Dieses vom ATLAS-Detektor am LHC aufgezeichnete Ereignis ist ein Kandidat für den Zerfall eines Higgs-Bosons in vier Leptonen. (vgl. S. 18, Bild: ATLAS Experiment © 2012 CERN)
Physik Journal 9 / 2012
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Leserbriefe
Keine neue Phase?
Zu: „Die starke Seite des LHC“ von Christoph Blume, Klaus Rabbertz und Stefan Tapprogge, April 2012, S. 45
High-Tech
Im Brennpunkt
Higgs- oder nicht Higgs-Boson?
Die Experimente ATLAS und CMS am LHC entdecken ein neues Teilchen mit einer Masse von 126 GeV/c2.
Die im Dunklen sieht man doch
Mit dem Gravitationslinseneffekt konnten Astronomen eine Struktur aus Dunkler Materie nachweisen.
Forum
Reif für die Insel
Seit 1951 tagen jedes Jahr Nobelpreisträger gemeinsam mit Nachwuchswissenschaftlern in Lindau am Bodensee. Dieses Jahr stand das Treffen wieder im Zeichen der Physik.
Schon bevor man über die Seebrücke hinüber in die Altstadt von Lindau auf die Insel fährt, lächeln einem zahlreiche Nobelpreisträger entgegen. Wenige hundert Meter weiter reihen sich vor der Inselhalle Luxuskarossen aneinander:
Porsche, VW und Audi haben ihre neuesten Modelle zur Verfügung gestellt, damit die schick gekleideten Chauffeure die Preisträger auf der Insel stilvoll von einem Punkt zum nächsten kutschieren können. In den Straßen prägen die Teilnehmer der Tagung das Bild: Wohin man auch blickt, überall sind junge Menschen aus aller Welt unterwegs, um ihren Hals baumeln die grauen Schlüsselbänder mit ihrem Teilnehmerausweis, über ihren Schultern hängt die glänzende Lindau-Bag. Ganz klar: An diesen paar Tagen ist auf der kleinen Insel nichts so wie den Rest des Jahres.
Die Insel Lindau hat eine Fläche von nur 68 Hektar und rund 3000 Einwohner, doch jedes Jahr im Frühsommer gesellen sich für eine Woche knapp 1000 Gäste hinzu – nämlich wenn die alljährliche Tagung der Nobelpreisträger ansteht. Die Idee dazu hatten zwei Lindauer Ärzte, die sich 1950 mit dem Wunsch nach einer wissenschaftlichen Tagung an Graf Lennart Bernadotte wandten, um die durch den Nationalsozialismus entstandene Isolation der deutschen Wissenschaft zu überwinden. Würden Nobelpreisträger an der Tagung teilnehmen, so fänden auch andere hochkarätige Wissenschaftler den Weg nach Deutschland, waren die beiden überzeugt – und sie sollten Recht behalten. So nutzte Graf Bernadotte seine Familienbande nach Stockholm und zum Nobelpreis-Komitee, um 1951 die Lindauer Nobelpreisträger-Tagung ins Leben zu rufen. Bis heute ist diese eng mit der Familie Bernadotte verknüpft. ...
Bildung - Beruf
Mehr Physikstudierende als je zuvor
Die Statistiken zum Physikstudium an den Universitäten in Deutschland 2012 zeigen ein differenziertes Bild von echten Anfängern und „Parkstudierenden“.
Seit 1975 erhebt die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) jährlich statistische Daten zum Physikstudium in Deutschland. Auch dieses Jahr haben sich alle 58 Universitäten und Technischen Hochschulen, die derzeit Fachstudiengänge Physik oder Studiengänge mit Schwerpunkt Physik anbieten, an der Umfrage beteiligt. Nicht mehr dabei ist die TU Clausthal-Zellerfeld, die ihre Physik-Studiengänge auslaufen lässt und keine Neueinschreibungen in diesem Fach mehr erlaubt. Insgesamt wurden Daten für weit über 300 Studiengänge erfasst, die in 16 Kategorien zusammengefasst sind.
