Albert Einstein
Diana Buchwald et al. (Hrsg.), The Collected Papers of Albert Einstein − Bd. 17: Die Berliner Jahre. Schriften und Briefwechsel. Juni 1929 – November 1930, 1132 S., Princeton University Press,
Princeton 2024, geb., ca. 205 Euro, ISBN 9780691246178
Diana Buchwald et al. (Hrsg.)

In diesem Band, der politisch durch den Tod Stresemanns, den Börsenkrach und die beginnende Depression geprägt ist, zeigt sich Einstein wieder als fleißiger Arbeiter des Wortes. Der Band enthält 90 seiner Schriften, darunter neun wissenschaftliche Publikationen, dazu unveröffentlichte Artikel und Berechnungen, in denen es vor allem um die einheitliche Feldtheorie geht. Hier konzentriert er sich auf den „teleparallelen“ Ansatz, zu dem er einen intensiven Briefwechsel mit dem französischen Mathematiker Élie Cartan führt. Einstein präsentiert populärwissenschaftliche Darstellungen seiner Arbeit und pflegt einen regen Austausch über technische und grundlegende Fragen der Quantenmechanik mit Max Born, Wolfgang Pauli und Moritz Schlick.
Von seiner Herzerkrankung genesen, begibt sich Einstein wieder auf Reisen; unter anderem die Sorbonne und die ETH Zürich zeichnen ihn mit Ehrendoktorwürden aus. Vom 6. Solvay-Kongress in Brüssel berichtet er seinem Assistenten Walther Mayer: „Der Kongress ist sehr anstrengend, aber es zeigt sich, dass die quantenmechanische Theorie so feine Züge der Realität darstellt, dass sie ein grosses Stück Wahrheit enthalten muss.“ Aus Anlass des 50. Jubiläums der Erfindung der Glühlampe führt er ein Telefongespräch mit Thomas Edison, das live im Radio übertragen wird.
Die Einsteins verwirklichen ihren Traum von einem eigenen Sommerhaus in Caputh, wo Einstein die meiste Zeit der in diesem Band abgedeckten 18 Monate verbringt. Während sein Sohn Eduard seine erste schwere psychische Krise erlebt, wird er durch seinen älteren Sohn Hans Albert zum Großvater. Beide Ereignisse erfüllen ihn mit Sorge. Seiner Schwester Maja schreibt er: „Meine Descendenz wird mich an Meschuggizität erheblich übertreffen, fürchte ich.“
Er setzt sich für verfolgte Wissenschaftler in der Sowjetunion ein, ist von der Notwendigkeit von Tierversuchen überzeugt und sieht in der Überbevölkerung eine Gefahr für jedes Land. Seine Verbindungen zur zionistischen Bewegung werden nach den Gewaltausbrüchen im britischen Mandatsgebiet Palästina 1929 auf eine harte Probe gestellt. Er reagiert darauf mit eindringlichen Forderungen nach einer echten Symbiose zwischen Juden und Arabern und schlägt die Gründung gemeinsamer administrativer, wirtschaftlicher und sozialer Organisationen vor. Seiner Schwester schreibt er: „Unsere Juden zeigen sich in der Palästina-Araber-Angelegenheit als chauvinistische Nationalisten ohne psychologischen Instinkt und Sinn für Billigkeit.“ Desillusioniert über die Entwicklung in Palästina unterstützt er eine Initiative, eine Million osteuropäischer Juden in Peru anzusiedeln.
Über die immer mehr erstarkenden Nationalsozialisten schreibt er seinem Sohn Hans Albert: „Drei Dinge gehen nicht alle drei zusammen: Faschist, intelligent, ehrlich.“ Wenn jemand zwei dieser Eigenschaften besitze, so könne er nicht die dritte haben.
Der Band präsentiert spannende Zeitdokumente, die für physikalisch und historisch Interessierte lehrreich und dank Einsteins Sprachkunst auch unterhaltsam sind.
Dr. Michael Schaaf, Deutsche Internationale Schule Kapstadt