Decoherence and the Quantum-to-Classical Transition
Schlosshauer, M.
Inzwischen versteht man auch ohne diesen ad hoc eingeführten Kollaps, warum sich keine makroskopischen Superpositionen beobachten lassen. Den Schlüssel dazu liefert die Erkenntnis, dass quantenmechanische Systeme nur in mikroskopischen Situationen als isoliert zu betrachten sind. Im Allgemeinen stehen sie in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Dadurch wandert die In-formation über die lokale Superposition in eine Verschränkung zwischen System und Umgebung ab und ist lokal (am System selbst) nicht mehr erkennbar. Diesen Prozess nennt man Dekohärenz. Seine Eigenschaften wurden 1970 zum ersten Mal in einer grundle-genden Arbeit von H.-D. Zeh diskutiert und in weiteren Arbeiten unter anderem mit E. Joos sowie von W. Zurek und anderen ausformuliert.
Mit dem Buch von Maximilian Schlosshauer (Univ. of Melbourne, Australien) liegt bei Springer nun die zweite Monografie vor, die sich ausschließlich der Dekohärenz widmet. Dem Autor ist eine kompetente, klare und äußerst kurzweilige Einführung in dieses spannende Gebiet gelungen, die sowohl die Grundlagen als auch die immer zahlreicheren Anwendungen behandelt. Dem Autor gelingt durchweg die schwierige Balance zwischen begrifflicher und mathematischer Behandlung.
Die Leser erfahren Details über das Messproblem, die klassische Basis, Mastergleichungen und das universelle Phänomen der Verschränkung. Technische Hilfsmittel wie reduzierte Dichtematrizen werden ausführlich diskutiert. Bei den Anwendungen kommen neben den klassischen Themen wie Quanten-Brownsche Bewegung viele neuere Entwicklungen zur Sprache. Dazu zählen Molekülinterferometer, SQUIDs oder Bose-Einstein-Kondensate sowie theoretische Entwicklungen in der Quanteninformati-on. Dem geplanten Bau von leistungsfähigen Quantencomputern steht die Dekohärenz als lästiges Phänomen im Wege, da sie es verhindert, die gewünschte Superpositionen zu erzeugen und aufrecht zu erhalten.
Breiten Raum nimmt die vorurteilsfreie Diskussion verschiedener Interpretationen der Quantentheorie im Lichte der Dekohä-renz ein. Obwohl dieser Prozess das Messproblem selbst nicht lösen kann, führt er lokal wegen der Unbeobachtbarkeit makroskopi-scher Superpositionen zu einem „scheinbaren Kollaps“. Klassische Eigenschaften wohnen einem Objekt nicht inne, sondern entste-hen durch die quantenmechanische Verschränkung mit seiner Umgebung. Wie der Autor ausführt, gibt es im Rahmen einer reali-stischen Interpretation, die ohne Änderung der kinematischen Struktur (wie z.B. bei Bohm) auskommt, nur zwei Möglichkeiten, zwischen denen sich nur empirisch entscheiden lässt: Entweder ist die Quantentheorie mit ihrer linearen Struktur vollständig, dann führt kein Weg an einer Everett- oder „Vielwelten“-Interpretation vorbei. Oder sie muss auf fundamentaler Ebene nichtlineare Modifikationen erleiden, die zu einem expliziten Kollaps der globalen Superposition in einen klassischen Zustand führen.
Schlosshauers Buch ist ein Muss für alle, denen an einem Verständnis der Quantentheorie gelegen ist. Insbesondere sei es Studierenden ans Herz gelegt, die gerade die Kursvorlesung Quantenmechanik gehört haben.
Prof. Dr. Claus Kiefer, Institut für Theoretische Physik, Universität zu Köln
M. Schlosshauer: Decoherence and the Quantum-to-Classical Transition
Springer, Berlin, 2007, XV + 416 S., geb.
ISBN 9783540357735