Im Sommersemester 2012 waren in diesen Studiengängen 38 241 Personen eingeschrieben. Damit gibt es momentan in Deutschland deutlich mehr Physik-Studentinnen und -Studenten als jemals zuvor. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr (31 989) beträgt 20 %, gegenüber dem Wert vor fünf Jahren (25 479) sogar 50 %.
Bereits an dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass die Zahl der Immatrikulationen nicht identisch ist mit der Zahl derjenigen, die tatsächlich ein Studium aufnehmen. Insbesondere im Sommersemester schreiben sich auch Personen in Physik-Studiengängen ein, die von vornherein nicht vorhaben, ihr Studium ernsthaft zu verfolgen. ...
Preisträger
Rechnen mit Quanten
In den letzten Jahren ist es gelungen, eine Reihe von Quantenzuständen und einfachen Quantenalgorithmen zu realisieren.
In nicht allzu ferner Zukunft werden konventionelle Computer zwangsläufig an ihre Grenzen stoßen. Einen Ausweg könnten Quantencomputer bieten, die sich Superposition und Verschränkung zunutze machen. Quantencomputer mit einigen wenigen gespeicherten Ionen als elementaren Bausteinen liefern bereits heute vielversprechende Ergebnisse bei der Erzeugung nicht-klassischer Zustände sowie der Simulation von quantenmechanischen Systemen.
Seit Jahrzehnten verdoppelt sich etwa alle 18 Monate die Rechenleistung von Computern – empirisch beschrieben durch das Mooresche Gesetz, das einer der Gründungsväter der Firma Intel, Gordon Moore, 1965 formulierte. Seither folgt die Computertechnologie der dadurch vorgegebenen „roadmap“, vor allem durch fortschreitende Miniaturisierung, also immer kleinere Schaltelemente. Bei gleichbleibender Entwicklung müsste irgendwann im nächsten Jahrzehnt ein einzelnes Atom für die Darstellung eines Bits herhalten. Spätestens dann wäre es erforderlich, die Gesetze der Quantenphysik für das Rechnen heranzuziehen. Aber schon in den 1980er-Jahren überlegten David Deutsch und Richard Feynman, wie die Quantenphysik beim Rechnen helfen kann. Feynman hat als mögliche Anwendung zum Beispiel daran gedacht, die komplizierte Schrödinger-Gleichung eines Vielteilchensystems mithilfe eines anderen Quantensystems nachzubilden und zu simulieren, statt sie mühsam und unter großem Aufwand auf klassischen Computern zu berechnen. Dies waren damals aber rein akademische Überlegungen, da unklar war, ob und wie sich ein solcher Quantenrechner überhaupt realisieren ließe.
