26.01.2012

Wie schnell wandern Quantenbits?

Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Quantensignalen in einem Vielteilchensystem gemessen.

Wie schnell können Quantenrechner wirklich werden? Wo werden ihre Grenzen liegen? Die Antwort hängt davon ab, mit welcher Geschwindigkeit ein Signal innerhalb eines Quantenprozessors übertragen werden kann. Die Ausbreitung solcher Quantensignale haben nun Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching in Zusammenarbeit mit theoretischen Physikern der Universität Genf in einem festkörperähnlichen System erstmals direkt beobachtet. In einem streng geordneten Gitter aus einzelnen Rubidiumatomen erzeugten sie eine Störung – ein „verschränktes“ Paar aus einem doppelt besetzten und einem leeren Gitterplatz. Mit mikroskopischen Verfahren verfolgten sie, wie fix dieses Signal von Gitterplatz zu Gitterplatz wanderte.

Abb.: Ausbreitung von Quantenkorrelationen in einem optischen Gitter. Links: künstlerische Darstellung. Rechts: a) Im Anfangszustand ist jeder Gitterplatz mit genau einem Atom besetzt. Dann wird die Barriere abrupt erniedrigt, und das System gerät aus dem Gleichgewicht. b) Es entsteht ein Paar aus einem Doublon und einem Holon, die sich in entgegen gesetzte Richtungen ausbreiten. (Bild: woogie works animation studio / MPQ)

Aufgrund des Superpositionsprinzips überlagerter Quantenzustände können zwei Quantenobjekte einen gemeinsamen „verschränkten“ Zustand bilden, in dem ihre Eigenschaften fest verknüpft. Dafür, wie schnell sich eine solche Quantenkorrelation nach ihrer Erzeugung in einem Medium ausbreitet, gibt es derzeit keine allgemeinen Vorhersagen.

Die Physiker haben nun einen solchen Prozess direkt beobachtet. Dabei experimentierten sie mit einem extrem kalten Gas aus Rubidiumatomen. Mit Lichtfeldern strukturieren sie das Ensemble derart, dass sich die Atome nur noch entlang eindimensionaler, parallel verlaufender Röhren bewegen durften. Diesen Röhren wurde schließlich eine stehende Laserwelle überlagert, so dass sich die Atome in einer periodischen Folge heller und dunkler Gebiete befanden. Hier ordneten sich die Teilchen zu einer regelmäßigen Gitterstruktur an: in jedem hellen Gebiet saß genau ein Atom wie in einer Mulde, die von der nächsten Mulde durch eine Barriere getrennt war.

Über die Laserintensität ließ sich die Höhe der Barriere zwischen den Mulden steuern. Am Anfang war diese so hoch, dass die Atome auf ihren Plätzen fixiert blieben und nicht zum Nachbarplatz wandern konnten. Dann wurde quasi „auf Knopfdruck“ die Barriere so weit erniedrigt, dass das System aus dem Gleichgewicht geriet und lokale Störungen verursachte. Denn unter den neuen Bedingungen durfte das eine oder andere Atom die Barriere „durchtunneln“ und auf seinen Nachbarplatz gelangen.

Auf diese Weise entstanden vereinzelt verschränkte Paare aus je einem doppelt besetzten Gitterplatz (Doublon genannt) und einem leeren Gitterplatz, einem „Holon“. Nach einem Modell der Genfer Theoretiker wandern Doublon und Holon wie echte Teilchen durch das System, und zwar in entgegengesetzte Richtungen. „Für ein verschränktes Paar ist zunächst nicht definiert, ob das Holon rechts oder links vom Doublon ist. Beide Konstellationen sind gleichzeitig vorhanden“, sagt Marc Cheneau, einer der beteiligten Wissenschaftler. „Aber wenn ich einen doppelt besetzten Platz oder ein Loch sehe, dann weiß ich, wo ich das jeweilige Gegenstück finde. Das ist die Korrelation, von der wir sprechen.“

Nun beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Korrelationen in dem System ausbreiteten. Dies gelang mit einem neuartigen Mikroskopieverfahren, das einzelne Atome auf ihren jeweiligen Gitterplätzen sichtbar machte. In bestimmten Zeitabständen nahmen sie immer wieder Schnappschüsse von den Atomen im Gitter, die zeigten, wo sich die Doublon- und Holon-Teilchen gerade befanden. Aus der Strecke, die sich die beiden Partnerteilchen in einem bestimmten Zeitraum voneinander entfernt hatten, ließ sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der jeweiligen Korrelation bestimmen. Diese Messergebnisse sind in guter Übereinstimmung mit den Werten, die sich aus dem Modell der Genfer ergeben.

„Wenn Quanteninformation mit Lichtquanten übertragen fließen die Daten mit Lichtgeschwindigkeit weiter gegeben“, erklärt Cheneau. „Wenn aber Quantenbits oder Quantenregister mit Festkörperstrukturen umgesetzt werden, muss die Quantenkorrelation von Bit zu Bit wandern. Wenn wir verstehen, wie schnell dieser Prozess ablaufen kann, wissen wir auch, was die Geschwindigkeit zukünftiger Quantenprozessoren begrenzt.“

O. Meyer-Streng / MPQ / PH

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