07.08.2025

Woher kommt die Exosphäre des Mondes?

Die Wirkung geladener Sonnenwindteilchen auf den Erdtrabanten wurde bisher massiv überschätzt, so eine Studie der TU Wien an Apollo-Mondgestein.

Die Oberfläche des Mondes ist ständig dem Sonnenwind ausgesetzt. Dessen Partikel können Atome aus dem oberflächennahen Gestein herausschlagen, die dann eine extrem dünne Gashülle um den Mond bilden – die Exosphäre. Doch wie genau diese Exosphäre entsteht, ist bis heute nicht vollständig verstanden. Ein Forschungsteam der TU Wien konnte nun gemeinsam mit internationalen Partnerinstitutionen zeigen, dass ein zentraler Prozess – die Sputtererosion durch Sonnenwind-Teilchen – in bisherigen Modellen massiv überschätzt wurde. Der Grund: Frühere Berechnungen vernachlässigten die rauen, porösen Eigenschaften des echten Mondgesteins. Mithilfe hochpräziser Experimente an Originalproben der Apollo-16-Mission sowie modernster 3D-Modellierung konnte nun erstmals die tatsächliche Erosionsrate durch Sonnenwind exakt bestimmt werden.

„Der Mond hat keine dichte Atmosphäre wie die Erde – aber um ihn herum existiert eine extrem dünne Exosphäre, in der sich einzelne Atome und Moleküle befinden“, erklärt Prof. Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Woher diese Teilchen stammen, ist eine der zentralen Fragen der Mondforschung.“

Zwei Prozesse gelten als Hauptkandidaten: Entweder werden die Teilchen durch den Einschlag von Mikrometeoriten aus der Oberfläche geschlagen, oder sie stammen aus der Wechselwirkung der Oberfläche mit dem Sonnenwind – dem kontinuierlichen Strom aus Protonen, Heliumionen und anderen geladenen Teilchen. Konkrete experimentelle Daten zur realen Sputtererosion auf dem Mond fehlten bislang.

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An der TU Wien wurden nun erstmals präzise Experimente mit Originalmaterial der NASA-Apollo-16-Mission durchgeführt. „Mit einer speziell entwickelten Quarz-Mikrowaage konnten wir die durch Ionenbeschuss verursachte Masseabnahme des Mondgesteins exakt vermessen“, erklärt Johannes Brötzner, Doktorand am Institut für Angewandte Physik. „Gleichzeitig haben wir am Vienna Scientific Cluster großskalige 3D-Simulationen durchgeführt, um die komplexe Geometrie und Porosität der Mondoberfläche in die Berechnungen einfließen zu lassen“.

Das Ergebnis: Die reale Erosionsrate durch den Sonnenwind wurde bisher massiv überschätzt. Sie ist um bis zu eine Größenordnung niedriger als bisher angenommen. Das liegt vor allem an der Struktur des Regoliths, der lockeren, porösen Staubschicht auf der Mondoberfläche. Wenn Ionenteilchen auf Regolith treffen, dann können sie dort in winzige Hohlräume eindringen und ihre Energie in mehreren Kollisionen loswerden. Das senkt die Effizienz des Sputterns deutlich, es werden weniger Teilchen herausgeschlagen als das der Fall wäre, wenn die Ionen auf eine glatte Oberfläche treffen würden.

„Unsere Studie liefert die ersten realistischen, experimentell abgesicherten Sputter-Werte für echtes Mondgestein“, fasst Aumayr zusammen. „Damit zeigen wir nicht nur, dass frühere Modellrechnungen die Erosionsrate durch den Sonnenwind stark überschätzt haben – wir können damit auch einen offenen wissenschaftlichen Widerspruch auflösen: Eine kürzlich in Science Advances veröffentlichte Studie hatte anhand von Isotopenanalysen an Apollo-Gesteinsproben den Schluss gezogen, dass über geologische Zeiträume hinweg Mikrometeoriten die Hauptquelle für die lunare Exosphäre darstellen – und nicht der Sonnenwind. Unsere neuen Messdaten bestätigen diese Interpretation aus einem völlig anderen, unabhängigen Blickwinkel.“

Diese Ergebnisse kommen zur rechten Zeit: Mit der Artemis-Mission der NASA steht eine neue Ära der bemannten Mondforschung bevor, und auch die ESA-JAXA-Mission BepiColombo zum Merkur wird in den kommenden Jahren erstmals direkt vor Ort Daten von der Exosphäre des sonnennahen Planeten liefern. Für die Auswertung dieser Daten ist ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Erosionsmechanismen unerlässlich – und genau dazu leistet die TU Wien nun einen entscheidenden Beitrag. [TU Wien / dre]

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