Als eigenständiges Forschungsfeld etablierte sich die Quanteninformationsverarbeitung ab Mitte der 1990er-Jahre. Auslöser dafür war die Entwicklung von Quantenalgorithmen, die eine sehr schnelle Lösung einiger wichtiger Probleme, wie die Faktorisierung großer Zahlen oder die Suche in Datenbanken, versprechen. Seither wurden verschiedenste Systeme für das Rechnen mit Quanten untersucht. Ignacio Cirac und Peter Zoller von der Universität Innsbruck schlugen 1995 einen der bislang erfolgreichsten Ansätze vor, der darauf beruht, Ionen in einer Paul-Falle zu manipulieren. Zwei interne Zustände der Ionen dienen dabei als Quantenbits (kurz Qubit), in denen die Quanteninformation gespeichert ist: |ψ〉 = c0 |0〉 + c1 |1〉. Die einzelnen Qubits lassen sich mithilfe von adressierten Laserstrahlen verarbeiten, wobei die Bewegung der Ionen in der Falle verwendet wird, um die logischen Gatteroperationen zwischen den Qubits zu erzeugen. Für den Bau eines universellen Quantencomputers reichen demnach zwei einfache Gatteroperationen und deren Kombinationen aus: Bei den sog. Ein-Qubit-Rotationen steuert man mit dem Laser gezielt einzelne Ionen an, während die zweite Operation das quantenmechanische Analogon eines Booleschen XOR-Gatters ist. Die klassische XOR-Operation invertiert ein Bit, wenn ein Kontroll-Bit gesetzt ist, d. h. sie involviert zwei Bits. Das quantenmechanische Analogon – die CNOT-Operation (controlled NOT) – unterscheidet sich davon fundamental, da es auch für Überlagerungen gelten muss und daher verschränkte Zustände erzeugt. Das entsprechende Zwei-Qubit-Gatter lässt sich ebenfalls mit Laserlichtimpulsen bestimmter Frequenz und Dauer unter Anregung der Ionenbewegung realisieren. Wichtig für diesen Ansatz ist, dass alle Ionen eines Quantenregisters stets in den Grundzustand der harmonischen Bewegung, die sie in dem Fallenpotential ausführen, zu kühlen sind. ...
Of symmetries, symmetry classes, and symmetric spaces
From disorder and quantum chaos to topological insulators
Quantum mechanical systems with some degree of complexity due to multiple scattering behave as if their Hamiltonians were random matrices. Such behavior, while originally surmised for the interacting many-body system of highly excited atomic nuclei, was later discovered in a variety of situations including single-particle systems with disorder or chaos. A fascinating theme in this context is the emergence of universal laws for the fluctuations of energy spectra and transport observables. After an introduction to the basic phenomenology, the talk highlights the role of symmetries for universality, in particular the correspondence between symmetry classes and symmetric spaces that led to a classification scheme dubbed the “Tenfold Way”. Perhaps surprisingly, the same scheme has turned out to organize also the world of topological insulators.
Let me begin by expressing that I feel greatly honored to be this year’s recipient of the Max-Planck medal, and I appreciate the opportunity to give a talk on some of the work that may have earned me this distinction. To set the stage and give you a flavor of what is to come, let me remind you of the old but still fascinating story of universal conductance fluctuations (UCF). Predicted theoretically in the middle of the 1980s by Altshuler [1] and by Lee and Stone [2], UCF was investigated in a large number of experiments. It was found that in a great variety of different mesoscopic systems − such as a small gold ring for example, or an even smaller silicon MOSFET − the electrical conductance displays characteristic fluctuations of the order of one when expressed in units of the conductance quantum e2/h (Fig. 1). What is most remarkable is that the size of the fluctuations in a broad range of parameters does not depend on the system dimension, the disorder strength, etc., but only on a few fundamental symmetries.
It was realized early on that there exists a close connection with the fluctuations that had been observed decades earlier in the scattering cross section of slow neutrons on atomic nuclei. This far reaching connection is at the very root of what I have to say. It led, among other things, to the development of a broad framework in which to model and calculate mesoscopic effects such as UCF. ...
Trifft ein Myon ein Proton …
„To understand hydrogen is to understand all of physics“ (Victor Weisskopf)
Wie misst man den Radius eines Protons? Vielleicht liegt es nicht auf der Hand, aber die Laserspektroskopie ist inzwischen so präzise, dass sich aus dem Vergleich von gemessener und berechneter 2S-2P-Aufspaltung in Wasserstoff der Protonenradius ableiten lässt. Noch viel genauer sollte dies möglich sein, wenn ein Myon den Platz des Elektrons einnimmt. Doch siehe da: Zwischen beiden Messwerten klafft eine Lücke, die sieben experimentellen Fehlerbalken entspricht. Noch zeichnet sich keine Lösung für dieses „proton radius puzzle“ ab.
