22.03.2016

Wie Wasserstoff Brücken bildet

Inelastische Röntgenstreuung offenbart komplexe multidimensionale Potenzialflächen von Molekülen.

Ein Team aus dem Helmholtz-Zentrum Berlin konnte erstmals messen, wie neue Verbindungen zwischen Molekülen diese beeinflussen: Sie haben aus Messdaten an der Swiss Light Source des Paul-Scherrer-Instituts PSI die „Energie­land­schaft“ von Aceton-Molekülen rekonstruiert und so experimentell den Aufbau von Wasser­stoff­brücken zwischen Aceton- und Chloroform-Molekülen nachgewiesen. Die Ergebnisse helfen, grundlegende Phänomene der Chemie zu verstehen.

Abb.: Das Team konnte erstmals mit der Methode der inelastischen Röntgenstreuung beobachten, wie der Aufbau von Wasserstoffbrücken die C=O Bindung im Aceton-Molekül verändert. (Bild: HZB)

Moleküle setzen sich aus Atomen zusammen, die zueinander bestimmte Abstände und Winkel einnehmen. Die Gestalt eines Moleküls kann sich verändern, zum Beispiel durch die Nachbar­schaft zu anderen Molekülen, durch äußere Kräfte und Anregungen oder auch wenn ein Molekül eine chemische Verbindung mit einem anderen Molekül eingeht. Ein Konzept, um die möglichen Änderungen in Molekülen zu beschreiben, sind Potenzial­flächen. Wenn Licht einen Teil des Moleküls zu Schwingungen anregt, wandert der Zustand des Moleküls energetisch aufwärts, vielleicht sogar über einen Pass oder Gipfel hinweg. Schließlich kommt das Molekül wieder in das vorherige Energie­minimum zurück oder landet in einer anderen Energiemulde, die veränderten Winkeln oder Verbindungslängen entspricht. Manche dieser Veränderungen lassen auf Wasserstoff­brücken­bindungen mit benachbarten Molekülen schließen.

Das Team um Annette Pietzsch und Alexander Föhlisch hat es nun erstmals geschafft, diese sehr subtilen Potenzial­flächen rund um das kleine Molekül Aceton (C3H6O) genau auszumessen. Sie nutzten dafür die Methode der inelastischen Röntgen­streuung (RIXS) an der Swiss Light Source des PSI. „Wir haben gezielt die Doppel­bindung zwischen dem Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atom in Aceton zu Schwingungen angeregt und die Antworten darauf genau analysiert“, erklärt Annette Pietzsch. Durch die extrem hohe Auflösung der Messdaten gelang es ihnen, die Potenzial­fläche entlang dieser C=O-Doppel­bindung zu kartieren.

Im zweiten Teil des Experiments untersuchten sie eine Mischung aus Aceton und Chloroform; diese flüssige Mischung wird als azeotrop bezeichnet, das heißt, durch Destillation lassen sich die beiden Zutaten nicht mehr voneinander trennen. Nun konnten die Wissen­schaftler erstmals experimentell beobachten, wie sich die Aceton-Moleküle über Wasser­stoff­brücken dicht mit den Chloroform-Molekülen vernetzen: Aus den Messdaten konnten sie auf den Fingerabdruck von Wasserstoffbrückenbindungen schließen, die sich zwischen der C=O-Gruppe der Aceton-Moleküle und den Wasserstoff-Gruppen der Chloroform-Moleküle bilden.

„Die Ergebnisse ermöglichen erstmals die quantitative Vermessung von multi­dimensionalen Potenzial­flächen von Molekülen. Solche komplexen Potenzial­flächen sind per se ein spannendes Untersuchungs­objekt, denn sie beschreiben auch, wie sich zum Beispiel biologisch aktive Moleküle in ihrer Umgebung verhalten. Wir haben nun ein Werkzeug entwickelt, um solche Potenzial­flächen experimentell zu kartieren“, schreibt das Team.

HZB / DE

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