Aus der geöffneten Kuppel des LIDAR-Experiments auf dem Schneefernerhaus schießt ein Laserstrahl in den Nachthimmel. Zur Illustration wurde dieses Foto mit einem grünen Laser aufgenommen und nachbearbeitet. (vgl. S. 23, Bild: Christophmalin.com)
Physik Journal 10 / 2013
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
High-Tech
Im Brennpunkt
Spins an der Kette
Das 80 Jahre alte Modell einer Quantenspin-Kette wurde experimentell sehr präzise verifiziert.
Beamen in der Koaxialleitung
In einem integrierten Schaltkreis aus supraleitenden Bauelementen ist die Quanten-Teleportation gelungen.
Forum
Forschung mit Fernblick
Unterhalb des Zugspitzgipfels bietet das Schneefernerhaus hervorragende Bedingungen für die Klima- und Umweltforschung.
Auf Deutschlands höchstem Berg drängeln sich wie an jedem schönen Tag die Touristen aus der ganzen Welt und bestaunen das großartige Panorama, das von den Voralpen bis zu den schneebedeckten Tiroler und Schweizer Bergen reicht. Aber mein Ziel ist nicht der Gipfel. Mit einer Seilbahn fahre ich in wenigen Minuten hinunter zur Station Sonnalpin unweit der kärglichen Reste des größten deutschen Gletschers. Im Winter tummeln sich hier die Skifahrer, aber im Sommer geht es ruhig zu. Hannes Vogelmann, mit dem ich verabredet bin, fordert routiniert eine dritte Seilbahn an, die uns zum Ziel bringt: zur Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Der mehrstöckige und verschachtelte Gebäudekomplex „klebt“ mitten in einem Südhang, 2650 Meter über dem Meeresspiegel und 300 Meter unter der Zugspitze. „Heute käme kein Bauplaner mehr auf die Idee, so ein Gebäude mitten in den steinschlag- und lawinengefährdeten Hang zu setzen“, sagt der 43-jährige Physiker.
Mit dem Ziel, die Zugspitze für Touristen zu erschließen, wurde Ende der 1920er-Jahre ein über vier Kilometer langer Stollen durch das Bergmassiv getrieben für eine Zahnradbahn, die noch heute in Betrieb ist. An ihrer Endstation eröffnete 1930 das Luxushotel Schneefernerhaus, dessen Betrieb nach einer jahrzehntelangen und wechselvollen Geschichte Anfang der 1990er-Jahre endgültig eingestellt wurde. Bayern und der Bund nutzten damals die Gunst der Stunde und investierten mehrere Millionen in den Umbau zur Forschungsstation, in der heute mehrere Institutionen, darunter das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Helmholtz-Zentrum München und das Umweltbundesamt, langfristig angelegte Forschungs- und Beobachtungsprogramme durchführen.
Hannes Vogelmann nutzt diese Möglichkeiten, um die Konzentration von Wasserdampf in Höhen zwischen drei und zwölf Kilometer zu messen. Wasser macht zwei Drittel des gesamten Treibhauseffekts aus und verweilt im Mittel nur wenige Tage in der Atmosphäre, in der es in allen drei Aggregatzuständen vorkommt. „Dies führt zu einer hohen Dynamik, die schwer zu erfassen ist“, erklärt er. In seinem Labor in der obersten Etage angekommen, betätigt er diverse Schalter, läuft um den optischen Tisch mit einem komplizierten Aufbau herum und öffnet eine Beobachtungskuppel. Während die Apparatur warmläuft, erklärt er, wie er mit einem Nd:YAG-Laser und nichtlinearen Kristallen Lichtpulse mit zwei leicht unterschiedlichen Frequenzen erzeugt. Ein Ti:Saphir-Kristall, den Blitzlampen pumpen, verstärkt die wenige Nanosekunden kurzen Pulse. „Dieser Ti:Saphir-Laser ist eine Gewaltmaschine“, sagt Vogelmann, „wir haben schon eine Pulsenergie von 250 mJ erreicht, was für einen abstimmbaren Einmodenlaser wohl Weltrekord ist“. Er illustriert diese „Gewalt“ eindrucksvoll, indem er den unsichtbaren Infrarotpuls mit einer Linse auf ein Stück Metall fokussiert. Im Takt der Entladungen entstehen kleine Blitze – sogar in der Luft, als er das Metall entfernt. Die Energie dafür liefert ein 30 000-Volt-Netzteil, in dem anfangs wegen der dünnen Luft massiv Probleme mit Überschlägen auftraten. Doch heute knattert das Netzteil zuverlässig vor sich hin. Inzwischen wäre die Apparatur auch messbereit, aber draußen ist Nebel aufgezogen, sodass es heute nichts wird mit der Messung. ...
