Wind; Sturm
Louise M. Pryke: Wind, Haupt Verlag, Bern 2024, broschiert, 232 S., 28 Euro, ISBN 9783258083674
George R. Stewart: Sturm, Hoffmann und Campe, Hamburg 2025, geb., 384 S., 26 Euro, ISBN 9783455018721
Louise M. Pryke; George R. Stewart

„The answer, my friend, is blowin’ in the wind“ sang 1962 der spätere Literaturnobelpreisträger Bob Dylan. Doch der Wind weht uns nicht nur Antworten zu, sondern um ihn ranken sich auch viele Fragen. Denn er ist eine ständige, aber unsichtbare Kraft, die nicht nur Haare zersaust, sondern Landschaften und das Klima prägt, Leben verbreitet und seine Spuren in Geschichte wie Kultur hinterlässt. Das ist viel Stoff für ein Buch, das den vielen Facetten des Windes von der Brise bis zum Orkan nachspüren will.
Die Autorin Louis M. Pryke ist Dozentin für Alte Geschichte an der University of Sydney und ihr gelingt das auf kurzweilige Weise. Sie hat kein erschöpfendes Kompendium zum Thema Wind verfasst, sondern wirft kurzweilige Schlaglichter auf die vielen Themenbereiche, die je nach Interessenlage zu tieferer Beschäftigung anregen.
Natürlich spürt Pryke aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds im ersten Kapitel „Naturgeschichte“ den frühesten Theorien über den Wind nach, die sich bei den Naturphilosophen der Antike wie Aristoteles oder Theophrastus finden. Sie beschreibt auch, wie sich in der Neuzeit Leonardo da Vinci und Francis Bacon mit dem luftigen Naturphänomen beschäftigt haben. Besonders faszinierend fand ich die Ausführungen über die „fliegenden Flüsse“ über dem Amazonas-Regenwald, die eindrucksvoll zeigen, wie der Wind den Wasserkreislauf bestimmt. Die Beschreibung der Entdeckung des Sonnenwinds durch Eugene Parker bleiben in ihrer Kürze leider etwas nebulös.
Besonders erfreulich finde ich die Machart des Buches, das auch als Bildband funktioniert und gleichzeitig ein kompaktes Sachbuch bleibt, das man problemlos in die Strandtasche packen kann. Die Abbildungen sind fast durchgängig farbig und adäquat in Szene gesetzt. Der 18-seitige Anhang lässt mit einer Zeittafel, informativen Endnoten, weiterführenden Links und Literaturhinweisen sowie einem Register keine Wünsche offen.
Spaß macht das Kapitel „Kunst, Literatur und Populärkultur“, das auch den trashigen „Sharknado“-Film würdigt. Der Wirbelsturm aus „The Wizard of Oz“ darf natürlich auch nicht fehlen.
Erstaunlich, dass Pryke nicht den Roman „Storm“ (1941) des amerikanischen Sprachwissenschaftlers und Schriftstellers George R. Stewart würdigt. Dieses ungewöhnliche Buch, das zuletzt 1951 auf Deutsch erschienen ist, liegt nun in einer frischen Neuübersetzung vor. Seine Hauptfigur ist kein Mensch, sondern der Sturm namens Maria, dessen Entstehung und Wirkung der Roman aus den unterschiedlichsten Perspektiven und mit vielfältigen literarischen Techniken nachzeichnet. Diese Geschichte verdient in Zeiten des Klimawandels neue Aufmerksamkeit, auch wenn dieser zur Zeit der Entstehung des Buches noch kein Thema war. Gleichzeitig vermittelt Stewarts stürmische Geschichte einen Eindruck von den Vereinigten Staaten, als dort in jeder Hinsicht noch ein ganz anderer Wind wehte.
Alexander Pawlak