Zähflüssige und supraleitende Elektronen
Neue Materialien auf Basis von Oxiden sollen Computer energiesparender machen.
Computer und andere elektronische Geräte haben heute einen beträchtlichen Anteil am weltweiten Energieverbrauch. Mit den heute genutzten Technologien lässt sich dieser Verbrauch aber kaum senken, sodass die Chips in den energiesparenden Geräten der Zukunft aus neuartigen Materialien bestehen werden. Neueste Forschungsergebnisse aus dem Paul Scherrer Institut (PSI) geben Hinweise darauf, wie man zu solchen Materialien kommen könnte.
Abb.: Licht aus dem Synchrotron SLS (gelbe Wellenlinie) schlägt Elektronen (grüne Kugeln) aus dem Material heraus. Diese Elektronen werden von einem Detektor (metallische Halbkugel) aufgefangen. (Bild: C. Cancellieri)
Dafür haben die Forscher ein Material untersucht, das an sich bereits die nötigen Merkmale hat: Es ist magnetisch und kann elektrischen Strom ganz ohne Widerstand leiten. Der Nachteil: Es hat diese Eigenschaften nur bei sehr tiefen Temperaturen, bei denen man keine Computer betreiben könnte. Bei höheren Temperaturen dagegen fließt der Strom in dem Material ausgesprochen schwerfällig. Mit Hilfe von Experimenten an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts konnten die Forscher die Ursachen für den erschwerten Stromfluss bestimmen. Diese Ergebnisse dürften nun helfen, gezielt neue Materialien zu entwickeln, die auch bei höheren Temperaturen die besonderen Eigenschaften behielten und so in zukünftigen Computern zum Einsatz kommen könnten.
Den Energieverbrauch elektronischer Geräte zu reduzieren ist eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Entwicklung der Elektronik der Zukunft. So verbrauchen zum Beispiel die riesigen Rechenzentren, die hinter Internet-Suchmaschinen oder sozialen Medien stehen, so viel Energie wie eine Großstadt. Energiesparende Computer setzen aber eine fundamentale Wende voraus: neuartige Materialien werden die Halbleiter ersetzen müssen, die in den vergangenen Jahrzehnten die Grundlage aller elektronischen Geräte bilden – vom frühen Transistorradio bis zum Smartphone. Zu den besonders vielversprechenden Kandidaten gehören Oxide, erklärt Vladimir Strocov, leitender Wissenschaftler am PSI. So könnten elektronische Bauelemente aus bestimmten Oxiden die Funktion der heutigen Transistoren übernehmen und würden dabei nur einen kleinen Bruchteil der Energie verbrauchen.
Strocovs Forschungsteam hat nun gemeinsam mit Kollegen der ETH Zürich und des japanischen Forschungsinstituts RIKEN ein Material untersucht, das eigentlich die nötigen Eigenschaften für den Einsatz in diesen Bauteilen mitbringt. Die Forscher konnten nun die Ursachen für den erschwerten Stromfluss bestimmen. Für diesen ist offenbar dasselbe Phänomen verantwortlich, das bei tiefen Temperaturen den Strom ungehindert fließen lässt, so Strocov. Die Ergebnisse könnten daher helfen, gezielt neue Materialien zu entwickeln, die auch noch bei höheren Temperaturen für die neuartigen Bauteile geeignet wären und so in zukünftigen Computern zum Einsatz kommen könnten.
Das Gerüst solcher Materialien bilden regelmäßig angeordnete, wenig bewegliche Ionen. Die Elektronen, die im Material fließen, ziehen die Ionen zu sich und verzerren so das Gerüst, erklärt Claudia Cancellieri, die als PSI-Wissenschaftlerin an der Studie beteiligt war, jedoch mittlerweile an der EMPA tätig ist. Diese Ionen ziehen dann wiederum die Elektronen an und bremsen sie auf diese Weise aus. Offenbar lässt die gleiche Verzerrung das Material aber bei tiefen Temperaturen supraleitend werden. Bei tiefen Temperaturen sorgt die Verzerrung des Materialgerüsts dafür, dass sich die Elektronen paarweise verbinden, so Cancellieri. Mit diesem Wissen könnten Forscher ähnliche Materialien gezielt so verändern, dass sie auch bei höheren Temperaturen supraleitend bleiben. Ein Ansatz ist dabei, mithilfe spezieller nanotechnolgischer Verfahren einzelne Sauerstoffatome in dem Material durch Atome eines anderen Elements zu ersetzen, die zusätzliche Elektronen mitbringen.
Das Material, das die Forschenden in ihren Experimenten untersucht haben, ist nicht ein einzelnes Oxid, sondern die Kombination von den zwei Oxiden mit den chemischen Formeln LaAlO3 und SrTiO3. Dabei leiten die beiden Oxide einzeln keinen Strom – fügt man sie aber zusammen, kann entlang der Grenzfläche Strom fließen. Allgemein kann die Verbindung von zwei Oxiden neuartige Eigenschaften haben, die in zukünftigen Geräten nützlich sein könnten. Den Stromfluss an der Grenzfläche zwischen den Materialien haben die Forschenden mit hochenergetischem Synchrotronlicht an der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts gemessen. Der Messplatz ADRESS ist weltweit führend, wenn es um solche herausfordernden Experimente geht.
PSI / DE