Broadband Dielectric Spectroscopy
Kremer
Von F. Kremer und A. Schönhals (Hrsg.). Springer, Heidelberg 2003. XXI + 729 S., Geb., ISBN 3-540-43407-0
Die breitbandige dielektrische Spektroskopie (BDS) im Frequenzbereich von Mikro- bis zu Terahertz (10 -6 bis 10 12Hz) hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einer technisch anspruchsvollen und hochgenauen niederfrequenten "optischen" Spektroskopie gemausert. Sie ist relevant für Gläser und unterkühlte Flüssigkeiten, Polymere, Flüssigkristalle, polare Moleküle in eingeschränkter (nano- und mesoporöser) Umgebung bzw. bei großer Verdünnung. Die BDS beschäftigt sich mit Relaxationsprozessen, die häufig als kollektive Phänomene verstanden werden und z.B. in der Glasphysik von grundlegender Bedeutung sind.
Gegenüber tra ditionellen Lehrbüchern zur dielektrischen Polarisation und Relaxation hat das neue Buch offenkundige Vorteile:
Erstens ist es Lehrbuch und aktueller Forschungsüberblick zugleich. Zweitens kommen in 18 Kapiteln viele namhafte Experten zu Wort, wobei thematische Wiederholungen nicht zu vermeiden, aber auch nützlich sind, da sie die gegenwärtige Meinungsvielfalt zu kontrovers diskutierten Phänomenen widerspiegeln. Drittens werden komplementäre Techniken wie mechanische Spektroskopie, multidimensionale NMR und Neutronenstreuung der BDS kritisch gegenübergestellt. Das sind drei gute Gründe dafür, dem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen.
Der Doktorand findet hier die Grundlagen zur Physik korrelierter molekularer Prozesse und deren wichtigsten Messmethoden inklusive Fehlerquellen, sowie weiterführende Literatur. Der spezialisierte Forscher kann sich über korrelierte molekulare Systeme an Hand neuester Forschungsergebnisse und deren Interpretationen einen profunden Überblick verschaffen. Der Dozent schließlich findet sorgfältig aufbereitete Anregungen für die eigene Vorlesung mit vorzüglichem Bildmaterial, Tabellen und theoretischen Anhängen. Hilfreich sind Glossare und umfassende Literaturverzeichnisse neben vorbildlich gestalteten Einführungen und Zusammenfassungen. Sie gestatten mühelos die separate Lektüre jedes einzelnen Kapitels.
Für eine überarbeitete nächste Auflage wünscht sich der Rezensent etwas mehr Festkörperrelevanz. Ungeordnete ionische Festkörper, z.B. Relaxor-Ferroelektrika oder Dipolgläser, kommen zu kurz. Auch sollten nichtlineare dielektrische Spektroskopie und polare Systeme mit gebrochener Inversionssymmetrie ferroelektrische [Flüssig]Kristalle) gewürdigt werden.
Fazit: Ein hervorragend kompiliertes, zeitgemäßes Werk zur breitbandigen dielektrischen Spektroskopie mit tiefgehender Diskussion molekularer dynamischer Prozesse in (fast) allen derzeit untersuchten Systemen der kondensierten Materie.
Prof. Dr. Wolfgang Kleemann, Angewandte Physik, Universität Duisburg-Essen