04.03.2008

Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt

Fischer, E. P.

Der neue Anlauf zu einer Biografie Max Plancks zu dessen 150. Geburtstag verspricht – so der Klappentext - eine „fesselnd erzählte Lebensgeschichte“, welche „die einzigartige Leistung“ des Jubilars darstellt, „dessen Quantentheorie nicht nur die Wissenschaft revolutionierte, sondern unserem Weltbild eine neue Wendung gegeben hat“. Davon erläutert der Autor ausführlicher leider nur die großen, von Planck benützten Leitprinzipien der Thermodynamik des späten 19. Jahrhunderts, die seine revolutionierende Tat von 1900 vorbereiteten. Der Durchbruch zur berühmten Strahlungsformel erscheint nur angedeutet, wobei auch das übliche Missverständnis als Interpolation zwischen den Gesetzen von Wien und Rayleigh-Jeans (das historisch allerdings erst 1905 auftrat!) wiederholt wird. Der entschei-dende Umschwung, den Plancks erste Konstante (die so genannte „Boltzmannsche“) zugunsten des atomaren Auf-baus der Materie in der Literatur brachte (und übrigens 1908 den erwähnten Doppelvorschlag der Nobelpreise für Chemie an Ernest Rutherford und für Physik an Planck motivierte), wird kaum angedeutet - Rutherford hat übrigens bekanntermaßen die Atomstruktur mit Alpha-, nicht mit Gamma-Strahlen entdeckt.
Dieselbe Vernachlässigung gilt Plancks Deutung seiner zweiten Konstante h in der Strahlungsformel aus dem Jahr 1906 anhand der Phasenraumbeschreibung der elektromagnetischen Oszillatoren, die die Strahlung erzeugen. Die von ihm entscheidend geförderte und auch ausgebaute Relativitätstheorie Einsteins überzeugte ihn damals gleichzeitig und endgültig von der fundamentalen, also nicht weiter ableitbaren Natur von h. Von diesem Zeitpunkt an begann eine nahezu explosionsartige Ausdehnung der Quantentheorie, zunächst mit den innovativen Beiträgen Einsteins. Der ältere „Revolutionär wider Willen“, der an manchen Stellen die Ideen seines Kollegen bremste, etwa durch den Wider-stand gegen dessen Lichtquanten, war aber auch in den folgenden Jahren bis etwa 1925 an der Entwicklung seiner Theorie viel wesentlicher beteiligt, als die meisten bisherigen Biografien es wahrhaben wollen.
Größere Aufmerksamkeit als diesen, eigentlich zentralen wissenschaftlichen Fragen widmet der Autor den tragi-schen Erfahrungen Plancks. Mehrere seiner Kinder wurden ihm seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges durch den Tod entrissen, seine positive Einstellung und Loyalität zum Staat wurde namentlich im Dritten Reich auf die härteste Probe gestellt. Hier zog der Autor auch die jüngst publizierten Auszüge aus dem Briefwechsel Plancks mit seinem Sohn Erwin heran, der noch im Januar 1945 ein spätes Opfer Hitlers wurde.
Auf diese Weise ist ein durchaus lesenswertes Lebensbild eines Mannes entstanden, der trotz all seiner Skrupel und seines vorsichtigen, nahezu altmodischen Vorgehens in persönlichen und beruflichen Fragen in die Rolle eines Revolutionärs des naturwissenschaftlichen Weltbildes hinein wuchs, gleichbedeutend mit dem von ihm entdeckten anderen Revolutionär Einstein.
Auf die große, umfassende Biografie werden wir freilich bei ihm noch lange warten müssen. Diese zu schreiben wird angesichts des schwindenden Verständnisses der Fachhistoriker für die Verhältnisse in den Jahrzehnten nach 1900 und die schwierige Bewertung der lückenhaften, noch existierenden Quellen immer aussichtsloser.
Dr. Helmut Rechenberg, MPI für Physik, München

E. P. Fischer: Der Physiker. Max Planck und das Zerfallen der Welt
Siedler, Berlin 2007, 352 S., geb.

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