass es prinzipiell auf jede Farbstoffmarkierung angewendet werden kann, die Mediziner oder Biologen routinemäßig in ihren Laboren einsetzen und somit keine spezielle Behandlung der Proben für eine Hochauflösung erforderlich ist.

Mit dem Verfahren ist es dem Team von Walla zusammen mit der Arbeitsgruppe von Axel Munk am Felix-Bernstein-Institut für Mathematische Statistik in den Biowissenschaften der Universität Göttingen gelungen, Auflösungen von besser als 50 Nanometer zu erreichen. Auf der Grundlage herkömmlicher Fluoreszenzmikroskopie machten es sich die Braunschweiger Forscher zunutze, dass sich die meisten Farbstoffe zufällig und unterschiedlich räumlich orientieren. Dafür entwickelte das Team um Walla einen neuartigen aber einfachen optischen Trick, um Farbstoffe verschiedener Orientierung ganz besonders genau zu unterscheiden. Dies ermöglicht es, Farbstoffe oder Farbstoffgruppen an verschiedenen Stellen der Struktur jeweils anhand ihrer Orientierung zu selektieren und genauer zu lokalisieren. Diese mit höherer Auflösung lokalisierten Bereiche verschiedener Orientierung müssen dann am Schluss wieder zu einem hochaufgelösten Gesamtbild zusammengesetzt werden.

Ein wichtiger Durchbruch gelang den Braunschweiger Forschern dabei mit Hilfe eines von den Göttinger Mathematikern Axel Munk und Timo Aspelmeier speziell hierfür entwickelten statistischen Rekonstruktionsverfahrens. Dabei müsse das Bild von vielen Störungen bereinigt werden, erläutert Munk, der auch am Max Planck Institut für Biophysikalische Chemie forscht. „Das ist gewissermaßen wie ein kompliziertes Puzzle, bei dem jemand auch noch Teile in den Karton geworfen hat, die gar nicht dazu gehören“, so Munk. Dabei machten sich die Mathematiker eine in den letzten Jahren entwickelte Theorie zunutze – die sogenannte sparse statistische Methode.

Abb.: Forscher am optischen Tisch bei der Entwicklung des neuen Mikroskopieverfahrens. (Bild: TU Braunschweig / F. Bierstedt)

Die Möglichkeiten des neuen Mikroskopieverfahrens konnten die Forscher zusammen mit Martin Korte und seinem Team vom Institut für Zoologie der TU Braunschweig testen. Dabei gelang es ihnen, die Membran von Nervenzellen und ihren sogenannten dendritischen Dornfortsätzen, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen zuständig sind, mit sehr hoher Auflösung darzustellen. Da diese allerdings oft Strukturen von unter 100 Nanometern aufweisen, lassen sich wichtige Details mit herkömmlichen Fluoreszenzmethoden nur schwer aufgelösen. Mit dem neuen Verfahren konnte nun sogar der sogenannte Dornenapparat hochauflösend sichtbar gemacht werden, der in Nervenzellen unter anderem bei Lern- und Gedächtnisvorgängen eine wichtige Rolle spielt.

Jetzt arbeiten die Forscher an weiteren Verbesserungen, zum Beispiel an noch präziseren Rekonstruktionsverfahren und Computeralgorithmen. Sie wollen damit alle zur Verfügung stehenden Signalinformationen der neuen Methode vollständig auszunutzen, etwa um noch schnellere Bildfolgen zu erreichen.

TU Braunschweig / PH

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