Bilden ein stark angeregtes Rydberg-Atom und ein nicht angeregtes Atom ein Molekül, dann erinnert dessen Ladungsverteilung an ein urzeitliches Tierchen, einen Trilobiten. (vgl. S. 47)
Physik Journal 9 / 2015
Meinung
Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Im Brennpunkt
Selten und neu?
Die Experimente CMS und LHCb entdecken einen seltenen Zerfall von B-Mesonen.
Dekohärenz mit Einstein?
Das Einsteinsche Gravitationsfeld kann zu neuen, von Newtons Theorie nicht erfassten Kopplungen von Freiheitsgraden führen, die quantenmechanisch neue Kanäle für Dephasierungen öffnen.
Vorwarnung möglich?
Methoden der Chaosforschung deuten darauf hin, dass sich Monsterwellen prinzipiell vorhersagen lassen.
Forum
„Immer wieder gewöhnungsbedürftig“
Interview mit dem scheidenden Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft Jürgen Mlynek
Länger als alle seine Vorgänger stand der Physiker Jürgen Mlynek an der Spitze der 1995 gegründeten Helmholtz-Gemeinschaft. Nach zwei Amtszeiten und zehn Jahren schied er Ende August aus dem Amt.
Wie sähe die deutsche Wissenschaftslandschaft heute aus, gäbe es die Helmholtz-Gemeinschaft nicht?
Die Helmholtz-Gemeinschaft nimmt die forschungspolitischen Interessen des Bundes wahr nach dem Motto „Groß denken und groß handeln“. Sie bearbeitet große Themenfelder wie Energie, Umwelt und Gesundheit und stellt Forschungsinfrastrukturen für die eigene Forschung bereit sowie für die scientific community. Keine andere deutsche Wissenschaftsorganisation leistet das in vergleichbarer Weise. Wenn es Helmholtz nicht gäbe, müsste man uns erfinden.
Wie erklären Sie Ihren ausländischen Kollegen, dass das deutsche Wissenschaftssystem so untergliedert ist?
Das System ist ausgesprochen komplementär aufgestellt. Helmholtz arbeitet strategisch programmatisch. Die Universitäten bieten Forschung, Lehre und Innovation unter einem Dach an. Die Max-Planck-Gesellschaft hält die Kreativität des Einzelnen hoch, bei hervorragenden Arbeitsbedingungen und frei von der Lehre. Die Fraunhofer-Gesellschaft arbeitet anwendungsbezogen und trägt entscheidend zur Innovationskraft gerade auch des Mittelstandes bei. Die schwierigste Rolle hat wohl die Leibniz-Gemeinschaft aufgrund ihrer thematischen Breite und der unterschiedlichen Größe der Einrichtungen. Wir haben also verschiedene Spieler im System, die unterschiedliche Aspekte wunderbar abdecken. ...
Bildung - Beruf
Weiter auf hohem Niveau
Statistiken zum Physikstudium an den Universitäten in Deutschland 2015
Im dritten Jahr in Folge haben sich 15 000 Personen neu für ein Physikstudium eingeschrieben. Dies spricht für die außerordentliche Attraktivität der grundständigen Physikstudiengänge. Aber auch die Physikmasterstudiengänge sind überaus beliebt: In den letzten drei Jahren überstieg die Zahl der Mastereinschreibungen die der Bachelorabschlüsse um 10 Prozent.
Die Studierendenstatistik der Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) basiert auf Daten von allen 59 Physikfachbereichen an deutschen Universitäten. Zum ersten Mal erfasst sind dieses Jahr die Physikstudiengänge der Universität Koblenz-Landau, die neu in die KFP aufgenommen wurde. Der Datensatz zu den Fachstudiengängen ist bis auf wenige Details, etwa bei Studiendauer oder Notendurchschnitt, vollständig. Bei den Lehramtsstudiengängen sind, wie jedes Jahr, kleinere Lücken zu verzeichnen, weil nicht alle Fachbereiche die Absolventenzahlen zuverlässig ermitteln können.
Insgesamt bieten die 59 Fachbereiche gut 340 Physikstudiengänge an. 140 davon sind Lehramtsstudiengänge, wobei die Vielgliedrigkeit des deutschen Schulsystems auch eine Vielfalt an verschiedenen Lehramtsstudiengängen nach sich zieht. Vergleiche oder zusammenfassende Statistiken sind deshalb in diesem Bereich mit Vorsicht zu betrachten.
