Die Geschichte der Welt – vom Urknall bis zur Zukunft der Menschheit
D. Christian: Die Geschichte der Welt – vom Urknall bis zur Zukunft der Menschheit, Hanser, München 2018, geb., 384 S., 25 €, ISBN 9783446258334
David Christian
Der Historiker David Christian, Experte für russische Geschichte, tritt mit dem Anspruch an, mit der neuen Disziplin „Big History“ Menschheits- und Naturgeschichte unter einem Dach zu vereinen und so eine „neue Ursprungsgeschichte“ zu liefern – gewissermaßen als sinnstiftende säkulare Alternative zu religiösen Schöpfungsmythen. Dieser ehrgeizige Anspruch machte mich neugierig auf das Buch, dem viele Lobeshymnen zuteilwurden.
Der Versuch, eine Geschichtsschreibung über die Ära der menschlichen Zivilisation hinaus zu betreiben, ist nicht neu. Ein Vorreiter ist H. G. Wells mit seiner „Outline of History“ (1919). Im deutschen Sprachraum war es etwa Hoimar von Ditfurth, der mit seinen Büchern die Geschichte der Menschheit und des Lebens lehrreich mit der des Universums verquickte.
Zunächst liefert Christian eine gängige Nacherzählung der Entstehung des Universums und seiner Strukturen, bis er zum (immer noch ungeklärten) Ursprung des Lebens und der Evolution der Lebewesen kommt, immer wieder durchsetzt mit wissenschaftsgeschichtlichen Episoden. Das ist durchaus lehrreich und entspricht gängigen populären naturwissenschaftlichen Darstellungen, allerdings mit eigenwilligen Akzenten: Indem Christian mit menschlichen Maßstäben an die Erkenntnisse von Kosmologie, Astro- und Teilchenphysik herangeht, hat er mich eher irritiert, als mir erhellende Einsichten zu bescheren. Da entstehen Galaxien und Sterne in einem „kosmologischen Äquivalent der Kettensägen-Kunst mit der Gravitation als virtuosem Künstler“, und die Entropie taucht als Protagonist auf, mit dem es einen Deal einzugehen gilt. Auf Dauer trennt dies aber die Grenzen zwischen Natur und Kultur anstatt sie zu vereinen.
Christian hantiert gern mit den Begriffen Komplexität, Information und Emergenz, doch kaschieren diese aus meiner Sicht eher Fehlstellen und schleppen einen gehörigen theoretischen Ballast mit sich, der nicht weiter thematisiert wird. Für Christian ist beispielsweise Information „Regeln, die festlegen, wie sich Veränderungen vollziehen.“ Dem kann ich nicht folgen.
Die Menschheitsgeschichte erzählt Christian vor allem aus Perspektive ihres wachsenden Energieverbrauchs, ein gerade heutzutage wichtiger Aspekt. Doch dies wird auf eine distanzierte und nüchterne Weise dargeboten, die ich wenig inspirierend finde. Dabei vermisse ich schmerzlich Abbildungen und instruktive Grafiken. Diesbezüglich herrscht im Buch, abgesehen von einem Hertzsprung-Russell-Diagramm, Fehlanzeige.
Ich halte mich daher lieber an die „Big History“ à la Douglas Adams: „Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.“
Alexander Pawlak