02.08.2022 • PlasmaVakuum

3D-gedruckte Plasmasensoren für Labor und Weltraum

Komplett digitale Fertigung gestattet preiswerte, schnelle und gezielte Anpassung an Messsituationen

Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurden die ersten vollständig digital gefertigten Plasma­sensoren entwickelt. Diese auch als Retarding Potential Analyzer (RPA) bezeich­neten Mess­geräte sind eine Weiter­entwicklung des tradi­tio­nellen Faraday Cups und dienen der Bestimmung von chemischer Zusammen­setzung und Ionen­energie­verteilung in Plasmen.Die 3D-gedruckten und laser­geschnittenen Bauteile schnitten genauso gut ab wie die weitaus teureren und aufwendiger im Reinraum her­gestellten Halb­leiter-Plasma­sensoren. Im Gegensatz zu diesen können die 3D-gedruckten Sensoren jedoch innerhalb weniger Tage deutlich günstiger gefertigt werden. Aufgrund der geringen Kosten und schnellen Herstellung sind die Sensoren ideal für eine Einsatz auf den kostengünstigen, leichten und strom­sparenden CubeSats, die häufig zur Kommu­nikation und Umwelt­überwachung in der oberen Erd­atmosphäre betrieben werden.

Abb.: Ein Team vom MIT hat einen 3D-gedruckten Plasma­sensor für...
Abb.: Ein Team vom MIT hat einen 3D-gedruckten Plasma­sensor für Raum­fahrzeuge in der Um­lauf­bahn vor­gestellt, der genauso gut funk­tioniert wie wesent­lich teurere Halb­leiter­sensoren. (Bild: mit freund­licher Geneh­migung der Forscher und be­arbeitet von MIT News)

Die RPAs werden unter Verwendung eines glas­keramischen Materials hergestellt, das haltbarer ist als herkömmliche Sensor­materialien wie Silizium und Dünnschicht­materialien. Durch die Verwendung der Glas­keramik in einem Herstellungs­prozess, der für den 3D-Druck mit Kunst­stoffen entwickelt wurde, konnten die Sensoren mit komplexen Formen hergestellt werden. Sie halten daher den großen Temperatur­schwankungen stand, denen ein Raum­fahrzeug in der unteren Erdum­laufbahn ausgesetzt ist.

„Die additive Fertigung kann für die Zukunft der Raumfahrt-Ausrüstung einen großen Unterschied machen. Manche Leute denken, wenn man etwas in 3D druckt, muss man Abstriche bei der Leistung machen. Aber wir haben gezeigt, dass das nicht immer der Fall ist. Manchmal gibt es keine Kompromisse", sagt Luis Fernando Velásquez-García, leitender Wissen­schaftler in den Microsystems Technology Laboratories (MTL) des MIT, der den neunen Sensor zusammen mit MTL-Post­doktorand Javier Izquierdo-Reyes, der Doktorandin Zoey Bigelow und dem Post­doktoranden Nicholas K. Lubinsky entwickelte.

Ein RPA wurde erstmals 1959 bei einer Welt­raummission eingesetzt. Die Sensoren erkennen die Energie von Ionen oder geladenen Teilchen in einem Plasma, wie es auch in der oberen Erd­atmosphäre vorkommt. An Bord eines Raum­fahrzeugs wie dem CubeSat vermessen vielseitigen Instrumente diese Plasmen und unterstützen so Wetter­vorhersage oder die Überwachung des Klima­wandels.

Die Sensoren bestehen aus einer Reihe von elektrisch geladenen Gittern, die selektiv nur die Ionen des zu unter­suchenden Plasmas durchlassen. Diese erzeugen einen elektrischen Strom, den der Sensor misst und auswertet.

Entscheidend für den Erfolg eines RPA ist die Gehäuse­struktur, die die Gitter ausrichtet. Sie muss elektrisch isolierend sein und gleich­zeitig plötzlichen, drastischen Temperatur­schwankungen standhalten können. Für die neuen RPS wird ein druckbares, glas­keramisches Material mit genau diesen Eigenschaften verwendet, das Vitrolite.