Überblick
Lebendiges Nichtgleichgewicht
Unter welchen physikalischen Randbedingungen kann Leben entstehen?
Leben entwickelt sich durch Replikation und Selektion. Um zu verstehen, wie Materie überhaupt lebendig werden kann, bilden Physiker geologische Nichtgleichgewichte in mikroskopischen Experimenten nach. Wie können sich Nanomaschinen fern vom Gleichgewicht selbst kopieren? Bei welchen Bedingungen setzen sich komplexere Moleküle gegen einfachere durch? Die Suche nach dem Anfang der Evolution birgt allerlei Überraschungen und viel interessante Nichtgleichgewichtsphysik.
Während noch vor einiger Zeit die Physik als Wissenschaft der unbelebten Materie galt, ist heute die Abgrenzung zu Biologie, Biochemie und Medizin fließend. Die Physik lebender Systeme wird in der Biophysik mit sehr vielfältigen experimentellen und theoretischen Ansätzen untersucht. Diese Kompetenzerweiterung der Physik spiegelt sich auch in einem aufstrebenden Forschungsfeld wider, das ergründen will, wie die Transformation von unbelebter in belebte Materie vor etwa vier Milliarden Jahren möglich war. Physiker können auf diese Frage durch ihre fundamentale Sichtweise in einem sehr interdisziplinärem Umfeld entscheidende Beiträge leisten.
Erstaunlicherweise wurde noch im 19. Jahrhundert kaum über den Ursprung des Lebens geforscht. Denn die Antwort schien klar: Durch spontane Kreation entsteht Leben immerfort aus Humus – so die Theorie. Eine nicht ganz einfach zu widerlegende Hypothese, wenn man bedenkt, wie lebendig zum Beispiel bei Stromausfall der Inhalt eines Kühlschranks werden kann. Erst Pasteur konnte nachweisen, dass Lebewesen nicht permanent neu aus Erde entstehen.
Seither wich die Wissenschaft dieser Frage aus oder konnte bestenfalls einzelne Teilaspekte beschreiben. Die Entwicklung moderner biologischer Techniken erlaubt es inzwischen, Hypothesen über den Ursprung des Lebens im Experiment detailliert zu untersuchen. Im Folgenden diskutieren wir Nichtgleichgewichtszustände und analysieren Experimente, die letztlich die Kernfrage der synthetischen Biologie betreffen: Können wir Leben im Labor synthetisch entstehen lassen? ...
Optik mit verschränkten Atomen
Ultrakalte Atome lassen sich durch Stöße miteinander verschränken und dann für die Interferometrie nutzen.
Seit über dreißig Jahren gelingt es, verschränkte Photonen im Labor herzustellen. Dabei wird die Polarisation zweier Photonen so gekoppelt, dass erst die Messung an einem Photon die Polarisation des anderen festlegt. Mit der Spindynamik in ultrakalten Atomen steht nun ein Prozess zur Verfügung, mit dem sich auf analoge Weise verschränkte Atome herstellen und erste Schritte auf dem Gebiet der nichtklassischen Atomoptik unternehmen lassen.
