18.09.2003

Self-Organized Criticality. Emergent Complex Behavior in Physical and Biological Systems

Jensen

Self-Organized Criticality. Emergent Complex Behavior in Physical and Biological Systems

Von H.J. Jensen.
Cambridge Lecture Notes in Physics 10, Cambridge University Press, Cambridge 1998. XIII + 153 S., Paperback,
ISBN 0-521-48371-9

Der Begriff "self-organized criticality" (SOC) wurde 1987 von Bak, Tang und Wiesenfeld geprägt und basiert auf der Vermutung, daß sich in bestimmten komplexen Systemen kritisches Verhalten quasi von selbst einstellt. Bei unterschiedlichsten Phänomenen wie Erdbeben oder Lawinen, um nur zwei zu nennen, wurden gewisse Gemeinsamkeiten festgestellt, die durch SOC erklärt werden sollten. Der Autor schreibt allerdings auch: "There is not a clear-cut and generally accepted definition of what SOC is. Nor does a very clear picture exist of the necessary conditions under which SOC behavior arises." Das Buch kommt dem Anspruch, derartige Unklarheiten zu beseitigen, ziemlich nahe.

Ein anschauliches Beispiel für SOC basiert auf einem System, das von außen schwach angeregt wird, etwa ein Sandhaufen, zu dem man langsam weitere Körner hinzugibt. Mit der Zeit lösen sich Lawinen, und man kann nun deren Wahrscheinlichkeitsverteilung messen. Die Frage ist, ob sich anstelle einer exponentiell abklingenden Wahrscheinlichkeit für große Ereignisse ein algebra isches Abklingen einstellt. Ein solches Verhalten deutet auf Skaleninvarianz hin, also auf fraktale Strukturen nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit. Eine weitere Konsequenz derartigen Verhaltens ist, ausgedrückt mit den Worten des Autors: "Although only nearest neighbor members of the system interact directly, the interaction effectively
reaches across the entire system."

H.J. Jensen beginnt mit einer ausführlichen und objektiven Einführung in das Gebiet, die weder von übertriebenem Enthusiasmus noch von unberechtigter Skepsis geprägt ist. Er diskutiert unterschiedlichste Experimente und Computer-Modelle, wobei er letztere so detailliert beschreibt, daß es sich anbietet, die Modelle selbst auf dem Computer zu implementieren. Schließlich werden - auf der Suche nach einem Formalismus - einige Fragestellungen mit Hilfsmitteln und Methoden der modernen Statistischen Physik genauer beleuchtet. Beginnend mit der "Mean-Field"-Theorie und Langevin-Gleichungen wendet der Autor zuletzt auch eine Renormalisierungsgruppentheorie an. Abschließend diskutiert er noch die Frage nach der Bedeutung und dem Sinn von SOC, wiederum objektiv und relativ unvoreingenommen.

Die Lektüre dieses Buchs sei allen Physikern und auch Studenten des Fachs ausdrücklich empfohlen. Viele Beispiele sind als Übungen formuliert, die einen Einstieg ohne Vorkenntnisse möglich machen. Aber auch für Wissenschaftler, die bereits auf einem der diskutierten Gebiete arbeiten, bietet das Buch eine breite Übersicht, interessante Querverweise und sicher auch tiefergehende neue Erkenntnisse.
Priv.-Doz. Dr. Stefan Luding, ICA1, Universität Stuttgart

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