Projekte mit Priorität
Das BMFTR hat die aussichtsreichsten Forschungsinfrastrukturen aus dem nationalen Priorisierungsverfahren bekannt gegeben.
Maike Pfalz
„Großforschungsanlagen spielen für die Zukunft Deutschlands eine wichtige Rolle“, so brachte es Beate Heinemann, seit dem Frühjahr Vorsitzende des DESY-Direktoriums, in einem Meinungsbeitrag im Physik Journal auf den Punkt. Doch solche Forschungsinfrastrukturen sind teuer und erfordern langfristige Investitionen. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) als Nachfolger für den früheren Roadmap-Prozess im vergangenen Jahr ein Priorisierungsverfahren für umfangreiche Forschungsinfrastrukturen ins Leben gerufen. Nun wurden die neun erfolgversprechendsten Projekte bekannt gegeben.
Ziel des Nationalen Priorisierungsverfahrens war es, diejenigen Projekte auszuwählen, die für den Ausbau und Erhalt der deutschen Spitzenposition im internationalen Wettbewerb und der Leistungsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems als Teil des europäischen Forschungsraums prioritär sind. Bis zum Ende der Eingangsfrist Ende Oktober 2024 wurden 32 Konzepte mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 8,5 Milliarden Euro eingereicht. Diese Vorhaben durchliefen ein aufwändiges wissenschaftsgeleitetes und offenes Bewertungsverfahren, an dem zahlreiche internationale Fachleute mitwirkten.

Neun Projekte haben es auf die Shortlist geschafft und werden nun durch individuell zusammengesetzte Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrats begleitet. Parallel dazu erfolgen Verhandlungen zwischen dem BMFTR und den beteiligten Einrichtungen und Partnern über die weitere Umsetzung. Mit der Aufnahme auf die Shortlist ist noch keine Finanzierungszusage verbunden, jedoch ein wichtiges Signal für die prioritäre Weiterverfolgung der Vorhaben aus forschungspolitischer Sicht.
Die Shortlist bilde ein zukunftsweisendes Portfolio für Forschungsinfrastrukturen in unterschiedlichsten Fachgebieten ab, erklärte Wolfgang Wick, Vorsitzender des Wissenschaftsrats. „Die darauf versammelten Vorhaben überzeugen durch ihr großes wissenschaftliches Potential, bieten einen offenen Zugang für zahlreiche Forschende und besitzen eine hohe internationale Relevanz für ihre Forschungsfelder.“
Sechs der neun Projekte auf der Shortlist stammen aus der Physik:
- DALI: Die Dresden Advanced Light Infrastructure (DALI) ist eine beschleunigerbasierte Anlage, die Terahertz-Lichtquellen für die Erforschung der Zustände und Funktionen von Materie nutzen wird.
- Vorphase für das ET: Das Einstein-Teleskop (ET) ist ein geplantes internationales Großprojekt, das Signale von Verschmelzungen kompakter Objekte von Schwarzen Löchern und Neutronensternen über kosmische Zeiten hinweg durch die Detektion von Gravitationswellen beobachtbar machen soll.
- HBS-I: Die Hochbrillanz-Neutronenquelle - Phase I (HBS-I) ist ein Projekt zur Entwicklung einer innovativen, kompakten, beschleunigergetriebenen Neutronenquelle.
- IceCube-Gen2: Das Neutrino-Observatorium IceCube-Gen2 ist eine geplante Erweiterung von IceCube am Südpol und soll die Neutrinoforschung von der Entdeckungsphase in die Präzisionsära überführen sowie einen Beitrag zur Geophysik, Glaziologie und Klimawissenschaft leisten.
- LEGEND-1000 ist ein geplantes internationales Projekt im italienischen Untergrundlabor Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) und darauf ausgelegt, fundamentale Eigenschaften von Neutrinos zu erforschen sowie zentrale Fragen der Teilchenphysik und Kosmologie zu beantworten.
- PETRA IV ist der Ausbau des bestehenden PETRA III-Komplexes bei DESY mit dem Ziel, die hellste Röntgenquelle der Welt aufzubauen. Mit PETRA IV sollen hochintensive Synchrotron-Röntgenstrahlen zur Erforschung verschiedenster Materialien und biologischer Systeme auf atomarer Ebene eingesetzt werden.
Beate Heinemann zeigte sich begeistert von der Entscheidung des BMFTR, beide von DESY eingereichten Vorhaben, nämlich PETRA IV und IceCube-Gen2, priorisiert zu haben. „Insbesondere die Röntgenlichtquelle PETRA IV bietet enorme Chancen für Spitzenforschung und Innovation. […] Wir werden nun das beste 4D-Röntgenmikroskop der Welt bauen.“ Auch am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf war die Freude groß: „Die Platzierung auf der Shortlist ist für uns ein großer Erfolg und ein entscheidender Schritt zur weltweit stärksten Terahertz-Quelle hier in Dresden“, betonte der Wissenschaftliche Direktor des HZDR, Sebastian M. Schmidt. DALI ermögliche hochkarätige Spitzenforschung in einer bisher nicht verfügbaren Breite: von der Informationstechnologie über die Gesundheitsforschung bis hin zur Energiewende und weiteren zukunftsrelevanten Anwendungsfeldern.
Mit Aufnahme auf die Shortlist macht auch das schon seit vielen Jahren geplante Einstein-Teleskop einen wichtigen Schritt: „Damit werden wir jetzt vorbereitende Arbeiten vorantreiben und eine solide Basis für die Realisierung des Projekts entwickeln. Die Entscheidung gibt uns den nötigen Freiraum für diese umfangreichen Arbeiten“, erläutert Michèle Heurs von der Universität Hannover, die Deutschland im Forum of National Representatives der internationalen ET-Kollaboration repräsentiert.
Das BMFTR plant, das Priorisierungsverfahren weiterzuentwickeln und gemeinsam mit dem Wissenschaftsrat 2028 erneut durchzuführen.