Mykhaylo Filipenko, Jochen Kaiser, Kay Plötner und Andreas Strohmayer • 12/2020 • Seite 34 • DPG-MitgliederNachhaltig durch die Luft
Die Elektrifizierung der Luftfahrt kann den Flugverkehr umweltverträglicher machen und neue Mobilitätskonzepte ermöglichen.
Die Idee des elektrischen Fliegens lässt sich bis in die 1970er-Jahre zurückverfolgen. Damals entstanden die ersten Prototypen batterieelektrischer Flugzeuge, als die Öl-Krise und der erste Bericht des „Club of Rome“ die E-Mobilität publik machten. Doch als die Preise für fossilen Treibstoff wieder fielen, verliefen die ersten Versuche im Sand. Das elektrische Fliegen findet erst seit Anfang des Jahrtausends wieder mehr Beachtung. Anlass waren erneut der gestiegene Ölpreis, aber auch die nun breite Verfügbarkeit der Lithium-Ionen-Technologie. Dass elektrisches Fliegen prinzipiell möglich ist, haben die früheren Versuche eindrucksvoll bewiesen. Nun gilt es zu zeigen, ob in absehbarer Zeit eine nennenswerte Reichweite möglich ist.
Neben der Corona-Krise steht die Flugzeugbranche vor der Herausforderung, die Emissionswerte der Personen- und Güterbeförderung signifikant zu reduzieren. Der Beitrag von Flugzeugen an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt derzeit etwa zwei Prozent, und die Branche ist stetig um etwa vier Prozent pro Jahr gewachsen. Trotz kontinuierlich verbesserter Emissionswerte bei Flugzeugen und Triebwerken kann dieses Wachstum in den nächsten 15 Jahren zu einem signifikanten Anstieg der Gesamtemissionen aus der Luftfahrt führen. Daher hat die Europäische Kommission zusammen mit den führenden europäischen Unternehmen der Luftfahrtbranche ehrgeizige Ziele formuliert, um die Emissionen zu reduzieren: Mit dem Programm „Flightpath 2050“ sollen die Emissionen pro Passagierkilometer bis 2050 für CO2 um 75 Prozent, für NOx um 90 Prozent und für Lärm um 65 Prozent sinken. Als Referenz dient das Bezugsjahr 2000 mit etwa 60 Gramm Emissionen pro Passagierkilometer. Zwar haben bisher Weiterentwicklungen in Aerodynamik und Antriebstechnologien dazu beigetragen, den Verbrauch und die Emissionen kontinuierlich zu senken. Angesichts des Wachstums im Luftverkehr reichen diese inkrementellen Verbesserungen aber nicht aus, um die Ziele von Flightpath 2050 zu erreichen. Elektrische und hybrid-elektrische Antriebe bieten dafür einen praktikablen Lösungsansatz. Einen elektrischen Antriebsstrang in eine speziell dafür ausgelegte Flugzeugkonfiguration zu integrieren, kann die Effizienz des gesamten Systems erhöhen. Bei vertretbaren Betriebskosten und erhöhter Zuverlässigkeit lassen sich Schadstoffemissionen eliminieren bzw. reduzieren. Außerdem ist es möglich, die Lärmbelastung im Umfeld des Flughafens deutlich zu senken. (...)
weiterlesen Christoph A. Weber, Lars Hubatsch und Frank Jülicher • 12/2020 • Seite 42 • DPG-MitgliederDie Physik dynamischer Tropfen
In lebenden Zellen spielen dynamische Tropfen eine wichtige Rolle, um biochemische Prozesse zu organisieren.
Zellen führen biochemische Prozesse aus, um zentrale Abläufe wie die Zellteilung zu realisieren. Bei der dafür erforderlichen raumzeitlichen Organisation der zellulären Prozesse kommt den Organellen eine wichtige Rolle zu. Organellen wie die Mitochondrien oder der Zellkern sind durch Membranen von ihrer Umgebung getrennt. Diese ermöglichen es ihnen, in ihrem Inneren geeignete biochemische Bedingungen für biologische Prozesse zu erzeugen. Doch es gibt auch membranlose Organellen. Wie bewahren diese ihre chemische Identität? Hierbei kommt die Koexistenz proteinreicher, flüssiger Phasen ins Spiel. Ausgehend von der Physik der Phasenseparation ist ein tieferes Verständnis der Dynamik und raumzeitlichen Organisation biochemischer Prozesse möglich.
Lebende Zellen lassen sich als außerordentlich komplexe Form von weicher, kondensierter Materie auffassen. Wie sie ihr Inneres räumlich und zeitlich organisieren, ist eine zentrale Frage der Biologie und der Biophysik. So gilt es beispielsweise aufzudecken, wie Zellen sich teilen, über biochemische Signale miteinander kommunizieren oder ihren Metabolismus regulieren. Or-ganellen wie die Mitochondrien und der Zellkern sind als die Organe der Zelle dafür verantwortlich, grundlegende Zellfunktionen und wichtige biochemische Prozesse zu realisieren. Zum Beispiel entstehen in den Mitochondrien große Mengen an Adenosintriphosphat (ATP) – ein Zelltreibstoff für viele biochemische Reaktionen und zelluläre Transportprozesse. Mitochondrien besitzen eine Membran, mit deren Hilfe sie sich vom Zytoplasma abgrenzen und ihren spezifischen biochemischen Charakter bewahren.
Aber es gibt auch Organellen ohne Membran. Vor etwa zehn Jahren gelang es zu zeigen, dass membranlose Organellen proteinreiche tropfenähnliche Objekte sind, die mit dem umgebenden Zytoplasma koexistieren, genau wie phasengetrennte Flüssigkeiten. Aus dieser Erkenntnis entstand ein dynamisches und interdisziplinäres Forschungs-feld an der Schnittstelle von Zellbiologie und Biophysik. Phasengetrennte Organellen erlauben es der Zelle, Biomoleküle in Raum und Zeit zu organisieren. Membranlose Zellorganellen ähneln flüssigen Tropfen in einer entmischten Flüssigkeit, zum Beispiel Essig und Öl in einer Vinaigrette. (...)
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