Vitrolite wurde Anfang des 20. Jahr­hunderts entwickelt und häufig für bunte Kacheln verwendet, die in Art-Déco-Gebäuden häufig zu sehen waren. Das haltbare Material kann auch Temperaturen von bis zu 800 Grad Celsius standhalten, ohne kaputt zu gehen, während die in Halb­leiter-RPAs verwendeten Polymere bei 400 Grad Celsius zu schmelzen beginnen.

Abb.: In RPAs durch­läuft das Plasma eine Reihe von elek­trisch gela­denen...
Abb.: In RPAs durch­läuft das Plasma eine Reihe von elek­trisch gela­denen Gittern, die im Gehäuse aus­gerichtet sind und nur die zu unter­suchenden Ionen durch­lassen. (Bild: mit freundlicher Ge­neh­migung der Forscher)

Beim 3D-Druck­verfahren für Keramik wird normaler­weise Keramik­pulver mit einem Laser auf­geschmolzen, um es in Formen zu bringen. Bei diesem Verfahren wird das Material jedoch oft grob und es entstehen Schwach­stellen aufgrund der hohen Hitze des Lasers.

Stattdessen verwendete das MIT-Team die Vat-Photo­polymerisation, ein Ver­fahren, das vor Jahr­zehnten für die additive Fertigung mit Polymeren oder Harzen eingeführt wurde. Bei der Vat-Photo­poly­merisation wird eine 3D-Struktur schicht­weise aufgebaut, indem sie wiederholt in einen Behälter mit flüssigem Material, in diesem Fall Vitrolite, getaucht wird. Nach jeder Schicht wird das Material mit ultra­violettem Licht aus­gehärtet, und dann wird die Platt­form erneut in den Bottich getaucht. Jede Schicht ist nur 100 Mikro­meter dick, was die Her­stellung glatter, porenfreier, komplexer Keramik­formen ermöglicht.

In der digitalen Fertigung können die in einer Designdatei beschriebenen Objekte sehr kompliziert sein. Dank dieser Präzision konnten die Forscher lasergeschnittene Netze mit einzigartigen Formen herstellen, so dass die Löcher im RPA-Gehäuse perfekt aufgereiht waren. Dadurch können mehr Ionen durchgelassen werden, was zu höher aufgelösten Messungen führt.

Die preiswerte und schnelle Produktion gestattet die Herstellung vier verschiedener Designs., von denen eines besonders effektiv bei der Erfassung und Messung eines breiten Spektrums von in der Umlaufbahn eine Satelliten vorkommenden Plasmen ist,  während ein anderes sich gut für die Erfassung extrem dichter und kalter Plasmen eignete, die normalerweise nur mit hochpräzisen Halbleitergeräten gemessen werden können. 

Diese hohe Präzision könnte 3D-gedruckte Sensoren für Anwendungen in der Fusionsenergieforschung oder im Überschallflug ermöglichen. Velásquez-García fügt hinzu, dass das Rapid-Prototyping-Verfahren sogar zu mehr Innovation bei der Konstruktion von Satelliten und Raumfahrzeugen führen könnte.

Obwohl Velásquez-García mit diesen Sensoren bereits zufrieden ist, möchte er in Zukunft den Herstellungs­prozess verbessern. Durch eine Ver­ringerung der Schichtdicke oder der Pixelgröße bei der Glas­keramik-Vat-Photo­polymerisation könnten komplexe Bauteile entstehen, die noch präziser ist. Darüber hinaus würde die vollständig additive Fertigung der Sensoren deren Kom­patibilität mit der Her­stellung im Weltraum ermöglichen. Er möchte auch den Einsatz künst­licher Intelligenz er­forschen, um das Sensordesign für bestimmte Anwendungsfälle zu optimieren, um beispielsweise ihre Masse stark zu reduzieren und gleichzeitig ihre strukturelle Stabilität zu gewährleisten.

MIT / LK

 

 

 

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