Von den etwa 200 Fachstudiengängen führen rund 90 zu einem Bachelor- und 110 zu einem Masterabschluss. Die KFP-Statistik unterscheidet dabei jeweils nach „Fachstudiengängen Physik“ und „Fachstudiengängen mit Schwerpunkt Physik“. Die Fachstudiengänge Physik folgen – vor allem im Bachelorbereich – überall einem vergleichbaren Curriculum, das sich an einer entsprechenden Empfehlung der KFP ausrichtet. Die Studiengänge mit Schwerpunkt Physik dagegen unterscheiden sich stärker; sie stellen interdisziplinäre Bezüge her oder fokussieren auf bestimmte physikalische Themengebiete. Zum Studieneinstieg bevorzugt eine überwältigende Mehrheit von 95 % der Bachelorstudierenden den Fachstudiengang Physik. In der Masterphase wählen immerhin 15 % der Fachstudierenden einen spezielleren Schwerpunktstudiengang. ...
Preisträger
Das Profil des Higgs-Bosons
Im Juli 2012 gaben die Experimente ATLAS und CMS die Entdeckung des Higgs-Bosons bekannt. Was wissen wir heute über die Eigenschaften dieses Teilchens?
Während der vergangenen Jahre haben Physiker der beiden Experimente ATLAS und CMS am Large Hadron Collider (LHC) den kompletten zwischen 2010 und 2012 aufgezeichneten Datensatz ausgewertet. Dies ermöglichte es, wichtige Eigenschaften des Higgs-Bosons zu bestimmen und ihre Übereinstimmung mit den Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik zu überprüfen. Passt das neue Teilchen in das Standardmodell oder zeigt es exotische, abweichende Eigenschaften? So sagen Erweiterungen z. B. nicht-elementare, zusammengesetzte oder zusätzliche Higgs-Bosonen vorher.
Das Standardmodell der Teilchenphysik enthält Quarks und Leptonen als fundamentale Fermionen mit Spin 1/2. Sie bilden die Bausteine der Materie. Wechselwirkungen zwischen ihnen werden durch den Austausch von Bosonen mit Spin 1, so genannten Vektorbosonen, vermittelt. Diese ebenfalls elementaren Teilchen sind das Photon für die elektromagnetische Wechselwirkung, die W- und Z-Bosonen für die schwache Wechselwirkung und Gluonen für die starke Wechselwirkung. Um die experimentell beobachteten Massen der W- und Z-Bosonen zu erklären, enthält das Standardmodell einen in den 1960er-Jahren von Brout, Englert und Higgs sowie von Guralnik, Hagen und Kibble etablierten Mechanismus [1]. Er geht von der Existenz eines skalaren Feldes aus, des Higgs-Feldes, welches das gesamte Vakuum durchdringt. Die Massen der W- und Z-Bosonen sowie der Fermionen ergeben sich durch ihre Wechselwirkung mit diesem Feld. Mit der Existenz des skalaren Feldes ist ein Teilchen mit Spin 0, das Higgs-Boson, verbunden. Der Brout-Englert-Higgs-Mechanismus bildet einen zentralen Stützpfeiler des Standardmodells, da er theoretisch konsistent erklärt, wie Elementarteilchen ihre Masse erhalten. Daher beschäftigte die Suche nach diesem Teilchen über Dekaden die Teilchenphysik, und seine Entdeckung im Jahr 2012 war ein Meilenstein [2].
Die Analyse der gesamten von den Detektoren ATLAS und CMS aufgezeichneten Daten (Abb. 1, 2) ermöglichte es, das „Profil“ des neuen Bosons bereits überraschend gut zu bestimmen. Dazu haben auf experimenteller Seite neben der großen Datenmenge auch verbesserte Analysemethoden und eine verbesserte Kalibration der Detektoren beigetragen. Darüber hinaus sind präzise Berechnungen, z. B. der Produktionsraten, für den Vergleich mit den Vorhersagen des Standardmodells wichtig. ...
The Quantum Universe
Quantum fluctuations played a crucial role in the formation of the structure of our universe.
