Der Pauli-Jung-Dialog und seine Bedeutung für die moderne Wissenschaft
Von H. Atmanspacher u. H. Primas, Springer, Heidelberg 1995, VIII+356 S., 46 Abb., geb., DM 78, ISBN 3540585184
Atmanspacher
Der Dialog zwischen dem theoretischen Physiker Wolfgang Pauli und dem Psychologen Carl Gustav Jung begann Anfang der 1930er-Jahre. Pauli hatte wegen „Schwierigkeiten mit Frauen“ den Rat Jungs gesucht, der ihn daraufhin an einen Schüler zur Analyse überwies. Nach der dreijährigen Therapie trat Pauli mit Jung selbst in einen intensiven Gedankenaustausch, dessen Bedeutung für die Physik wie für die Psychologie sich erst allmählich abzuzeichnen beginnt.
Nachdem im letzten Jahr der Briefwechsel zwischen Pauli und Jung herausgegeben wurde (C. A. Meier (Hrsg.): Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Ein Briefwechsel. 1932-1958. Springer, Berlin 1994), liefert der vorliegende Band nun weitere Aufschlüsse über diese bislang unterschätzte Wechselbeziehung von Natur- und Geisteswissenschaften.
Der vorliegende Band ist selbst Zeugnis einer fortbestehenden Wechselwirkung zwischen den „zwei Kulturen“: Er repräsentiert das Ergebnis einer von der ETH Zürich und dem C. G. Jung-Institut Zürich gemeinsam veranstalteten Tagung, bei der sich Physiker und Psychologen zusammenfanden, um „Das Irrationale in den Naturwissenschaften: Wolfgang Paulis Begegnung mit dem Geist der Materie“ zu diskutieren.
Und so vielschichtig – oder sollte man sagen: diffus? – wie dieses Thema sind auch die Beiträge: Da geht es um „Irrationales in der Musik“ und um die „Symbolik der Zahl Fünf“, um „Schatten und Ganzheit“ und „Dunkle Aspekte der Naturwissenschaft“, ohne daß dem interessierten, aber in die Details der Paulischen Psyche nicht eingeweihten Leser der Zusammenhang dieser Aspekte deutlich würde.
Zwar schimmert durch die psychologischen Beiträge hie und da eine Ahnung von den zentralen Anliegen des Pauli-Jungschen Dialoges, etwa wenn Eva Wertenschlag-Birkhäuser die Jungschen Begriffe des „kollektiven Unbewußten“ und der „objektiven Psyche“ im Zusammenhang mit der Sinnsuche hinter Paulis Träumen erörtert, doch von seiten der Physiker werden diese Fäden nicht aufgegriffen, um Paulis Arbeit als theoretischer Physiker vor diesem Hintergrund zu analysieren.
So hinterläßt der vorliegende Band – wie auch schon der isoliert von der Edition des wissenschaftlichen Pauli-Briefwechsels veröffentlichte und nur spärlich kommentierte Pauli-Jung-Briefwechsel - trotz einer wohltuenden Fülle an Disziplin-überschreitenden Gedanken nur ein vages Gefühl von einer zwar interessanten, aber nicht wirklich aufgeklärten Wechselbeziehung.
Es bedarf erst noch einer wissenschaftshistorischen Analyse, um aus diesem unbestimmten Gefühl ein fundiertes Verständnis werden zu lassen.
Michael Eckert, München