29.12.2022

Wolkenbildung durch gelartige Partikel

Rolle der transparenten Exopolymerpartikel in der Atmosphäre bestimmt.

Gelartige Partikel können aus den Ozeanen in die Atmosphäre gelangen. Sie können aber auch durch biologische Prozesse in der Atmosphäre gebildet werden. Das schließt ein internationales Forschungsteam aus Untersuchungen im Atlantik und Laborversuchen zu transparenten Exopolymer­partikeln (TEPs). Diese Partikel kommen weltweit im Wasser der Ozeane vor und wurden kürzlich auch in der Luft der Atmosphäre gefunden. Ihre Rolle bei der Wolken­bildung und damit die Bedeutung für das globale Klima ist noch weitgehend unverstanden. Eine neue Studie hat deshalb zum ersten Mal die TEP-Konzentrationen im Meereswasser, in Wolkenwasser und in den Partikeln der Atmosphäre verglichen. Da diese gelartigen Partikel gute Eigenschaften für Eiskeime hätten, sollte ihre Rolle beim Entstehen von Wolken über den Ozeanen genauer untersucht werden. Daran beteiligt waren Forscher des Leibniz-Instituts für Troposphären­forschung (Tropos), der Universität Oldenburg, des Leibniz-Zentrums für Marine Tropen­forschung (ZMT) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozean­forschung.

 

Abb.: Aerosol und Wolken­wasser­sammlung auf dem Mount Verde (Bild: M. van...
Abb.: Aerosol und Wolken­wasser­sammlung auf dem Mount Verde (Bild: M. van Pinxteren, Tropos)

In marinen Ökosystemen spielen polymere Gele und gelartiges Material eine wichtige Rolle im biochemischen Kreislauf der organischen Materie. Eine Art von gelartigen Partikeln, die TEPs, hat zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Chemisch gesehen bestehen sie aus Vielfachzuckern, die über Kalzium-Ionen miteinander verbunden sind und Wasser einlagern. TEPs haben sich als äußerst wichtig für Sedimentations­prozesse und den Kohlenstoff­kreislauf im Meer erwiesen und sind im Oberflächenfilm der Meere weit verbreitet. Sie könnten deshalb große Bedeutung für die Austauschprozesse zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre haben. TEPs sind sehr klebrig und bieten Oberflächen für andere Moleküle und zur bakterielle Besiedlung.

Bis zu einem Viertel der Meeresbakterien können so an TEPs gebunden sein. Je nachdem wie viel Material gebunden wird, sinken diese Gele in die Tiefe und tragen zur Kohlenstoff­speicherung in den Ozeanen bei oder steigen an die Oberfläche und reagieren im Oberflächenfilm mit der Atmosphäre. Von der Meeres­oberfläche können TEPs in die Luft übertragen werden. Durch Wind und brechende Wellen werden Aerosol­partikel aus der Meeresgischt gebildet, die ein Übertragungsmechanismus für TEPs aus dem Ozean in die Atmosphäre sein könnte.

Neben dem Transfer vom Ozean in die Atmosphäre könnte organisches Material wie die Gelpartikel auch in der Atmosphäre durch biologische Prozesse entstehen. Diese Bildungsprozesse in der Atmosphäre und ihre Bedeutung sind bisher kaum untersucht worden und es gab bisher keine Studien zur In-situ-Bildung von TEP-Gelen in der Atmosphäre. Dabei könnten die winzigen Gele als Wolken­kondensationskeime besonders in der relativ sauberen Luft der Polargebiete, aber auch in anderen marinen Regionen, eine große Rolle bei der Bildung von Wolken spielen und damit das Klima dort beeinflussen. Vermutet wird außerdem, dass diese Biopolymere, aufgrund ihrer Struktur eine Rolle bei der Eisbildung in den Wolken spielen. Sie könnten als Eiskeime fungieren, da sie ein 3D-Netzwerk bilden, an das sich Wassermoleküle anlagern können, wodurch eine strukturierte Oberfläche für die Eisbildung entsteht. Ein direkter Zusammenhang zwischen TEPs und Eiskeimen wurde jedoch in Feldstudien noch nicht experimentell nachgewiesen.