On March 21, 2013 something very remarkable happened. The Planck science team released a highly precise photograph of our universe when it was only few hundred thousand years old. This photograph is so detailed that it shows some major features that the universe acquired only 10–35 seconds after creation. Most strikingly, the observed nontrivial features in the portrait of such a young universe came in exact agreement with what had been predicted by the theorists more than thirty years ago, long before the experiment was carried out. Without any exaggeration one can say that by now it is experimentally proven that quantum physics, which is normally considered to be relevant in atomic and smaller scales, also played the crucial role in determining the structure of the whole universe, including the galaxies, stars and planets.
Of course scientists and philosophers have always been interested in the origin of our universe. However, cosmology only became a natural science less than a hundred years ago. It was not until 1923 that the American astronomer Edwin Hubble was able to resolve individual stars in the Andromeda Nebula and to conclude that for sure it is located outside of our own galaxy. This was the beginning of extragalactic astronomy. Today it is well established that there are about a hundred billion galaxies in our universe. Thus, the stars form galaxies with a size of about a hundred thousand light years. Moreover, the distance between neighboring galaxies is a few million light years. Observing the spectral lines of the galaxies, Hubble discovered that they are slightly redshifted. He interpreted this as a Doppler shift due to the relative motion of the other galaxies, which try to escape from us. Hubble also found that the spectral lines of galaxies further away show higher redshift. This means that they are escaping with higher velocities, proportional to the distance (v→ = H r→) and thus the universe expands. This discovery was the beginning of scientific cosmology.
With Hubble’s discovery it became clear that our universe is evolving as a whole. This did not come as a big surprise! In 1922 the Russian physicist Alexander Friedman had found that the generic solutions of the Einstein’s equations describe either an expanding or a contracting Universe. Assuming that the total mass of the universe is about a hundred billion times larger than the mass of our galaxy, Friedman was even able to conclude that the universe must be about 10 billion years old. Thus, Hubble’s discovery can be considered as a brilliant confirmation of the theoretical prediction by Friedman. The most important conclusion from Hubble’s discovery was that the universe was created about several billions years ago. This extremely important discovery remained for many years the single experimentally established fact in cosmology. Only after more than thirty years the other piece of the puzzle was discovered. ...
Neue Beziehungskisten für Riesenatome
Eine ultrakalte Liaison stemmt sich gegen die Lehrmeinung.
Lehrbücher der physikalischen Chemie teilen die möglichen Bindungstypen zwischen atomaren Partnern in drei Typen ein: ionische, kovalente und Van-der-Waals-Bindung. Dieser Liste ist ein neuer Bindungstyp hinzuzufügen, bei dem das Elektron eines Rydberg-Atoms die Bindung eines Neutralatoms vermittelt. Das entstehende Riesenmolekül weist ungewöhnliche Eigenschaften auf und ähnelt einem eingefrorenen klassischen Objekt mit permanentem Dipolmoment.
In Atomen vollführen Elektronen einen Quantentanz um den Kern und entfernen sich dabei von diesem um etwa 0,1 Nanometer. Wird ein Elektron dabei zum Beispiel von einem Photon oder einem anderen Teilchen „gekickt“, geht es in einen angeregten Zustand über und verbringt bis zu seinem Zerfall eine kurze Zeit in einem etwas größeren Abstand. Bekommt es zu viel Energie, kann es das Coulomb-Potential des Kerns verlassen, und das Atom wird ionisiert. Eine knapp unterhalb der Ionisationsschwelle dosierte Energie kann das Elektron auf eine sehr weite Umlaufbahn um den Kern schicken. Die diskreten Quantenzustände dort sind die so genannten Rydberg-Zustände. Die dazugehörenden Elektronenorbitale sind im Wasserstoff durch die Hauptquantenzahl n, den Drehimpuls l und die Orientierung m charakterisiert.
