Nuclear Reactions
H. Paetz gen. Schieck: Nuclear Reactions, Springer, Heidelberg 2014, 365 S., broschiert, 74,89 €, ISBN 9783642539855
H. Paetz gen. Schieck
In Kernreaktionen lassen sich viele Phänomene und komplexe dynamische Prozesse in stark wechselwirkenden Vielteilchensystemen studieren. Die Ergebnisse tragen nicht nur zum Verständnis der Kernstruktur selbst bei, sondern führen auch zu vielfältigen Anwendungen, die von der Medizin und Materialforschung bis zur Erklärung der Elemententstehung in der Astrophysik reichen. Schon der durch Experimente untersuchte Energiebereich von mehr als fünfzehn Größenordnungen – von Reaktionen mit thermischen Neutronen bis zu ultrarelativistischen Schwerionenkollisionen – macht deutlich, vor welchen Herausforderungen man steht, die wichtigsten Aspekte des Gebietes in einer Einführung abdecken zu wollen.
So bringt Hans Paetz gen. Schieck auf rund 360 Seiten eine Auswahl von Themen, die in den meisten Standardlehrbüchern über Kernreaktionen zu finden sind. Der erste Teil gibt eine Übersicht über die Grundlagen der theoretischen Beschreibung begleitet von Beispielen aus der experimentellen Praxis, wobei sich der Autor auf Systeme mit wenigen Nukleonen konzentriert. In zwei weiteren Teilen behandelt er in ihren Hauptzügen experimentelle Werkzeuge, von Beschleunigern bis zu Teilchendetektoren, sowie Anwendungen, darunter vor allem Kernfusionsreaktionen. Neuere Entwicklungen, insbesondere in Hinblick auf die Verbindung moderner Kernstrukturmodelle mit der Reaktionstheorie oder die Möglichkeiten zum Studium exotischer Kerne an exis-tierenden oder im Aufbau befindlichen Anlagen, werden nur kurz gestreift. Daneben behandelt Hans Paetz gen. Schieck ausführlich den theoretischen Formalismus für die Beschreibung von Reaktionen mit polarisierten Teilchen und die damit einhergehenden Experimente. Dieses geht deutlich über den üblichen Inhalt einer Einführung hinaus, ist aber verständlich, wenn man die Forschungsinteressen des Autors berücksichtigt. Die einzelnen Kapitel werden von Aufgaben zur Vertiefung des Stoffes und der Zusammenstellung von maßgeblichen Referenzen begleitet.
Anhand der Auswahl und Anordnung des Materials lässt sich der Ursprung des Werkes aus Vorlesungsskripten erkennen. Während einige Punkte mehrfach behandelt werden, fehlt bei einzelnen Themen eine zumindest überblickhafte Darstellung. Eine anschaulichere Einführung der zentralen Begriffe statt des direkten Sprungs in den detaillierten Formalismus hätte an manchen Stellen nicht geschadet. Längliche Formeln ohne wirkliche Erklärung tragen nicht viel zum Verständnis bei. Die Reihenfolge des behandelten Stoffes ließe sich verbessern, indem vom Einfachen zum Komplizierten fortgeschritten wird. Ärgerlich sind die zahlreichen Fehler, die manch eine Formel völlig sinnlos machen, und eine gelegentlich missverständliche Ausdrucksweise. Das Buch kann als Anregung dienen, sich mit Kernreaktionen zu beschäftigen, zum intensiveren Studium nimmt man besser eines der bekannten Standardwerke zur Hand.
Dr. Stefan Typel, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Darmstadt