The Singular Universe and the Reality of Time
R. M. Unger, L. Smolin: The Singular Universe and the Reality of Time, Cambridge University Press, Cambridge 2014, 566 S., geb., 29,99 $, ISBN 9781107074064
R. M. Unger, L. Smolin
Heisenberg sagte einmal: „Der Kosmos ist einmalig, so wie die menschliche Geschichte ein einmaliges Ereignis ist. Darum ist der Begriff des Gesetzes an dieser Stelle in Frage gestellt.“ Der Philosoph Roberto M. Unger und der Physiker Lee Smolin diskutieren in ihrem naturphilosophischen Buch das von Heisenberg angerissene Problem der Kosmologie als Wissenschaft. Die Autoren postulieren eine radikale Revision der Kosmologie: Das Universum gibt es nur einmal (Postulat 1: „The singular existence of the universe“), was gegen die Idee eines unzusammenhängenden Multiversums gerichtet ist, und seine Gesamtentwicklung ist immer kausal verknüpft. Die Zeit emergierte nicht aus einem zeitlosen Grundzustand (keine Wheeler-de Witt-Gleichung), sondern bleibt immer real (Postulat 2: „The inclusive reality of time“), muss aber mit Hilfe der zeitenthobenen mathematischen Abstraktion beschrieben werden, die sich nur auf bestimmte statische „blutleere“ Aspekte der Realität bezieht (Postulat 3: „The selective realism of mathematics“).
Unger und Smolin setzen auf eine Prozessphilosophie – alles verändert sich, nur die Veränderung bleibt. Die zentrale These des Buches lautet, dass sich lokale Modelle und Theorien (zu denen sie die Relativitätstheorien und die Quantenmechanik zählen) nicht auf das gesamte Universum übertragen lassen. Dieses singuläre Universum in der Zeit bedeutet für die Autoren eine kausal verknüpfte Kette von „verwandten“ Universen im Sinne von Smolins „Kosmologischer Natürlicher Selektion“ (KNS), d. h. eine „Geburt“ von neuen Universen durch Schwarze Löcher).1)
Unger und Smolin nehmen auch an, dass sich Naturgesetze verändern (Postulat 2': „The mutability of the laws of nature“); sie entstehen und vergehen mit ihren Gegenstandsbereichen. Trotz einiger Lösungsversuche entkommen die Autoren dem folgenden Dilemma nicht, was sie zugeben: Entweder Gesetze ändern sich ungesetzlich, dann ist nichts erklärt; oder sie ändern sich gesetzlich, dann gerät man in einen unendlichen Regress. Das Problem liegt darin, dass die Diskussion über den Status von Gesetzen zu eng geführt wird: Naturgesetze als stabile Erklärungsmuster, nicht einfach als Ordnungsstrukturen, könnten auf einer ganz anderen zeitenthobenen (Meta-)Ebene als (wechsel-)wirkende Ereignisse liegen. Da hilft es auch nicht, den Unterschied von Gesetz und Randbedingung einzuebnen.
Der empirische Gehalt der Argumentation ist dünn, aber das muss wohl bei einem solch spekulativen Entwurf einer neuen Naturgeschichte so sein. Wir erfahren, dass die maximale Masse von Neutronensternen zwei Sonnenmassen nicht überschreiten sollte, um KNS nicht zu falsifizieren, wir erfahren aber auch eine Menge über den Begriff der Zeit, den Stand der theo-retischen Kosmologie, über neue Interpretationen der Quantenmechanik und der Relativitätstheorien. Wer einmal gründlich über die Fragen der Kosmologie nachdenken will, sollte das Buch lesen.
Priv.-Doz. Dr. Peter Eisenhardt, Goethe-Universität Frankfurt am Main