Die Rydberg-Orbitale wachsen mit n2 und können bei n = 100 einen Radius von einem Mikrometer erreichen. Da diese Elektronen nur noch sehr schwach gebunden sind, ergeben sich weitere extreme Eigenschaften. Ein Orbital, welches ohne äußeres elektrisches Feld seinen Ladungsschwerpunkt am Kernort hat, kann durch ein solches Feld sehr leicht polarisiert werden. Die Polarisierbarkeit steigt mit n7 an. Die maximale Ladungstrennung zwischen Elektron und Kern kann ungefähr die Größe des Orbitals erreichen. Damit skalieren die Dipolmomente also auch mit n2. Diese Eigenschaft macht Rydberg-Atome zu hochsensiblen Antennen. In der Quantenoptik, wo man die Licht-Materie-Wechselwirkung zwischen einzelnen Photonen und Atomen studiert, wurden sie deshalb für Pionierarbeiten zur Beobachtung von Lichtzuständen eingesetzt, für die es 2012 den Nobelpreis gab [1]. Extrem stark ist auch die Van-der-Waals-Wechselwirkung zwischen zwei Rydberg-Atomen: Sie skaliert mit n11! Wie weit lässt sich die Hauptquantenzahl hochschrauben? ...
Der Himmel in neuem Licht
Hochenergie-Gamma-Astronomie mit den H.E.S.S.-Teleskopen
Fünf mächtige Spiegelteleskope zeigen im Hochland von Namibia gen Himmel, um hochenergetische Gammaquanten zu registrieren, die von nichtthermischen Quellen aus dem Universum stammen. Die Gamma-Himmelskarten enthüllen eine Vielzahl kosmischer Teilchenbeschleuniger in und jenseits unserer Galaxis.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich für die Astronomie ein neues Wellenlängenfenster geöffnet: Mittels bodengebundener Teleskope lässt sich das Universum im Licht hochenergetischer Gammastrahlen bei Quantenenergien von Tera-Elektronenvolt (TeV, 1012 eV) beobachten – also bei einer Energie, die etwa tausend Milliarden Mal höher ist als die der Quanten des sichtbaren Lichts. Die erste Quelle solcher Strahlung wurde 1989 mit dem amerikanischen Whipple-Teleskop entdeckt: der Krebsnebel, Überrest der Supernova-Explosion von 1054 [1].
Gammastrahlung im Tera-Elektronenvolt-Bereich zeigt uns einen neuen Aspekt des Kosmos: das „nicht-thermische Universum“. Normales sichtbares Licht sowie die Strahlung in einem weiten Bereich des Spektrums elektromagnetischer Strahlung stammen von heißen Körpern im Universum. Die charakteristische Energie solcher Strahlung entspricht der Temperatur des strahlenden Körpers; so emittieren heiße blaue Sterne kurzwelligeres Licht als rote Sterne. Im Universum sind keine Objekte denkbar, die heiß genug wären, um direkt Hochenergie-Gammastrahlung zu emittieren. Stattdessen nimmt man an, dass die Strahlung in und um kosmische Teilchenbeschleuniger entsteht, die Elementarteilchen auf extrem hohe Energien beschleunigen – weit über die irdischer Beschleuniger. Gammastrahlen entstehen als Sekundärprodukte, wenn diese Teilchen mit Materie (dem interstellaren Gas) oder Strahlung (z. B. normalem Sternenlicht) in der Umgebung der Quelle kollidieren. Hochenergetische Gammastrahlung ermöglicht es daher, kosmische Teilchenbeschleuniger sichtbar zu machen und zu studieren. Bislang ist die Funktionsweise dieser Beschleuniger sowie ihr Einfluss auf die Entwicklung des Kosmos und seiner Galaxien nur unvollständig verstanden. ...
Silizium macht den Unterschied
Halbleiter-Photosensoren ermöglichen eine technologische Revolution in der Astroteilchenphysik.
Silizium oder kein Silizium? Diese Frage stellte sich in der TeV-Gamma-Astronomie vor einigen Jahren. Im Rahmen des FACT-Projektes gelang es zu zeigen, dass siliziumbasierte Photosensoren verglichen mit herkömmlichen Photomultipliern stabiler sind und Beobachtungen sogar bei Vollmond ermöglichen. Auf diese Weise lassen sich astrophysikalische Objekte lückenlos überwachen.