Der Wunsch, das Anregungsspektrum des Wasserstoffatoms (H) zu verstehen, war schon immer eine der treibenden Kräfte der Physik. Dies liegt vor allem an seiner wunderbaren Einfachheit: Da es nur aus Proton und Elektron besteht, sind sehr präzise theoretische Vorhersagen möglich, wobei Diskrepanzen zwischen Theorie und Experiment auf bisher unverstandene Effekte hinweisen können. So war die Vermessung der Emissionslinien im sichtbaren Licht (Balmer-Serie) essenziell für die Entwicklung des Bohrschen Atommodells und der Quantenmechanik. Präzisere Experimente zeigten jedoch bereits 1891 eine Dublettstruktur der ersten Balmer-Linie: die Aufspaltung des 2P-Zustands in 2P1/2 und 2P3/2 . Diese lässt sich mit dem Spin des Elektrons verstehen und beschreiben, der sich zwangsläufig aus der Dirac-Gleichung ergibt, der relativistischen Erweiterung der Quantenmechanik. Im Jahre 1947 zeigten jedoch Willis Lamb und Robert Retherford, dass die Wasserstoff-Niveaus 2S1/2 und 2P1/2 entgegen der Vorhersage der Dirac-Theorie nicht entartet sind. Diese Lamb-Verschiebung beträgt etwa 1 GHz. Hans Bethe erklärte diese Messung kurz darauf durch Effekte der Quantenelektrodynamik (QED).
In den letzten 40 Jahren hat es die Laserspektroskopie erlaubt, die Übergangsenergien zwischen verschiedenen Niveaus immer genauer zu messen. So ist heute die Übergangsenergie zwischen dem 1S-Grundzustand und dem metastabilen 2S-Zustand mit einer Genauigkeit von 4 · 10–15 bekannt; bei anderen Übergängen, wie 2S → 8S, 2S → 8D usw., beträgt die Unsicherheit ca. 10–11. Gleichzeitig wurden die Rechnungen immer genauer [4], sodass sich die QED präziser testen lässt. ...
Einzeln oder gepaart?
Elektronen bilden im supraleitenden Zustand Cooper-Paare. Kleinste magnetische Störstellen können die paarende Wechselwirkung lokal reduzieren und vollkommen zerstören.
Supraleitung und Magnetismus sind Phänomene, die nicht gleichzeitig im selben Material existieren können: Schwache Magnetfelder werden aus dem Inneren des Supraleiters verdrängt, während starke Magnetfelder die Supraleitung zerstören. Mitunter kommt der abschirmende Kondo-Effekt hinzu. Doch unter welchen Bedingungen kann er die Cooper-Paare vor dem Aufbrechen schützen?
Zwei spektakuläre Eigenschaften beschreiben das Phänomen der Supraleitung: Der elektrische Widerstand fällt unterhalb einer charakteristischen Sprungtemperatur plötzlich ab. Diesen widerstandslosen Stromtransport, der breite technologische Anwendung findet, entdeckte Heike Kammerlingh Onnes 1911 beim Abkühlen von Quecksilber. Die zweite faszinierende Eigenschaft ist der Meißner-Ochsenfeld-Effekt, der sich z. B. darin zeigt, dass ein Magnet über einem Supraleiter schwebt. Grund dafür ist, dass ein solcher Supraleiter ein perfekter Diamagnet ist, der das Magnetfeld komplett aus seinem Inneren verdrängt. Ist jedoch die Stärke des äußeren Magnetfelds zu hoch, so reicht der Meißner-Ochsenfeld-Effekt nicht aus, um das Magnetfeld im Supraleiter abzuschirmen. In der Folge bricht der supraleitende Zustand zusammen. Diese Eigenschaften zeigen, dass die Phänomene Supraleitung und Magnetismus offenbar nicht gleichzeitig im selben Material auftreten können. Trotz der spannenden Entdeckung von exotischen Supraleitern, in denen magnetische Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle spielen, beschränken wir uns hier auf die herkömmlichen Typ-I-Supraleiter.