Albert Abraham Michelson suchte 1882 nach einer Methode, um Laufzeitunterschiede zwischen zwei Lichtstrahlen zu detektieren, die sich parallel und orthogonal zur Erdbewegung um die Sonne ausbreiten. Er überlagerte hierzu die beiden Lichtstrahlen und brachte sie zur Interferenz, sodass Laufzeitunterschiede – wenn vorhanden – die Interferenzstruktur messbar verändern würden. Mit diesem ersten Lichtinterferometer gelang ihm das spektakuläre Michelson-Morley-Experiment, das die Existenz eines Äthers ausschloss und sich erst mit der Relativitätstheorie vollständig verstehen ließ. Heute wird eine Vielzahl physikalischer Messgrößen durch interferometrische Methoden mit höchster Genauigkeit erfasst.
Dabei beschränkt sich die Präzisionsinterferometrie nicht auf die Überlagerung von Lichtwellen, sondern schließt auch massive Teilchen ein. So beruhen zum Beispiel moderne Atomuhren zur Definition der Sekunde darauf, charakteristische Oszillationen in Cäsium-Atomen zu vermessen. Cäsium besitzt nur ein Valenzelektron, dessen Spin sich durch Mikrowellenstrahlung beliebig im Raum ausrichten lässt. Dabei führt die Hyperfeinwechselwirkung im Atom zu einem Energieunterschied zwischen den Zuständen mit parallelem (nach oben) bzw. antiparallelem Elektronenspin (nach unten) in Relation zum Spin des Atomkerns. In Atomuhren werden die Spins der Atome zunächst alle parallel zum Kernspin ausgerichtet und dann in die Horizontale gedreht: Auf dem Äquator führt der Spin jetzt eine charakteristische Rotation um die Jz-Achse aus, wobei der Drehwinkel θ linear mit der Zeit zunimmt (θ = ΔEHFS t/). Deshalb entspricht diese Rotation der Bewegung eines Uhrenpendels. Zur Vermessung des Drehwinkels wird der Spin der Atome nochmals rotiert, sodass sich die gesamte Interferometersequenz auch als eine einzige Rotation um die Jy-Achse beschreiben lässt. Ohne charakteristische Rotation enden die Atome im Anfangszustand. Je größer der Drehwinkel, desto weiter wird der Endzustand rotiert. ...
Geschichte
Die Affäre Pontecorvo
Die ungewöhnliche Karriere des italienischen Kernphysikers
Der Kalte Krieg wirkte sich auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs auf die Karrieren zahlreicher Wissenschaftler aus. Dazu gehört auch Bruno Pontecorvo (1913 – 1993), der 1950 verschwand und erst fünf Jahre später in der Sowjetunion wieder auftauchte. Dieser Teil seiner Lebensgeschichte ist bis heute ein Rätsel geblieben, auf das mittlerweile freigegebene Dokumente jedoch neues Licht werfen.
Bruno Pontecorvo war der erste Wissenschaftler, der in die Sowjetunion floh, nachdem er an geheimen Arbeiten im Rahmen der alliierten Kriegsanstrengungen während des Zweiten Weltkriegs teilgenommen hatte. Im September 1950 verschwand er während einer Finnlandreise mitsamt seiner Frau und den drei Söhnen. Erst fünf Jahre später tauchte er in Moskau bei einer Pressekonferenz aus der Versenkung auf. Dort erklärte er, dass er Großbritannien, wo er zuvor gearbeitet hatte, verlassen habe, weil ihn die militärische Nutzung der Kernforschung im Westen beschämte. Daher drängte Pontecorvo seine ehemaligen Kollegen, sich mit ihm gemeinsam der pazifistischen Sache zu verschreiben. Doch über seine heimlichen Reisen verriet er so gut wie nichts, auch nicht darüber, woran genau er während der ersten fünf Jahren in der Sowjetunion gearbeitet hatte. Wer war dieser Physiker wirklich, und was bewegte ihn zu seiner überstürzten Flucht?
