Ziel der Gaia-Mission ist die umfassende Vermessung der Milchstraße. Mitte September wurde der erste Sternkatalog veröffentlicht. (Bild: ESA/ATG medialab und ESO/S. Brunier, vgl. S. 6)
Physik Journal 10 / 2016
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Alternde Kernkraftwerke / Alternde Kernkraftwerke / Private und staatliche Forschung / Initiative für Quanten / NASA ermöglicht Open Access
Im Brennpunkt
Optik einmal anders
Erstmals konnten Forscher experimentell das Brechungsgesetz für Spinwellen direkt nachweisen.
Forum
„Ausgangspunkt ist die weiße Landkarte“
Interview mit Armin Grunwald, Mitglied der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe
Anfang Juli hat die „Endlagerkommission“ nach mehr als zwei Jahren Arbeit ihren Abschlussbericht veröffentlicht. In dem über 600 Seiten langen Bericht schlägt die Kommission ein Verfahren mit umfangreicher Bürgerbeteiligung für die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Abfall vor. Unter den 32 Kommissionsmitgliedern war auch der Physiker und Philosoph Armin Grunwald vom Institut für Technikfolgenabschätzung in Karlsruhe.
Das gesuchte Endlager soll für eine Million Jahre bestmögliche Sicherheit bieten – wie lässt sich das gewährleisten?
Das hört sich in der Tat unglaublich lang an, wenn man bedenkt, was allein in den letzten hundert Jahren passiert ist. Auch für mich ist es unvorstellbar, für einen so langen Zeitraum mit technischen Verfahren etwas Sicheres auf die Beine zu stellen. Der Trick ist, das der Geologie zu überlassen. Ein Beispiel: Die Salzstöcke in Norddeutschland, die als mögliche Kandidaten genannt werden, sind 200 bis 300 Millionen Jahre alt und haben sich in dieser Zeit kaum relevant verändert.
Die Leitziele der Kommission waren Sicherheit, Transparenz und Beteiligungsrechte, faires Verfahren, breiter Konsens sowie Verursacher- und Vorsorgeprinzip. Wie passen diese Aspekte zusammen?
Das sind sehr unterschiedliche Anforderungen, die sich zwar nicht gegenseitig ausschließen, aber doch – wie der Physiker sagen würde – inkommensurabel sind. Wir haben diese großen ethischen Begriffe zunächst konkretisiert.
Überblick
Hochgeladene Taktgeber
Wie sich hochgeladene Ionen für noch genauere optische Uhren nutzen lassen.
Nach Wasserstoff und Helium sind wohl hochgeladene Ionen die häufigste Form baryonischer Materie im Universum. Diese fristen allerdings im Labor meist ein Nischendasein, da ihre Anwendungsmöglichkeiten außerhalb der fundamentalen Forschung und der Astro- und Plasmaphysik beschränkt scheinen. Dies könnte sich nun ändern. Eine Reihe vielversprechender Vorschläge zeigt, dass sie darüber hinaus ein großes Potenzial für eine neue Generation optischer Uhren besitzen.
U nsere Sonne besteht neben Wasserstoff und Helium hauptsächlich aus hochgeladenen Ionen [1], da 90 Prozent ihrer Masse bei Temperaturen jenseits von vier Millionen Kelvin vorliegt. Die bei der Fusion im Zentrum der Sonne freigesetzte Energie muss in Form von Röntgenstrahlung über Hunderttausende von Jahren durch die dichte Sternmaterie bis in die äußeren Schichten diffundieren [2]. Dabei werden die Photonen vorwiegend von hochgeladenen Ionen gestreut, absorbiert und wieder emittiert. Um die tiefen Gravitationspotentiale von einzelnen Galaxien und deren Anhäufungen herum sind die meisten Atome in noch größerem Ausmaß hochionisiert, wie auch in den Akkretionsscheiben von Schwarzen Löchern. Und das kosmische Geflecht, welches Galaxienhaufen miteinander verknüpft, vereint mehr Materie als alle Galaxien zusammen bei Temperaturen jenseits von 100 000 K [1]. Hochgeladene Ionen werden seit Jahrzehnten spektroskopisch untersucht, um Vorhersagen der Quantenelektrodynamik in starken Feldern zu überprüfen, wie z. B. den g-Faktor von gebundenen Elektronen [3].