Gemäß der atomistischen Erklärung der Supraleitung durch Bardeen, Cooper und Schrieffer (1957) schließen sich Elektronen zu Cooper-Paaren zusammen (BCS-Theorie), die völlig andere Eigenschaften als die ungepaarten Elektronen haben und für den widerstandslosen Fluss von Strom verantwortlich sind. Die Paare setzen sich aus Elektronen mit entgegengesetztem Spin und Impuls zusammen, deren Anziehung Schwingungen des Kristallgitters (Phononen) vermitteln. ...
Blitzschnelle Quantenbits
Wie sich Spins in Halbleiter-Quantenpunkten optisch kontrollieren lassen
Richard Feynman schlug bereits 1982 vor, einen Computer zu entwickeln, der quantenmechanischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Mittlerweile gibt es eine Fülle von Ansätzen, um die zentralen Bausteine eines Quantencomputers – Qubits – zu erzeugen und zu einer skalierbaren universellen Logik zu koppeln. Quantenpunkte, die jeweils mit einem Elektronspin beladen sind, könnten sich besonders eignen, denn sie versprechen eine lange Kohärenzzeit in Kombination mit optischer Kontrolle.
Das Quantenbit, kurz Qubit, ist der quantenmechanische Informationsträger. Der Hauptunterschied zum klassischen Bit besteht darin, dass es neben den Werten 0 oder 1 auch einen Superpositionszustand, also eine Linearkombination, dieser beiden Werte annehmen kann. Durch die quantenmechanische Verschränkung können unterschiedliche Qubits nichtlokal miteinander koppeln: Die Manipulation eines Qubits ändert dann unweigerlich den Zustand eines zweiten, damit verschränkten Qubits. Dies erlaubt es prinzipiell, eine große Anzahl von Rechenoperationen parallel durchzuführen – die eigentliche Stärke eines Quantenrechners.
Während des letzten Jahrzehnts sind enorme Fortschritte gelungen, um Systeme, die sich als Qubits eignen, zu identifizieren. Dazu zählen beispielsweise Polarisationszustände von Photonen, elektronische Übergänge in Atomen, Spinzustände von Kernen, Spins in Halbleiter-Quantenpunkten oder supraleitende Fluss-Qubits. All diese Systeme haben ihre Stärken und Schwächen, die anhand der Kriterien zu beurteilen sind, die ein quantenmechanisches System im Hinblick auf seine Eignung für die Quanteninformationsverarbeitung erfüllen soll. Zusammengefasst bedeutet das: langlebige Kohärenz, Initialisierbarkeit in einen wohldefinierten Anfangszustand, Skalierbarkeit, eine universelle Logik aus Ein- und Zwei-Qubit-Manipulationen und eine verlässliche Korrigier- und Auslesbarkeit. ...
Rauschen und Kohärenz
Welche Rolle spielen Quanteneffekte in der Biologie?
Während die klassische Physik biologische Systeme auf großen Zeit- und Längenskalen gut beschreibt, gelten auf der Ebene von Atomen und Molekülen die Gesetze der Quantenmechanik. Gibt es dazwischen einen Übergangsbereich, in dem biologische Prozesse kohärent ablaufen? Und ist diese Quantendynamik physiologisch relevant? Zeitaufgelöste Experimente an photosynthetischen Komplexen und eine Vielzahl theoretischer Arbeiten legen nahe, diese Fragen zu bejahen.
Selbstverständlich bestehen alle biologischen Systeme aus Atomen und Molekülen. Deren Eigenschaften, zum Beispiel die chemischen Bindungen, werden letztendlich durch die Quantenmechanik bestimmt. Die chemischen Bindungen und die daraus entstehenden Moleküle bilden aber zunächst einmal nur das Gerüst, auf dem diejenigen dynamische Prozesse ablaufen, die Leben ermöglichen. So findet auf unterschiedlichsten Längen- und Zeitskalen Transport von Elektronen, Protonen sowie Molekülen verschiedenster Größe statt, um damit das hochgradige Nichtgleichgewicht eines lebenden Organismus aufrechtzuerhalten.