Bruno Pontecorvo, der am 22. August 1913 in Pisa geboren wurde, entstammte einer wohlhabenden Familie jüdischer Herkunft. Bereits 1928 begann er ein Ingenieursstudium in Pisa, entschloss sich aber 1930, nach Rom zu ziehen. Ihn lockte die Aussicht, bei einem dort sehr erfolgreichen Professor zu studieren: Enrico Fermi. Mit diesem Wunsch war Pontecorvo nicht allein: Andere ehrgeizige Jungwissenschaftler hatten bereits ähnliches unternommen. Fermis früherer Mitschüler Franco Rasetti sowie seine Kollegen Edoardo Amaldi und Emilio Segrè bildeten eine kleine Forschungsgruppe am Physikalischen Institut in Rom. Dessen Direktor, Senator Orso Corbino, hatte ausreichend Durchsetzungsvermögen, ihnen trotz des politischen Aufruhrs infolge des Aufstiegs des Faschismus ein effektives Arbeiten zu ermöglichen.
Fermi und seine Mitarbeiter erzielten weitreichende Forschungsergebnisse, die unser Wissen über Atome und deren Kerne entscheidend wandeln sollten. 1932 nahm die Gruppe, die ihr Labor in der Via Panisperna, einer Gasse in der Nähe des Kolosseums, hatte, das Problem künstlicher Radioaktivität in Angriff. Die ehrgeizigen Jungphysiker hatten da Erfolg, wo ihre Konkurrenten gescheitert waren: Sie erzeugten radioaktive Substanzen, indem sie mehrere chemische Elemente mit Neutronen bombardierten. Das hatten bis dahin nur wenige Forscher versucht, etwa in Cambridge und Paris. ...
Lehre
Teilchen im Klassensatz
Wie lassen sich moderne Erkenntnisse über die Welt der kleinsten Teilchen in den Schulunterricht integrieren?
Bisher kommt die Teilchenphysik im Schulunterricht oft nur am Rande vor. Dabei ist das Thema faszinierend und gut geeignet, um aktuelle wissenschaftliche Arbeitsmethoden und die Bedeutung von Grundlagenforschung zu vermitteln. Das Netzwerk Teilchenwelt bietet didaktische Materialien an, um Jugendlichen wichtige Konzepte der Teilchenphysik näherzubringen.
Nur in wenigen Bundesländern ist die Teilchenphysik im Lehrplan der Sekundarstufe II vorgesehen. Unanschauliche Konzepte, fehlender Alltagsbezug und die ständig fortschreitenden Erkenntnisse machen es Lehrkräften nicht leicht, das Thema in den Unterricht zu integrieren. Doch ein grundlegender Einblick in die Teilchenphysik ist in der Schule gut möglich und wünschenswert für einen modernen Physikunterricht, der ein aktuelles Weltbild vermittelt.
Fragen der Teilchenphysik bergen eine große Faszination und werden immer wieder in den Medien aufgegriffen, zuletzt insbesondere durch den Nachweis des Higgs-Bosons. Schon grundlegende Kenntnisse der Teilchenphysik unterstützen Jugendliche dabei, Medienberichte einzuordnen und die Bedeutung von Grundlagenforschung als Kulturgut einzuschätzen. Außerdem eignet sich das Thema gut, um Jugendlichen einen Eindruck zu geben, wie das Wechselspiel von Theorie und experimenteller Überprüfung in der heutigen Wissenschaft funktioniert.Das Netzwerk Teilchenwelt, ein Zusammenschluss von 24 Teilchenphysik-Instituten und dem CERN, bietet didaktische Materialien zur Teilchenphysik an, von denen wir hier einige vorstellen.
In der Sekundarstufe I begegnet Schülern das klassische Teilchenmodell. Es erklärt qualitativ, wie Aggregatzustände, Wärmeleitung, Luftdruck und andere Phänomene zustande kommen, ermöglicht aber keine konkreten Voraussagen. Klassische Teilchen werden in Kugelgestalt veranschaulicht und haben eine definierte Bahnkurve. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Tagungen
Light at the Nanotip: Near-field Optical Microscopy and Spectroscopy
538. WE-Heraeus-Seminar
Physics of Ionized and Ion-Assisted Physical Vapour Deposition: Principles and Current Trends
537. WE-Heraeus-Seminar
Micro- and nanostructured interfaces for biological and medical research
539. WE-Heraeus-Seminar
Modern Concepts of Continuous Wave and Pulsed High Power Lasers
540. WE-Heraeus-Seminar
Transport through Nanopores: From Understanding to Engineering
541. WE-Heraeus-Seminar