Sowohl in unserer Galaxie als auch außerhalb gibt es Objekte, die hochenergetische Gammastrahlung emittieren. Eine besonders interessante Gruppe sind aktive Galaxienkerne, in deren Spektrum nicht-thermische Strahlung dominiert und die im Radiobereich sichtbar sind, Blazare. Im Zentrum eines aktiven Galaxienkerns befindet sich vermutlich ein supermassives Schwarzes Loch, das Materie aus der Umgebung akkretiert. Senkrecht zur Akkretionsscheibe wird Plasma mit relativistischen Geschwindigkeiten ausgestoßen. Diese bis zu einige Millionen Lichtjahre langen Jets sind hocheffiziente Teilchenbeschleuniger, die in allen Spektralbereichen von niederenergetischen Radiowellen über optisches Licht und Röntgenstrahlung bis hin zur TeV-Gammastrahlung emittieren können [1]. Blazare zeichnen sich durch extreme Helligkeitsschwankungen aus: In wenigen Minuten kann sich der Fluss um ein Vielfaches ändern. Variabilitäten auf solch kurzen Zeitskalen können aus Kausalitätsgründen nur in ensprechend kleinen Emissionsregionen ihre Ursache haben. Um die zugrundeliegenden Mechanismen der Emission sowie die physikalische Natur der Beschleuniger zu verstehen, ist es notwendig, diese Variabilität auf allen Zeitskalen zu untersuchen. Die Beobachtung der Gammastrahlung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Die Blazare Mrk 421 und Mrk 501 gehören mit ihrer Entfernung von rund 450 Millionen Lichtjahren zu den nächsten und damit hellsten bekannten extragalaktischen TeV-Emittern. ...
Das ganze Bild aus Bruchstücken
COLTRIMS-Reaktionsmikroskope eröffnen neue Einblicke in Reaktionen der Atom- und Molekülphysik.
COLTRIMS-Reaktionsmikroskope sind universell einsetzbare und äußerst flexible Spektrometer, um dynamische Prozesse beim Aufbruch von einzelnen Atomen, Molekülen oder Clustern zu untersuchen. Basierend auf einer abbildenden Technologie zur Vermessung der Fragmente liefern sie ähnlich wie eine Blasenkammer, welche die Impulse von MeV-Teilchen sichtbar macht, Impulsbilder der geladenen Bruchstücke von Atomen oder Molekülen mit einer extrem hohen Auflösung im Sub-μeV-Bereich.
Die COLTRIMS-Technologie kam erstmals vor rund zwanzig Jahren erfolgreich zum Einsatz, um schnelle Ion-Atom-Stöße zu untersuchen [1]. Heute, nach einer kontinuierlichen apparativen Weiterentwicklung, betreiben weltweit mehr als dreißig Gruppen COLTRIMS-Reaktionsmikroskope (Abb. 1). Ihr Einsatzbereich erstreckt sich von langsamen Elektronen-Molekül-Stößen bis hin zu atom- und molekülphysikalischen Experimenten mit Femto- und Attosekunden-Lichtpulsen sowie mit extrem intensiver XUV- und Röntgen-Strahlung an modernen Synchrotron-Strahlungsquellen und Freie-Elektronen-Lasern [2].
Mit dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop lassen sich aus den gemessenen Auftrefforten und Flugzeiten die Energien und Richtungen aller Fragmentteilchen für jedes einzelne Molekül bestimmen. Für die Flugzeitmessungen ist es erforderlich, den Zeitpunkt der Fragmentierung der Atome bzw. Moleküle sehr genau zu kennen. Deshalb eignen sich besonders gepulste Strahlen von Photonen, Elektronen oder Ionen als Projektile. Doch woher weiß man eigentlich, dass alle bei einem Ereignis detektierten Elektronen und Ionen tatsächlich von der Fragmentierung eines bestimmten Moleküls stammen? Um dies sicher zu stellen und um eine eindeutige und vollständige Rekonstruktion der Dynamik zu gewährleisten, sind die Intensitäten von Projektil- und Targetstrahl so niedrig gewählt, dass für jeden Projektilpuls immer nur maximal ein Molekül fragmentiert. Die Experimente finden also tatsächlich mit einzelnen Molekülen statt. Ein weiterer wichtiger Parameter ist die erreichbare Impulsauflösung. ...
Klassifizierung symmetriegeschützter topologischer Phasen
Das Zusammenspiel von Symmetrie und Topologie führt zu vielen neuartigen Phasen der Materie.