Daher stellt sich die Frage, ob Quantenmechanik und Kohärenz, das heißt die Welleneigenschaften von Materie, die Dynamik von biologischen Systemen auf eine für die Physiologie wesentliche Weise prägen. Dies ist nicht selbstverständlich, denn biologische Systeme sind eingebettet in eine „warme und feuchte“ Umgebung, die wie jede unkontrollierte Wechselwirkung eines Quantensystems mit seiner Umgebung zu Dekohärenz führt. Dekohärenz zerstört die Welleneigenschaften eines Quantensystems, das sich daher immer mehr klassisch verhält. Auf hinreichend kurzen Zeit- und Längenskalen, wenn sich also die Dekohärenz durch die Umgebung noch nicht vollständig entfalten konnte, sollten jedoch die quantenmechanischen Eigenschaften dominieren. Damit stellt sich auch die Frage, auf welchen Zeit- und Längenskalen wir Quantendynamik in biologischen Systemen erwarten können und wenn ja, ob diese physiologisch relevant sind. Hat die Natur im Laufe der Evolution gar gelernt, das Wechselspiel zwischen Quantendynamik und der unvermeidlichen Dekohärenz für ihre Zwecke zu optimieren? Wurde dazu die Kohärenz verstärkt, oder hat es sich im Gegenteil als vorteilhaft erwiesen, Kohärenz und Quanteneigenschaften zu unterdrücken? ...
Vielfältige Fachdidaktik
In der Physikdidaktik gibt es viele Herausforderungen, z. B. Themen der modernen Physik für den Unterricht aufzubereiten oder die Gründe für Erfolg oder Abbruch im Physikstudium zu erforschen.
Die Aktivitäten der Physikdidaktik reichen von der fachbezogenen Entwicklungsforschung bis zur empirischen Lehr- und Lernforschung in Schule und Hochschule. In der Rolle als Vermittlungswissenschaft bilden heute auch die Wissenschaftskommunikation und -dokumentation sowie die öffentlichkeitswirksame Verbreitung aktueller Forschungsergebnisse Tätigkeitsfelder physikdidaktischer Arbeit. Dieser Beitrag soll exemplarisch Einblicke in aktuelle Projekte geben, die diese unterschiedlichen Aspekte illustrieren.
Die Kluft zwischen den Inhalten des Physikunterrichts – im Wesentlichen die klassische Physik des 17. bis 19. Jahrhunderts – und der äußerst vielschichtigen modernen Wissenschaft Physik vergrößert sich ständig. Dies führt auch dazu, dass das Bild der Physik, das in der Schule vermittelt und im Alltag oft als „die Physik“ verstanden wird, häufig nicht mehr zeitgemäß ist. Neue Forschungsansätze, deren Methoden und Ergebnisse sind selten Thema im Unterricht, obwohl beispielsweise Wissenschaftssendungen zeigen, dass durchaus ein großes Publikum an aktueller Forschung und physikalischen Phänomenen interessiert ist. Zudem belegen Studien wie TIMSS, dass moderne Physik im Untericht das Interesse am Fach Physik steigern kann.
Damit sich der Unterricht zukünftig nicht noch weiter von der aktuellen Physik abkoppelt, sind effektive Maßnahmen notwendig. Schon im Bereich der Mittelstufenphysik sollten Lehrkräfte ihren Schülern die Gelegenheit bieten, moderne Forschung kennenzulernen. Diese Bestrebungen sollten sich kontinuierlich bis zur Oberstufenphysik erstrecken. Insbesondere neue Informations- und Kommunikationstechnologien, die heute einen wesentlichen Anteil der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen ausmachen und für Lehr-Lernzwecke zunehmend an Bedeutung gewinnen, verfügen über didaktisch-methodisches Potenzial und bieten adäquate Zugänge zu aktueller Forschung. In der Sekundarstufe II gilt es, Interessen individuell zu stärken und im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit an ein naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtetes Studium zu schärfen. ...