Bei hohen positiven Ladungszuständen wächst in der einfachen Bohrschen Theorie die Aufspaltung der Energieniveaus etwa quadratisch mit der nichtkompensierten Ladung des Kernes an. Vergleichen wir zum Beispiel in diesem Bild ein Wasserstoffatom H (Kernladungs- oder Atomzahl Z = 1) mit wasserstoffartigem Uran (U91+), ein Ion mit nur noch einem seiner 92 Elektronen im neutralen Zustand. Dieses Elektron sieht also 92 Protonen und wird daher viel stärker angezogen als das Elektron im Wasserstoffatom. Die Quantisierung des Drehimpulses muss beim Elektron immer erfüllt sein. Kommt es aufgrund der höheren Ladung näher an den Kern heran, muss es sich umso schneller um diesen „drehen“. Dadurch schrumpft der Radius der ersten Bohrschen Bahn um den Faktor 92. Dies, zusammen mit der 92-fachen positiven Ladung, ergibt eine 92 mal 92 höhere Bindungsenergie als im Wasserstoffatom, im vorliegenden Fall 130 000 eV gegenüber 12 eV. Man spricht daher von einer quadratischen „Skalierung“ der Bindungsenergie mit der Kernladungszahl, sie skaliert also mit Z 2. Daher leuchten hochgeladene Ionen vorwiegend im Vakuumultravioletten- und Röntgenbereich. Optische Uhren benötigen jedoch elektronische Übergänge, deren Frequenzen mittels Laser gemessen werden [4, 5]; folglich werden Atome und Ionen mit im sichtbaren Spektralbereich anregbaren Übergängen gesucht. Wie kommt man aber zu solchen sichtbaren Linien mit hochgeladenen Ionen? ...
Auf Herz und Nieren prüfen
Mikrofluidische Zellkultursysteme helfen bei der Wirkstoffentwicklung und ermöglichenpersonalisierte Medizin.
Die Funktionsweise von Organen lässt sich im Labor mit mikrofluidischen Zellkultursystemen simulieren, um beispielsweise die Wirkung eines Medikaments zu untersuchen. Um solche Organ-on-Chip-Systeme herzustellen und zu verwenden, ist Interdisziplinarität gefragt: Physiker, Ingenieure, (Bio-)Chemiker und Mikrotechnologen arbeiten mit Biologen, Toxikologen und Pharmazeuten zusammen.
Kaum jemand macht sich viele Gedanken über die Nebenwirkungen von Medikamenten, wenn es darum geht, lästige Kopfschmerzen zu bekämpfen oder den Blutdruck auf Normalmaß zu senken. Wir haben uns daran gewöhnt, mit chemischen Stoffen Fehlfunktionen unseres Körpers zu korrigieren und Leiden zu lindern. Erst wenn ein Medikament in Verdacht gerät, schwere Schäden zu verursachen und es medienwirksam vom Markt genommen wird, fragen wir uns, ob Versäumnisse bei den Tests die Ursache dafür sind.
Die Entwicklung von Wirkstoffen ist aber genau reguliert, und kein Pharmaunternehmen kann es sich leisten, nachlässig zu handeln. Als Konsequenz aus dem Contergan-Skandal wurde ein Zulassungsprozess eingeführt, der genau reguliert ist. Als 1957 der fragliche Wirkstoff Thalidomid auf dem Markt kam, war lediglich vorgeschrieben, ein Medikament zu registrieren. Weil der Wirkstoff für Missbildungen bei Neugeborenen verantwortlich war, wurde das Medikament vier Jahre später vom Markt genommen...