Sowohl beim Quanten-Hall-Effekt als auch in topologischen Isolatoren treten an der Oberfläche leitende („metallische“) Zustände auf, die zu außergewöhnlichen Eigenschaften führen. Die Ursache dieser Zustände liegt in der Topologie der Wellenfunktionen im Inneren des Materials, wobei zwischen Symmetrie und Topologie ein kompliziertes Wechselspiel herrscht.
Materie ist aus einfachen elementaren Bausteinen aufgebaut, den Atomen. Die Wechselwirkungen zwischen ihnen führen zu verschiedenen Phasen mit oft sehr unterschiedlichen Eigenschaften. So kann Wasser zum Beispiel je nach Temperatur und Druck fest oder flüssig sein. Im Allgemeinen lassen sich die verschiedenen Phasen bezüglich ihrer Symmetriebrechung unterscheiden und klassifizieren. Wassereis bricht beispielsweise die kontinuierlichen Translations- und Rotationssymmetrien des Raumes. In einem Magneten bricht die geordnete Ausrichtung der Elektronenspins die Spinrotationssymmetrie sowie die Zeitumkehrinvarianz. Dabei gibt es für jede geordnete Phase eine makroskopische Größe, die den Grad der Ordnung beschreibt, den Ordnungsparameter. Für kontinuierliche Phasenübergänge lässt sich eine effektive Feldtheorie für den Ordnungsparameter herleiten, welche die universellen Eigenschaften der Phasen in der Nähe des Phasenübergangs beschreibt. Alleine die Symmetrien und die Dimensionalität des Systems bestimmen die Form dieser Ginsburg-Landau-Theorie.
Mit dem Quanten-Hall-Effekt (QHE) wurde 1980 jedoch eine neuartige Phase entdeckt, die sich nicht durch Symmetriebrechung beschreiben lässt [1]. Der QHE tritt auf, wenn ein zweidimensionales Elektronengas bei sehr niedrigen Temperaturen einem sehr starken Magnetfeld ausgesetzt wird. Dabei nimmt der Hall-Widerstand nur ganzzahlige Bruchteile der Größe h/e2 an. Die hochpräzise Quantisierung rührt daher, dass Topologie der Bandstruktur und Hall-Widerstand direkt zusammenhängen [2]. ...
Physik für Straßenkinder
In einem fachdidaktischen Projekt in Kolumbien erhalten Straßenkinder in Patios Physikunterricht.
Seit 2002 sind wir Teil des deutsch-kolumbianischen Bildungsprojekts „Patio 13 – Schule für Straßenkinder“. In diesem Rahmen suchen wir nach Wegen, Straßenkinder in Physik zu unterrichten. Außerdem vermitteln wir kolumbianischen Lehramtsstudierenden das notwendige Handwerkszeug, um Straßenkinder für physikalische Phänomene zu interessieren. Durch Bildung wollen wir die Situation dieser Kinder verbessern und ihnen neue Lebensperspektiven vermitteln.
Straßenkinder sind eine weltweit wachsende Herausforderung [1, 2]. Gemäß der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hat die Gesellschaft die Aufgabe, allen Kindern einen Zugang zu Bildung zu verschaffen [3]. Insbesondere in Kolumbien leben viele Kinder auf der Straße und wachsen ohne Eltern, Familien und Bildung auf. Oft leben sie im Einzugsbereich großer Städte wie Medellín. Soziale Einrichtungen wie Patios sorgen sich um sie und bieten Nahrung, Schutz und Gesundheitsfürsorge. Meist gibt es aber kaum Bildungsangebote. Das Projekt „Patio 13“ setzt genau hier an: Seit 15 Jahren arbeitet eine interdisziplinäre Gruppe von Bildungsexperten aus Kolumbien und Deutschland zusammen. Beteiligt sind die Escuela Normal Superior María Auxiliadora (Copacabana bei Medellín), die Universidad de Antioquia (Medellín), die Pädagogischen Hochschulen Heidelberg und Freiburg sowie die Universität Heidelberg. Ziel ist ein Bildungsprogramm mit Angeboten in unterschiedlichen Disziplinen, das in Patios und weiteren Einrichtungen für Kinder in schwierigen Lebenslagen angeboten wird [1].