Physik für helle Köpfe
Ein Projekt macht sich seit nunmehr acht Jahren optische Phänomene zunutze, um bei Grundschulkindern die Faszination für Physik zu wecken.
Das Projekt „Physik für helle Köpfe“ wirkt doppelt: Physikalische Phänomene faszinieren Schülerinnen und Schüler der Grundschule, und Gymnasiasten schlüpfen in die Rolle der Lehrkraft, indem sie die Grundschulkinder anleiten, ihnen bei den Experimenten zur Seite stehen und ihnen helfen, hinter die Geheimnisse der Physik zu blicken.
Im Jahr 2004 gestaltete die Raabeschule im Braunschweigischen Landesmuseum die Eröffnungsveranstaltung der Wanderausstellung „Faszination Licht“. Sie wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis für die beteiligten Schülerinnen und Schüler, ihre Lehrkräfte sowie die geladenen Gäste. Auch an der technisch aufwändigen Themenschau beteiligten sich Aktive der Raabeschule mit eigenen Projekten. Der Besuch von über 3500 Schülerinnen und Schülern machte deutlich, dass optische Phänomene eine große Faszination ausüben.
Diese Erkenntnis blieb uns beteiligten Lehrkräften nicht verborgen, und so entwickelten wir pünktlich zum Einstein-Jahr 2005 mit unseren Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft das Konzept für „Physik für helle Köpfe“. Die zentrale Idee bestand darin, dass die „Großen“ die „Kleinen“ unterrichten. Wir sahen die Chance, Grundschulkinder mit Experimenten aus der Welt des Lichts für Physik zu begeistern – und sollten Recht behalten. Schnell interessierten sich alle Grundschulen aus dem Umfeld dafür und wollten mitmachen. Über Lehrer-Workshops und die Präsentation bei verschiedenen Ausstellungen wurde das Projekt rasch landesweit bekannt und umgesetzt. Seit 2009 ist es Teil des bundesweiten Netzwerks „Expedition Licht“. Auch beim nunmehr achten Projektdurchgang an der Raabeschule hat das zentrale Konzept nichts an Reiz oder Wirksamkeit verloren. Ganz im Gegenteil: Niedersachsenweit bieten mittlerweile mehr als 80 weiterführende Schulen das Projekt an. Damit dürfte es jedes Jahr etwa tausend vierte Klassen erreichen.
Eines unserer Ziele von „Physik für helle Köpfe“ ist es, bei den Kindern eine positive Einstellung zur Physik zu wecken, indem wir ihnen Angebote zum selbstständigen Entdecken und Erforschen naturwissenschaftlicher Phänomene machen. Kinder im Grundschulalter sind besonders spontan und wollen alles ausprobieren, ihre Experimentierfreude ist daher schnell geweckt. Beim Arbeiten an Experimentierstationen lernen sie, Dinge zu hinterfragen, Hypothesen aufzustellen und spielerisch nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen. Durch ihre natürliche Motivation, ihre Alltagserfahrungen zu überprüfen und zu erforschen, werden sie zu Entdeckern. Ihre Neugier generiert immer neue Experimente. ...
Tiefere Einblicke
Die Flüssigkeitsbeatmung verringert Bildartefakte bei der optischen Kohärenztomographie und erlaubt somit tiefe Einblicke in das Lungengewebe.
Wie gestaltet man die maschinelle Beatmung so effektiv und schonend wie möglich, um Patienten den bestmöglichen Therapieerfolg zu ermöglichen? Die dafür nötigen Kenntnisse über die Eigenschaften des Lungengewebes können geeignete Bildgebungsmethoden liefern. Dabei verbessert die Flüssigkeitsbeatmung die Qualität der Bilddaten deutlich.
