Physik verständlich
A. Ziegler und R. Vortmeyer-Kley: Physik verständlich Europa Lehrmittel, Haan-Gruiten 2016, 447 S., 34,80 € ISBN 9783808557822
A. Ziegler und R. Vortmeyer-Kley
Die Uni Osnabrück erregte 2008 Aufsehen durch die Einrichtung einer außerplanmäßigen Professur. Deren Inhaber sollte als Ansprechpartner für Studierende bei mathematischen und physikalischen Verständnisproblemen fungieren. Als „Nachhilfe-Professor“, wie ihn die Medien nannten, wurde der Physiker und Mathematiker Alfred Ziegler berufen. Seine Erfahrungen prädestinieren ihn als Autor für das Buch „Physik verständlich“, das er mit der Physik-Doktorandin Rahel Vortmeyer-Kley verfasst hat. Das Buch richtet sich vorrangig an Studierende des (gymnasialen) Lehramts und deckt in sechs Kapiteln von der Mechanik bis zur Atomphysik alle Gegenstände des Bachelor-Studiums ab.
Das Autoren-Duo stellt sich insbesondere die Aufgabe, die typischen Begriffs- und Modellbildungen der Physik durchschaubarer zu machen. Den Voraussetzungen eines Modells und der Begründung seiner Auswahl wird mehr Platz eingeräumt als der formalen Anwendung. Mit diesem Ansatz ist den Autoren ein origineller und über weite Strecken fulminanter Text gelungen. Bereits der Einstieg in die Mechanik bricht mit üblichen Gepflogenheiten, denn hier müssen die Leser zunächst kleine Aufgaben bearbeiten. Die Diskussion der Lösungen sowie verbreiteter Missverständnisse bei ihrer Bearbeitung knüpfen an das Vorwissen der Zielgruppe an. Darauf folgt die versprochene mathematikarme Darstellung von Grundbegriffen. Die Diskussion ist anspruchsvoll und spart Fragen wie „Ist die Gleichung F = m a eine Definition oder ein Gesetz?“ nicht aus. Ähnlich sorgfältig widmen sich die Autoren der Wärmelehre und Elektrodynamik. Stellvertretend für die Behandlung von Gegenständen, die immer wieder zu Verständnisproblemen führen, sei auf die glänzende Diskussion der Wärme (S. 206ff) hingewiesen.
Im Optik-Kapitel bleibt das Autoren-Duo schließlich an einigen Stellen hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Versprochen war eine „modellsensible“ Diskussion, die Grenzen und Voraussetzungen der jeweiligen Idealisierung zum zentralen Inhalt macht. Möchte man jedoch gedanklich zwischen dem Phänomen und seiner mathematisch-physikalischen Modellierung unterscheiden, darf beispielsweise eine Bemerkung wie „der Brechungsindex ist von der Farbe abhängig“ (S. 358) nicht unkommentiert bleiben. Dabei macht man schließlich den Fehler, den Wahrnehmungsinhalt „Farbe“ mit der Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung zu identifizieren.
Das Buch endet mit einem Kapitel zu Quanten- und Atomphysik. Der Zugang ist dabei sehr kenntnisreich. Didaktisch ist es jedoch nicht unproblematisch, mit Planck und der Schwarzkörper-Strahlung zu beginnen. Dabei sind schließlich die Quantisierung des Festkörpers und der (elektromagnetischen) Strahlung auf kuriose Weise miteinander verquickt. Erfreulich ist der Hinweis, dass der Photoeffekt für den „Teilchencharakter“ des Lichts kein „Beweis“ ist (S. 367). Dennoch wird ein recht naiv teilchenhaft konzeptualisiertes Photon eingeführt. Die Klärung des „Welle-Teilchen-Dualismus“ des Lichts mit Hilfe der Bornschen Regel ist zudem fachlich fragwürdig, da es eine Wellenfunktion des Photons eigentlich gar nicht gibt. Anschließend wenden sich die Autoren der quantenmechanischen Beschreibung von Materie zu und geben einen gut lesbaren Abriss der Atomphysik bis hin zu einer knappen Skizze des Standardmodells der Teilchenphysik.
Zusammenfassend wünscht man diesem Buch, das mit seiner gut lesbaren und kenntnisreichen Darstellung herkömmliche Lehrbücher ergänzt, viele Leser.
Oliver Passon