Gemeinsam mit Studierenden einer lehrerbildenden Einrichtung bei Medellín haben wir im Rahmen kurzer Projektaufenthalte verschiedene Strategien entwickelt und erprobt. Dabei nutzten wir den forschend-entdeckenden Zugang zum naturwissenschaftlichen Unterricht [4], einfache Materialien und Experimente und ergänzten so die Bildungsangebote der Schule für Straßenkinder. Das Hauptproblem bestand darin, kolumbianische Lehramtsstudierende in kurzer Zeit dazu zu befähigen, Straßenkinder in freiwilligen Angeboten für Physik zu interessieren und sie zu motivieren, sich mit physikalischen Phänomenen auseinander zu setzen.
Um effektives Lernen zu erreichen, sind authentische Lernumgebungen erforderlich [5], welche die spezifischen Erfahrungen der Schulkinder sowie ihren sozialen Habitus berücksichtigen [6]. Straßenkinder leben anders als Kinder, die eine Familie haben und zur Schule gehen [7, 1]. Sie verhalten sich entsprechend der Erfahrungen aus ihrem Leben auf der Straße und verfügen hinsichtlich der Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements über andere soziale Voraussetzungen [1]. ...
Trocknung im Modell
Das Trocknungsverhalten dicker Photoresistschichten lässt sich mit einem einfachen Modell theoretisch beschreiben.
Ein analytisches Modell ist in der Lage, den komplizierten Trocknungsvorgang von photosensitiven Epoxidharzen erstaunlich gut zu beschreiben und grundsätzliche Aussagen über die Trocknungskinematik unterschiedlich dicker Resistschichten zu treffen. Demnach trocknen dicke Resistschichten überwiegend diffusionsgesteuert.
Seit über 65 Jahren ist die Mikrosystemtechnik aus vielen Bereichen des Alltags, der Industrie und der Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Dabei geht es neben elektronischen Bauteilen wie Transistoren auch um aktorische, mikromechanische Komponenten wie Mikrocantilever. Die bekanntesten und geläufigsten Werkstoffe in der Mikrosystemtechnik waren lange Zeit Silizium und Germanium. In den vergangenen Jahren gab es allerdings Bemühungen, speziell für mikromechanische Komponenten photostrukturierbare Epoxidharze (kurz: Photoresists) zu etablieren [1]. Diese zeichnen sich durch viel niedrigere Prozesstemperaturen bei der Herstellung aus. Beispiele sind Chipträger für pyroelektrische Sensoren, die u. a. in medizinischen Apparaten zur Atemluftüberwachung zum Einsatz kommen, und mikromechanische Cantileverstrukturen für die Rasterkraftmikroskopie.
Bei der Verwendung von Photoresiststrukturen als mechanische Bauelemente spielt es eine wichtige Rolle, dass Form und Größe der fertigen Strukturen stabil sind und sich ihre mechanischen Eigenschaften und der Fertigungsprozess gut reproduzieren lassen. Veränderungen in der Prozessierung beeinflussen die mechanischen Parameter der Strukturen erheblich. So kann verbleibendes Lösungsmittel im Resist zu Schichtspannungen und bei Cantilevern zu einer funktionsmindernden Krümmung führen. Daher ist es wichtig, die Resistschichten definiert zu trocknen (Softbake). Weit verbreitet ist der Negativ-Photoresist SU-8, der als fertige Lösung aus Grundstoff (SU-8) und Lösungsmittel (meist γ-Butyrolacton, GBL) erhältlich ist. Die Zugabe von GBL stellt die Viskosität bei jeder Charge neu ein. Daher ist meist unklar, wie viel Lösungsmittel enthalten ist. ...
Physik im Alltag
Menschen
Bücher/Software
DPG
Jahresbericht 2014
Jahresbericht des Vorstands und der Geschäftsführung zu Aufgaben und Aktivitäten der DPG, aus dem Physikzentrum Bad Honnef und dem Magnus-Haus Berlin
Tagungen
Continuous Variable Entanglement in Atomic Systems: Fundamentals and Applications
589. WE-Heraeus-Seminar
Reconstructing the Milky Way’s History: Spectroscopic Surveys, Asteroseismology and Chemodynamical Models
592. WE-Heraeus-Seminar