Der Austausch der Gase Sauerstoff und Kohlendioxid in den feinsten Verzweigungen der Lunge (Alveolen) ist entscheidend für unsere Atmung. Allerdings ist die Lunge ein empfindliches Organ. Daher können verschiedene Erkrankungen oder Verletzungen dazu führen, dass die Lunge ihre Funktion nur noch teilweise oder gar nicht mehr erfüllt, was innerhalb weniger Minuten zum Tod führt. Die einzige Überlebenschance bietet in dem Fall die künstliche Beatmung. Sie ist aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken, und zwar nicht nur als lebensrettende Sofortmaßnahme und während Operationen, sondern auch für die intensivmedizinische Langzeittherapie. Allerdings birgt die maschinelle Beatmung auch Gefahren, da sie mit Überdruck erfolgt und bereits geschädigtes Lungengewebe mechanisch belastet. Dadurch können weitere Schäden auftreten, die den Behandlungsverlauf negativ beeinflussen. Daher gilt es, schonendere Beatmungsstrategien zu entwickeln. Grundvoraussetzung dafür ist die detaillierte Kenntnis und das Verständnis der physikalischen und mechanischen Vorgänge in den Alveolen während der Beatmung.
Die Arbeitsgruppe Klinisches Sensoring und Monitoring an der TU Dresden führt Grundlagenforschung für medizinische Anwendungen durch und setzt dazu die optische Kohärenztomographie (OCT) für die Bildgebung ein. Herzstück dieser vergleichsweise jungen Technik ist ein Michelson-Interferometer, das es in Kombination mit nahinfrarotem Licht erlaubt, dreidimensionale Bilder von streuenden Proben zu gewinnen, z. B. von Gewebe. Da Wasser für Wellenlängen von rund 700 bis 1400 nm transparent ist („optisches Fenster“ von Wasser), dringt nahinfrarotes Licht etwa 2 mm ins Gewebe ein. Klinischen Einsatz am Menschen findet die OCT in der Augenheilkunde (Ophthalmologie) und der Dermatologie. Zudem ermöglicht sie eine berührungslose und wechselwirkungsfreie Darstellung alveolarer Strukturen des Lungengewebes mit einer Auflösung im µm-Bereich. Allerdings ist die Eindringtiefe in Gewebe bei der OCT verglichen mit anderen Verfahren (CT oder Ultraschall) nur gering, sodass ein direkter optischer Zugang zur Lungenoberfläche erforderlich ist. Aus diesem Grund ist die OCT nicht klinisch am Menschen einsetzbar, sondern nur im Rahmen von Tierstudien [2]. Bei Versuchen an Mäusen oder Ratten werden dazu Rippen und Muskelgewebe über der Lunge entfernt. Dieses rund 1 cm2 große Thoraxfenster wird mit einer transparenten Folie verschlossen, ein Katheter stellt den in der Lunge üblichen Unterdruck her. An dem so präparierten Tier ist nun unter fortlaufender Narkose die Lungenbildgebung möglich. ...
Frühjahrstagung
Strukturierter Stahl, kolloidale Kristalle
Highlights aus dem Programm der Sektion Kondensierte Materie (SKM)
Kalte Spiegel, heiße Spulen
Highlights aus dem Programm der Sektion Atome, Moleküle, Quantenoptik und Plasmen (SAMOP)
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
J. C. Cuevas und E. Scheer: Molecular Electronics: An Introduction to Theory and Experiment
DPG
Jahresbericht 2011
Jahresbericht des Vorstands und der Geschäftsführung zu Aufgaben und Aktivitäten der DPG, aus dem Physikzentrum Bad Honnef und dem Magnus-Haus Berlin
Tagungen
From Ecological Webs to Smart Energy Grids: Efficient Organization in Complex Networks
507. WE-Heraeus-Seminar
Microelectronics for Society – More than Moore expands More Moore
WE-Heraeus-Physikschule