Deshalb untersuchten die Forscher die Anzahl und Größenverteilung dieser Gel-Partikel in der Umgebungsatmosphäre des tropischen Atlantiks. „Unser Ziel war es, die TEP-Anzahl­konzentrationen in den Aerosolpartikeln und im Wolkenwasser der Atmosphäre zu bestimmen und Zusammenhänge mit dem ozeanischen Transfer und möglichen In-situ-Bildungs­mechanismen abzuleiten. Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie mit detaillierten Messungen der TEP-Anzahl­größen­verteilung in verschiedenen atmosphärischen Meeres­kompartimenten im tropischen Atlantik“, berichtet Manuela van Pinxteren vom Tropos, die die Messungen geleitet hat.

Die Proben wurden während der MarParCloud-Kampagne genommen, die vom 13. September bis 13. Oktober 2017 auf der Insel Sao Vicente im Cabo-Verde-Archipel im östlichen tropischen Nordatlantik stattfand. Die Partikel-Messungen wurden am Cape Verde Atmospheric Observatory (CVAO) durchgeführt. Das CVAO befindet sich direkt an der Küstenlinie an der nordöstlichen Spitze der Insel São Vicente auf zehn Meter Höhe über dem Meer. Dank der Passatwinde ist dieser Standort frei von lokaler Inselverschmutzung und bietet Referenzbedingungen für die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre, da ein konstanter Nordwestwind vom offenen Ozean zum Observatorium weht. Das Wolkenwasser wurde auf dem Mount Verde gesammelt, dem mit 744 Metern höchsten Punkt der Insel.

Um die Proben aus der Luft möglichst gut mit den Proben aus dem Ozeanwasser vergleichen zu können, führte das Team zusätzlich ein spezielles Experiment durch: 1400 Liter Meereswasser aus dem Atlantik wurden in einen vor Ort installierten Tank transportiert und unter kontrollierten Bedingungen wurde die Freisetzung der Gel-Partikel durch Wellen und Gischt nachgestellt. Beim Platzen der Blasen an der Meeresoberfläche wird auch organisches Material aus dem Oberflächenfilm in die Luft geschleudert. Dieses Bubble-Bursting sorgt dafür, dass Stoffe aus dem Ozeanwasser durch den Oberflächenfilm in die Atmosphäre gelangen. Das Tankexperiment lieferte wichtige Vergleichswerte: In der realen Atmosphäre im tropischen Atlantik waren die Konzentrationen an TEP-Gelen um bis zu zwei Größen­ordnungen höher als in der nachgebildeten Atmosphäre über dem Wassertank im Labor.

„Wir denken, dass die hohen Konzentrationen von TEPs in den Partikeln und im Wolkenwasser nicht nur auf den Transfer aus dem Ozean zurückzuführen ist, sondern dass es weitere Bildungsprozesse in der Atmosphäre geben muss. Wir vermuten, dass ähnliche Bildungsmechanismen, wie sie für die TEP-Bildung in den Ozeanen berichtet wurden, auch in der Atmosphäre stattfinden könnten: Die chemische In-situ-Bildung könnte durch wässrige Reaktionen gelöster organischer Vorläufer entstanden sein, die in den Partikel- und Wolken­wasser­proben vorhanden waren. Die biotische Bildung ist besonders spannend und könnte durch Bakterien erfolgen, die in den Wolken­wasser­proben reichlich vorhanden waren“, erklärt Manuela von Pinxteren. Fazit: Die Bildung der TEP-Gel-Partikel in der Atmosphäre hängt wahrscheinlich auch mit biogenen Prozessen und mit Bakterien in der Luft zusammen.

Tropos / DE
 

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