Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl – Eine Liebeserklärung an die Wissenschaft
Florian Aigner: Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl – Eine Liebeserklärung an die Wissenschaft Brandstätter Verlag, 256 S., geb., 24 €, ISBN 9783710604676
Florian Aigner
Schon der Titel dieses Buches hatte mich angesprochen. Umso erfreuter war ich, dass es ausgesprochen interessant und unterhaltsam geschrieben ist. Zwar ist das Buch abgesehen von vereinzelten strichmännchenartigen Zeichnungen frei von Abbildungen, aber ich mag es gerne textlastig.
Die insgesamt 13 Kapitel behandeln unter anderem die exakte Mathematik als − so Florian Aigner − „Wissenschaft des Denkmöglichen“ und erklären Logik und Erkenntnistheorie. Sie führen generell in die wissenschaftliche Modellbildung ein, beispielsweise in der Physik. Im Vergleich zur reinen Mathematik charakterisiert der Autor die Naturwissenschaften als eher „schmutzige Angelegenheit“, weil sie auf Vereinfachungen angewiesen sind. Im Unterschied zur „Natur-Buchhaltung“, wie Aigner es nennt, bestehen Naturwissenschaften nicht nur aus Zahlen, Daten und Fakten, sondern erkennen in erster Linie Zusammenhänge und Muster. Dabei ist der angenehme und zwanglose Plauderton Aigners bemerkenswert, mit dem er sogar anspruchsvolle Konzepte wie den Unterschied zwischen abzählbarer und unabzählbarer Unendlichkeit, den Gödelschen Unvollständigkeitssatz oder den Unterschied zwischen induktivem, deduktivem und abduktivem Schließen einführt.
Im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Theorien und Modellbildung zur Weltbeschreibung erklärt Aigner auch für Laien verständlich, warum neue Theorien häufig die alten nicht komplett ersetzen, sondern lediglich verfeinern oder in Extremsituationen ergänzen. Als Beispiel dient ihm hier die Gravitation. Aber es geht auch anders: Das geozentrische Weltbild scheiterte irgendwann an immer genauer beobachteten Planetenbahnen.
Weitere Abschnitte widmen sich den Unterschieden zwischen Naturgesetzen und Dogmen, Wahrscheinlichkeiten und „vorgetäuschter“ Seriosität. Dazu erläutert Aigner, was wissenschaftliche Methodik ausmacht und wie Erkenntnisse aufeinander aufbauen.
Am Ende zieht er eine Art Resümee: Wissenschaft auf der einen und Bauchgefühl auf der anderen Seite ergänzen sich und haben schlicht verschiedene Zuständigkeiten. Diese Aussage unterstreicht er mit einem kurzen, aber meines Erachtens perfekt getroffenen Exkurs, dass Märchen oder religiöse Texte durchaus eine relevante Botschaft transportieren können, wenn man sie nicht als Wiedergabe von Fakten missversteht.
Der Untertitel „Eine Liebeserklärung an die Wissenschaft“ charakterisiert das Buch wirklich treffend. Gleichzeitig ist es aber auch eine Liebeserklärung an das Bauchgefühl, von dem man lernt, dass es sich zumindest in der Form mathematischer Intuition sogar trainieren lässt.
Dipl.-Phys. Birgit Niederhaus